Aschaffenburg:Bissgutachten abgelehnt

In 40 Jahre altem Mordfall scheitert Verteidiger mit Antrag

Von Olaf Przybilla, Aschaffenburg

Der fünfte Verhandlungstag in dem Aschaffenburger Prozess, der einen Mord vor 40 Jahren aufklären soll, ist ernüchternd für den Angeklagten verlaufen. Das Landgericht hat den Antrag der Verteidigung des 57-Jährigen abgelehnt, ein zweites zahnmedizinisches Gutachten einzuholen. Am dritten Verhandlungstag hatte eine Sachverständige der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität ein Gutachten vorgelegt, dem zufolge eine Bissspur am Opfer, der 15 Jahre alten Christiane J., "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" durch die Zähne des Angeklagten gesetzt worden sei. Aus Sicht der Verteidigung weist dieses Gutachten "mehrere systematische Fehler" auf. Dem widersprach nun das Gericht. Es wird also kein weiteres zahnmedizinisches Gutachten in diesem Mordprozess geben.

Die Gutachterin hatte festgestellt, dass der Beweiswert der Bissspur "durchaus dem einer DNA-Spur" nahekomme. Das Gebiss des Angeklagten weise demnach eine Vielzahl von Besonderheiten auf. Dass es bei weltweit sieben Milliarden Menschen theoretisch ein sehr ähnliches Gebiss gebe, könne zwar nicht vollständig ausgeschlossen werden - die Wahrscheinlichkeit gehe aber gegen null. So sei der Zahnkranz des Angeklagten identisch zu den Abmessungen der Bissspur. Auch weise dessen Gebiss drei genetisch bedingte Anomalien auf. So seien zwei Zähne des Unterkiefers um jeweils 90 Grad aus der Normalstellung herausgedreht, ein dritter Zahn fehle gänzlich. Auch dessen Zahnabstände seien signifikant, der 57-Jährige weise "keinerlei Abstände zwischen den Zähnen" auf.

Die Verteidigung hatte ihren Antrag auf ein Zweitgutachten mit vermeintlichen Mängeln begründet: So habe die Sachverständige ihr Gutachten auf einer zweifelhaften Grundlage erstattet, da ihr nicht das Originalfoto der Obduktion vorlag, sondern lediglich eine durch das Landeskriminalamt aufgehellte Fotografie. Auch dass die Sachverständige sich auf einen "Wahrscheinlichkeitsgrad" festgelegt habe, ohne angeben zu können, wie oft einzelne Anomalien des Gebisses tatsächlich vorkommen, fand die Verteidigung befremdlich. Überdies sei ein Urteil aufgrund eines Bissgutachtens "forensisches Neuland".

Dem widersprach das Gericht. So sei das Bissgutachten nur ein Indiz. Auch fänden sich in der Literatur genügend Fälle, in denen Bissspuren eine Rolle gespielt hätten. Angesicht der Übereinstimmung von fünf Anomalien sei es auch nicht widersprüchlich, einen Wahrscheinlichkeitsgrad anzugeben. Kein weiteres Bissgutachten also.

Eine Exploration des 57-Jährigen durch einen psychiatrischen Gutachter soll es dagegen doch geben. Nach Angaben von Gerichtssprecher Ingo Krist hat die Verteidigung entgegen ihrer bisherigen Haltung dem nun zugestimmt.

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