Artenschutz:Das Rudel ist verschwunden

Entlaufene Wölfe im Bayerischen Wald

Zwei der sechs Wölfe, die vergangenes Jahr mutwillig aus einem Gehege des Nationalparks freigelassen wurden. Drei blieben verschwunden.

(Foto: Anett Kalmar/dpa)

An der Grenze zwischen Bayern und Tschechien sind offenbar nur noch zwei Wölfe unterwegs

Die Fichtenurwälder rund um die Schwarzbachklause zählen zu den einsamsten und zugleich eindrucksvollsten Regionen im Nationalpark Bayerischer Wald. Außer einigen wenigen markierten Wanderwegen gibt es hier an der südöstlichen Grenze des Nationalparks etliche wilde Steige, den Lusenweg zum Beispiel, auf dem man in Richtung Tschechien und weiter auf dem Grenzsteig auf den 1373 Meter hohen Lusen wandern kann. Oder den Finsterauer Steig und den Zametzersteig unterhalb des Buchberger Stands.

Hier, in diesen locker bewaldeten Berghängen, hat das Wolfspaar, das im Winter 2016/2017 im Bayerischen Wald zusammengefunden hat, vor eineinhalb Jahren drei Junge bekommen. Das Rudel - das erste seit mehr als 150 Jahren in Bayern - war über Monate hinweg wohlauf. Die meiste Zeit hielten sich die Elterntiere und ihre Jungen im Nationalpark Sumava auf, der nur gut einen Kilometer entfernt an der Grenze zu Tschechien beginnt.

Inzwischen existiert das Rudel nicht mehr. Schon vor ein paar Wochen wurde bekannt, dass einer der beiden jungen Rüden nahe Hamburg auf einer Autobahn überfahren worden ist. Der andere hält sich offenbar auf einem Truppenübungsplatz in Thüringen auf. Zumindest wurden dort Genspuren von ihm am Kadaver eines Mufflons entdeckt, an dem er gefressen hat. Das Muttertier ist verschollen, von der Fähe, wie das Weibchen auch genannt wird, gibt es seit Monaten keine Spur mehr. Nur der alte Rüde und die junge Fähe ziehen im Grenzgebiet zwischen den beiden Nationalparken herum.

Im Bayerischen Wald kursieren derweil Spekulationen, warum sich das Rudel so abrupt und frühzeitig aufgelöst hat. Denn gewöhnlich bleiben junge Wölfe die ersten beiden Lebensjahre bei ihren Elterntieren. Die beiden Jungrüden sind aber schon mit gut einem Jahr fortgezogen aus der Region. Die plausibelste Erklärung dafür ist, dass dem Rudel das Muttertier abhanden gekommen ist. Einige vermuten, die Wölfin sei in Tschechien gewildert worden. Schließlich hat das Rudel dort immer mal wieder auf nur spärlich gesicherten Weiden Schafe gerissen. In den Dörfern jenseits der Grenze war deshalb der Ärger groß über das Rudel.

Die Frage ist nun, wie es mit dem alten Rüden und der jungen Fähe weitergeht. Sie sind offenkundig nach wie vor miteinander im Grenzgebiet der beiden Nationalparke unterwegs. Der Wolfsexperte Ulrich Wotschikowsky hält es durchaus für möglich, dass die beiden einmal den Kern eines neuen Rudels bilden könnten. "Bei Wölfen wie bei anderen Säugetieren kommt es immer mal wieder vor, dass sich Vatertiere und ihre weiblichen Jungen paaren", sagt Wotschikowsky. "Vor allem an der sogenannten Ausbreitungsfront - also in den Regionen, in denen sich Wölfe gerade erst wieder etablieren und es deshalb nicht selbstverständlich ist, dass ein Rüde sofort wieder eine Fähe trifft, wenn ihm sein ursprüngliches Weibchen abhanden gekommen ist."

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