Archiv-Leiter Hundemer im Gespräch:Wie Forscher die kniffligsten Denkmal-Rätsel knacken

Der Foto-Schatz ist riesig - und doch zum Teil wertlos: Mehr als eine Million Bilder lagern in den Archiven des Bayerischen Landesdenkmalamts, doch bei etlichen weiß niemand, was darauf zu sehen ist. Wie die Wissenschaftler versuchen, die Rätsel der geheimen Denkmäler zu knacken, erzählt Archivleiter Markus Hundemer.

Tobias Dorfer

Markus Hundemer ist der Herr der Bilder. Mehr als eine Million Fotos sind in den Archiven des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege abgelegt, fein säuberlich sortiert und eingeordnet. Immer wenn Sanierungen von Baudenkmälern anstehen, werden die Aufnahmen herangezogen. Bis zu 700 Anfragen muss das dreiköpfige Team jedes Jahr bearbeiten. Hundemer leitet das Archiv seit zwölf Jahren und doch stößt er immer wieder auf Fotos, die er noch nie gesehen hat - und solche, die selbst der studierte Kunsthistoriker nicht zuordnen kann. Diese sind dann quasi wertlos. Wie die Wissenschaftler versuchen, die Rätsel der "geheimen Denkmäler" zu knacken, erzählt Hundemer im Interview.

Markus Hundemer, Landesamt für Denkmalpflege

Markus Hundemer leitet das Archiv des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege seit 2000.

(Foto: BLfD)

Süddeutsche.de zeigt in einer Fotostrecke exklusiv einige dieser Denkmal-Rätsel, über denen selbst die Wissenschaftler des Landesdenkmalamts bislang vergeblich gebrütet haben. Können Sie den Forschern helfen? Ihnen winkt ein toller Preis.

Süddeutsche.de: Herr Hundemer, im Archiv des Bayerischen Landesdenkmalamts lagern 1,2 Millionen Fotos. Wie viele davon kennen Sie?

Markus Hundemer: Moment, eigentlich sind es mehr. Im Archiv lagern 1,2 Millionen historische Aufnahmen, die vor 1970 angefertigt wurden. Und es kommen immer weitere dazu. In den letzten Jahren haben wir die 100.000 ältesten Bilder digitalisiert, die habe ich alle durchgeschaut. Aber es gibt auch Fotos, die noch nie über meinen Schreibtisch gegangen sind.

Süddeutsche.de: Gibt es auch Bilder, bei denen Sie nicht wissen, was darauf zu sehen ist?

Hundemer: Das passiert immer wieder. Bei 900 Bildern weiß ich nicht, was sie zeigen.

Süddeutsche.de: Haben Ihre Vorgänger im Archiv nicht so sauber gearbeitet?

Hundemer: Auch früher haben sich Menschen schon verschrieben. Das ist es aber nicht, was uns zu schaffen macht. In Bayern hat sich in den vergangenen Jahrhunderten einiges verändert. Manchmal ist in von Gemeinden die Rede, die es gar nicht mehr gibt. Oder wir stoßen auf Fotos mit Denkmälern, die sich eigentlich in Böhmen, Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz befinden. Sie dürfen nicht vergessen, dass das Königreich Bayern größer war als der heutige Freistaat. Aber das Hauptproblem ist ein anderes.

Süddeutsche.de: Nämlich?

Hundemer: Fast alle Fotos, die vor 1970 gemacht wurden, zeigen Dinge, die heute in dieser Form gar nicht mehr existieren. Da ist der Putz eines historischen Bauernhauses zerstört, Straßen wurden umgebaut oder die Inneneinrichtung einer Kirche hat sich grundlegend verändert. Und die Menschen, die uns weiterhelfen könnten, sind schon lange tot.

Wenn eine Radltour zum Ziel führt

Süddeutsche.de: Bei manchen Fotos klappt es schließlich doch. Wie knacken Sie die Rätsel?

Hundemer: Häufig geht es um Kleinigkeiten. Wir schauen zum Beispiel, ob ein Berg im Hintergrund zu sehen ist, den wir zuordnen können. Bei Innenansichten müssen wir wie ein Detektiv arbeiten. Ist in einer Kirche in der Mitte des Hochaltars der Heilige Martin zu sehen, suchen wir in unserer Bibliothek nach Martinskirchen. Manchmal hilft auch der Zufall. Oder eine Suchmaschine.

Süddeutsche.de: Eine Online-Suchmaschine hilft bei komplizierten kunsthistorischen Recherchen?

Hundemer: Die Online-Bildersuche hat uns schon viele gute Treffer geliefert. Ein Kollege hat mit dem Handy einmal ein Foto abgelichtet und durch die Bilderkennungssoftware laufen lassen. Das Programm hat sofort erkannt, dass es sich um die russisch-orthodoxe Kirche in Darmstadt handelte.

Süddeutsche.de: Nehmen Sie Ihre Bilderrätsel auch mit nach Hause?

Hundemer: Schlimmer - ich plane sogar manche Sonntagsausflüge entsprechend. Kürzlich bin ich am Wochenende nach Grünwald geradelt, um eine Kirchenaufnahme zu überprüfen. Meine Kollegin hat einmal nach einem Bauernhof gesucht und ist dafür sonntags extra nach Deining gefahren. Sie hat den Hof gefunden - die Nachbarin erkannte den Hof, obwohl er bereits abgerissen war. Ein Teil des Hofes wurde in das Nachbordorf versetzt...

Süddeutsche.de: Wie viele Rätsel können Sie lösen?

Hundemer: Unsere Quote ist recht hoch. Ein Drittel kriegen wir gelöst, den Rest leider nicht.

Süddeutsche.de: Das muss doch ziemlich unbefriedigend sein, oder?

Hundemer: Es ist umgekehrt. Die Freude, wenn man ein Foto auflöst, ist riesig und eine tolle Motivation. Diese Rätselspiele sind ja nicht ohne Sinn und Zweck. Wenn eine Kirche restauriert werden muss, ist eine Innenaufnahme extrem hilfreich. Da müssen Gerüste aufgestellt werden, Muster gemacht und viel überprüft werden. Ein gutes Foto erleichtert diese Arbeit extrem. Das spart Zeit und Geld.

Süddeutsche.de zeigt in einer Fotostrecke exklusiv einige dieser Denkmal-Rätsel, über denen selbst die Wissenschaftler des Landesdenkmalamts bislang vergeblich gebrütet haben. Können Sie den Forschern helfen? Ihnen winkt ein toller Preis.

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