Artenschutz:"Der Wolf lässt sich nicht mehr integrieren"

Wolf

Der Wolf jagt bayerischen Politikern einen Schrecken ein. Sie fürchten um Wähler aus der Landwirtschaft.

(Foto: dpa)
  • Tatsächlich gibt es aktuell kein einziges Wolfsrudel in Bayern, es fehlt auch jeder Hinweis, dass sich demnächst eines bilden könnte.
  • Doch schon jetzt fordern CSU und Freie Wähler, dass der strenge Schutz der Tiere gelockert wird und die Raubtiere in Zukunft sehr viel leichter abgeschossen werden können.
  • Am drastischsten formuliert Freie-Wähler-Chef Aiwanger die Forderung: "Der Wolf lässt sich nicht mehr in unsere dicht besiedelte bayerische Kulturlandschaft integrieren."

Von Christian Sebald

Hier die aktuellste Meldung vom Wolf im Freistaat: In den Vorbergen des Bayerischen Waldes nördlich von Straubing streift offenbar einer umher. Ein Einheimischer hat das Raubtier unlängst beobachtet, wie es über eine kleine Seitenstraße lief. Zwar war sich der Mann nicht im Klaren, ob es sich um einen streunenden Schäferhund oder einen Wolf handelte. Aber geistesgegenwärtig machte er ein Foto von dem Tier.

Als die Raubtierexperten am Landesamt für Umwelt die Aufnahme sahen, war klar: Es ist ein Wolf. Der Mann berichtete außerdem, dass das Tier sehr scheu war und hinkte. Offenkundig habe es eine Verletzung am Vorderlauf. Damit steht für die Experten fest, dass es sich um denselben Wolf handelt, der bereits im Dezember in Oberösterreich und im Bayerischen Wald bei Passau gesichtet worden war. Denn auch dieser Wolf hinkte.

Im Landtag in München rüsten sich die Parteien derweil zur großen Schlacht um den Wolf. Auf der einen Seite stehen die CSU und die Freien Wähler: Sie wollen unbedingt, dass der strenge Schutz des Wolfes aufgeweicht wird und die Raubtiere in Zukunft sehr viel leichter abgeschossen werden können. Am drastischsten formuliert Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger die Forderung: "Der Wolf lässt sich nicht mehr in unsere dicht besiedelte bayerische Kulturlandschaft integrieren", sagt er. "Deshalb muss die rechtliche Voraussetzung geschaffen werden, dass Wölfe abgeschossen werden können, wenn sie Weidetiere töten."

In der CSU formulieren sie die Forderung nicht so offen, wohl mit Rücksicht auf ihre Parteifreundin Ulrike Scharf. Denn als Umweltministerin ist sie dem strengen Schutz des Wolfes schon von Amts wegen verpflichtet. Aber die Landtagsfraktion meint exakt das Gleiche wie FW-Chef Aiwanger, wenn sie per Dringlichkeitsantrag fordert, "dass der Schutzstatus des Wolfes (. ..) herabgesetzt wird, und darauf hinzuwirken, dass die Möglichkeit geschaffen wird, die Population durch den Menschen zu regulieren".

Auf der anderen Seite stehen SPD und Grüne. "Die Forderungen, den Schutzstatus des Wolfes aufzuweichen, beruhen auf populistischen Panikmache", sagt der SPD-Abgeordnete Florian von Brunn. "Sie müssen ein Ende haben. Die Staatsregierung darf ihnen nicht nachgeben." Die Grünen beklagen, dass die Rückkehr des Wolfes als "Gefahr für Mensch und Landwirtschaft überdramatisiert wird". Beide Parteien verlangen, möglichen Ängsten in der Bevölkerung mit einer Aufklärungskampagne zu begegnen. Außerdem solle die Staatsregierung die Beratung der Bauern in Sachen Schutz von Weidetieren intensivieren.

Für Experten ist der anhebende Streit der Landtagsparteien absurd. "Wir haben ja noch überhaupt keine Wölfe, die hier in Bayern leben", sagt der Jäger und Forstmann Ulrich Wotschikowsky. "CSU und Freie Wähler wollen die Wölfe abschießen, bevor sie überhaupt hier sind." Wotschikowsky zählt zu den renommiertesten Raubtierexperten in Deutschland, er hat zum Beispiel am Wolf-Managementplan in Sachsen mitgearbeitet, wo wieder etliche Rudel leben.

Die Schäden durch sie sind praktisch Null

Tatsächlich gibt es aktuell kein einziges Wolfsrudel im Freistaat, es fehlt auch jeder Hinweis, dass sich demnächst eines bilden könnte. Einzig im Nationalpark Bayerischer Wald hat sich vor eineinhalb Jahren ein einzelner Rüde niedergelassen. Er ist dort inzwischen sieben Mal in Fotofallen getappt, die dort an wichtigen Wildwechseln stehen. Außerdem wurden 2016 sechs weitere Wölfe gesichtet. Bei allen handelte es sich höchstwahrscheinlich um Jungtiere, die auf der Suche nach einem Revier durch den Freistaat gewandert sind. Dabei haben sie sich alle unauffällig verhalten. Das sieht man schon daran, dass die Schäden durch sie praktisch Null sind. Einzig Ende April 2016 hat ein durchwandernder Wolf im Nürnberger Land ein Schaf gerissen - das war alles im vergangenen Jahr. Natürlich wurde dem Halter der Verlust ersetzt. Der Ausgleichsfonds ist prall gefüllt.

Die Agrarszene interessieren solche Fakten wenig. Viele Bauern, vor allem aber die Funktionäre in den Verbänden wettern seit Jahren gegen eine Rückkehr der Wölfe nach Bayern. Dabei malen sie düsterste Szenarien vom Ende der Almwirtschaft in den Bergen und der Weidehaltung in den flacheren Regionen an die Wand - weil die Wölfe so viele junge Rinder und Schafe zur Strecke bringen würden, dass sich die Tierhaltung nicht mehr lohne.

Schon vor Jahren war der Widerstand auf dem Land so groß, dass der damalige Umweltminister Markus Söder (CSU) das Thema in seinem Haus zum Tabu erklärte. Das wirkt noch heute nach. "Die Rückkehr der Wölfe nach Bayern hat das Zeug zum extremsten Naturschutz-Streit seit Jahrzehnten", sagt ein Fachmann, der ungenannt bleiben will. "Die erbitterte Auseinandersetzung um das Riedberger Horn wird sich dagegen harmlos ausnehmen."

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