Äppelwoi in Aschaffenburg:Unesco am Untermain

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Äppelwoi wird traditionell in einem Bembel serviert. (Foto: A9999 Marius Becker/dpa)

Man mag diesen wunderbaren Rumor aus Gebabbel und verfrühtem Suff? Das geht nun auch unter Zuhilfenahme eines frisch prämierten Kulturerbes. Der Äppelwoi steht zwar eigentlich für Hessen. Es gibt ihn aber auch in Bayern.

Glosse von Olaf Przybilla, Aschaffenburg

Besser als der Karikaturist Achim Greser, auf dessen Firmenschild "Witze für Deutschland" steht, kann man es nicht sagen. Warum man um die Mittagsstund' im Grunde nichts Fundierteres tun kann, als den "Schlappeseppel" - in Sichtweite des Aschaffenburger Schlosses gelegen - aufzusuchen? Nun, weil dort bereits um besagte Tageszeit "keine kahle Wirtshausödnis" vorherrsche - und stattdessen "dieser wunderbare Rumor aus Gebabbel, exaltierten Kartenspielreaktionssignalen, verfrühtem Suff und Extremäußerungen".

Greser, das ist der Mann, der zusammen mit Heribert Lenz auf dem Marsch durch die Institutionen direkt in der "Zeitung für Deutschland" angekommen ist, der FAZ. Seine Girlande auf den Schlappeseppel freilich war 2004 nicht dort zu lesen, sondern auf der anderen bundesrepublikanischen Straßenseite gewissermaßen, in der taz nämlich. Dort haben diese beiden (zugegebenermaßen in Aschaffenburg lebenden und zeichnenden) Kapazitäten unter den Karikaturisten den Schlappeseppel zum schönsten Wirtshaus im Umkreis von 100 Kilometern erkoren, was sich weniger formidabel anhören mag, aber doch eine gewisse Distinktionsmacht entfaltet, bedenkt man, dass dies Flecken wie Darmstadt, Wiesbaden und Frankfurt einschließt.

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Was wiederum direkt zum Thema führt: Sie wollen das neueste Unesco-Kulturerbe, den sagenhaften Äppelwoi, in seiner ganzen Grandiosität möglichst ungefiltert erleben und genießen - haben aber kulturelle Berührungsängste vor brachialhessischem Schunkelfuror ("Unser David Bowie heißt Heinz Schenk")? Dann ab nach Aschebersch!

Wobei sich der Schlappeseppel, so betont es der Wirt, als eine Biergaststätte versteht. Aber um der Unesco willen und wenn man auf Knien bittet, dürfte das Apfel-Anschickergetränk aus (auch) Aschaffenburg schon auch dort irgendwo zu besorgen sein.

Und wenn's gerade doch nicht geht: Die Unesco will ohnehin keine Bembel-und-Stöffche-Vergötzung als "Immaterielles Kulturerbe" gewürdigt wissen, sondern ganz generell die "Apfelweinkultur". Bäume pflegen, gemeinsames Keltern, Streuobstinitiativen anleiern, solche Sachen.

Klingt schon wieder weniger lustig. Und dürfte im Schlappeseppel schwierig sein. Egal. Wie sagt es Lenz: "Wenn das Licht auf mein Bier fällt, geht mir das Herz auf." Auch ohne Welttitel.

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