Keine Abschiebung:Ein Helfer von Aschaffenburg darf bleiben

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Ahmed Mohamed O. aus Somalia verfolgte nach dem Angriff im Park Schöntal den mutmaßlichen Attentäter. (Foto: Karin Filthaus/Main-Echo)

Tausende protestierten gegen eine angeblich bevorstehende Abschiebung eines Augenzeugen, der beim Attentat von Aschaffenburg Hilfe geleistet hatte. Das Innenministerium gibt Entwarnung: „Bis auf Weiteres“ sei der Somalier geduldet.

Von Olaf Przybilla

Seit das Main Echo die Geschichte von Ahmed Mohamed O. am Wochenende aufgeschrieben hat, haben im Internet Tausende eine Petition für ihn unterschrieben. Der Somalier O. – so ist es ihm von der Staatsregierung schriftlich bestätigt worden – zählte zu jenen Männern, die mit Zivilcourage verhindert haben, dass der mutmaßliche Attentäter von Aschaffenburg möglicherweise noch anderen Passanten gefährlich werden konnte.

Ob Ahmed Mohamed O. freilich bei einem anstehenden Gerichtsverfahren gegen den Tatverdächtigen persönlich aussagen kann, erschien zumindest aus seiner Wahrnehmung nicht sicher zu sein. Wie O. dem Blatt gesagt hatte, sei ihm vor wenigen Tagen mündlich mitgeteilt worden, dass er das Land bis Juli in Richtung Italien verlassen solle, von wo aus er nach Angaben des Verwaltungsgerichts Würzburg im Januar 2024 nach Deutschland gekommen ist. Ein schriftlicher Bescheid über die anscheinend bevorstehende Abschiebung liege ihm demzufolge freilich nicht vor.

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Ahmed Mohamed O. ist – so sind Angaben des bayerischen Innenministeriums zu deuten – tatsächlich einer jener Helfer, die dem flüchtenden Tatverdächtigen zu Fuß gefolgt waren, um andere Passanten gegebenenfalls vor ihm warnen zu können und die Polizei auf dessen Spur zu führen. Wohl auch aufgrund dieser Hilfe hatte der Flüchtende unweit des Parks Schöntal, dem Tatort, gefasst werden können.

Monate zuvor war O. gegen einen Bescheid gerichtlich vorgegangen, demzufolge er nach Italien – wo er einen offiziellen Schutzstatus genießt – zurückkehren muss. Mit seiner Klage hatte er aber keinen Erfolg. Bereits seit 20. November 2024 ist der gerichtliche Bescheid rechtskräftig. Zuständig für die Umsetzung war nach SZ-Informationen seither die Regierung von Unterfranken, die dem Innenministerium untergeordnet ist.

Dieses bestätigte am Montag die Authentizität eines Dankesschreibens von Innenstaatssekretär Sandro Kirchner (CSU), der O. für dessen Einsatz gedankt hatte. Dementierte aber, dass O. demnächst eine Abschiebung drohe. Eine solche stehe „bis auf Weiteres nicht im Raum“, sagte eine Sprecherin. O. habe einen Duldungsstatus, im anstehenden Gerichtsverfahren gegen den mutmaßlichen Attentäter von Aschaffenburg sei er ein „wichtiger Zeuge“. Offenkundig liege ein „Missverständnis“ vor.

Ahmed Mohamed O., der dem Zeitungsbericht zufolge „kein Deutsch und nur bruchstückhaft Englisch“  spricht, hatte beim Main Echo hinterlegt, auch aufgrund der Sprachbarriere möglichst nur im beschränkten Maße der Öffentlichkeit Auskunft geben zu wollen. Er dürfe, so deutete er die ihm vorliegenden Angaben offenbar, nicht im Land bleiben, „möchte es aber gerne“.

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Auch würde er gerne in Deutschland arbeiten. Dies soll nach Angaben des Innenministeriums auch möglich sein. Die Ausländerbehörde werde seinen Antrag „auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis“ demnächst genehmigen.

Vorgelegt hat O. der Zeitung auch ein Dankesschreiben der Staatskanzlei, in dem ihm attestiert werde, „in herausragender Weise Entschlossenheit und Mut bewiesen“ zu haben. O. habe „sofort reagiert und hilfsbereit gehandelt“. Er habe damit ein „eindrückliches Beispiel für Zivilcourage“ gegeben. Ahmed Mohamed O. verdiene „Dank, Anerkennung und Respekt“.

Die Staatskanzlei äußert sich zur Frage der Authentizität des Schreibens nicht. Informationen über etwaige persönliche Dankesschreiben würden aus datenschutzrechtlichen Gründen grundsätzlich nicht preisgegeben. Keine Angaben machte die Staatskanzlei auf Anfrage auch zur – laut Main Echo – in Aussicht gestellten Verleihung einer Christophorus-Medaille für geleistete Rettungshilfe an O.

Die Staatsanwaltschaft bestätigt, dass der Tatverdächtige von Aschaffenburg „von einem deutschen, einem somalischen und einem syrischen Staatsangehörigen“ verfolgt worden ist, zum Teil folgten die Männer dem mutmaßlichen Attentäter bis zum Ort der Festnahme. Während des Einsatzes seien am Tattag im Zentrum Aschaffenburgs zwei andere „somalische Staatsbürger durch die Polizei kurzzeitig vorläufig festgenommen“ worden, nachdem in der zunächst unklaren Lage der Verdacht bestanden habe, es handle sich möglicherweise um Tatbeteiligte.

Stimmt es, dass eine Aussage von O. über das Tatgeschehen in Aschaffenburg aufgezeichnet worden ist, weil nicht sicher war, ob sich der Somalier zu Verhandlungsbeginn noch in Deutschland aufhalten kann? Die Staatsanwaltschaft bestätigt das im konkreten Fall nicht, dementiert aber auch nicht. Zur „Art und Weise der Durchführung einzelner Vernehmungen“ könnten „keine Angaben“ gemacht werden. Grundsätzlich aber komme eine audiovisuelle Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung zum Beispiel dann in Betracht, wenn die Gefahr bestehe, dass der Zeuge in einer „Hauptverhandlung nicht mehr zur Verfügung“ stehe, weil er sich beispielsweise nicht mehr im Bundesgebiet aufhalte.

Im Internet sorgte die vermeintlich bevorstehende Abschiebung des im südlichen Landkreis Aschaffenburg lebenden Mannes seit dem Wochenende für Entrüstung. Es sei ein falsches Signal, „wenn Menschen wie Ahmed, die sich aktiv für unsere Gesellschaft einsetzen und unsere Rechtsstaatlichkeit respektieren, abgeschoben werden sollen“, heißt es in einer Petition.

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