Baukunst:Zwei Brüder prägen Bayern mit ihren Bauten

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Die beiden Architekten haben inzwischen 120 Projekte gemeinsam umgesetzt. Nur die Frage, die alle interessiert, können sie nicht beantworten.

Von Olaf Przybilla, Würzburg

Ein wenig Chuzpe muss schon dabei gewesen sein, als sich Christian Brückner darum bewarb, den Getreidespeicher am Alten Hafen in Würzburg umzubauen. Er war 25 zu der Zeit, da machen Menschen mitunter Sachen, über die sie später den Kopf schütteln würden. Andererseits: Brückner hatte bei David Chipperfield in Stuttgart studiert, da konnte er unmöglich alle Verwerfungen um den Umbau eines Speichers in Würzburgs erstes zeitgenössisches Kunstmuseum von Rang mitbekommen haben. Er hatte Abstand, was ja gelegentlich ganz gut ist. Der Kulturspeicher war 1996 nicht nur in Franken zentrales Thema, er galt - neben Münchens Pinakothek der Moderne - als ambitioniertestes Kulturprojekt Bayerns. Und um es kurz zu machen: Der 25-Jährige gewann.

Wobei sich Christian Brückner auch damals schon mit seinem Bruder Peter beworben hatte. Der ist neun Jahre älter, hat in München studiert bei Peter Zumthor und Fritz Koenig, ein etwas anderer Weg eigentlich. Aber die Wurzeln in der Oberpfalz, in Tirschenreuth, ließen die beiden ins Überlegen kommen: Womöglich ist ja das Band, das einen verbindet durch eine gemeinsame Heimat und ein Elternhaus, stärker als die Prägung durch unterschiedliche Lehrmeister? Die häufigste Frage, mit der sich beide konfrontiert sehen seither, ist die nach dem: Wer hat was beigetragen? Sie würden das wirklich gerne beantworten, sagt Christian Brückner. Aber falls sie es könnten, könnten sie womöglich nicht zusammenarbeiten - in einer Atmosphäre, wo es gerade nicht darauf ankomme, wer was gedacht, gemacht, entworfen hat.

Das Wallfahrtsmuseum in Altötting ist eines der Projekte der beiden Brüder. (Foto: N/A)

120 Projekte haben Brückner und Brückner seit dem Kulturspeicher verwirklicht. Man kann sie sich jetzt anschauen, aufgereiht in einem opulenten Bildband ("Wurzeln und Flügel", Birkhäuser Verlag, Basel 2018). Der Weg führt einmal quer durch Bayern, man nimmt automatisch Haltung an, wenn man blättert und sieht, für wie viele prägende Werke die Brüder inzwischen verantwortlich zeichnen: etwa für den Umbau der Unibibliothek Erlangen, zuvor ein beklemmender Klotz, heute ein markanter Zentralbau; auch für die komplett neu gestaltete Klara-Kirche in Nürnbergs Zentrum, in deren Kapelle man mit Menschen ins Gespräch kommt, die mit Kirche sonst wenig am Hut haben; auch der Erinnerungsort fürs Olympia-Attentat in München stammt von den Brückners, die Neue Schatzkammer samt Wallfahrtsmuseum in Altötting und das Granitmuseum Bayerischer Wald in Hauzenberg.

Wichtigstes Werk aber, sagt Christian Brückner, bleibt der Kulturspeicher: der Anerkennung wegen, die ihnen zuteil geworden ist, klar. Auch aber, weil es der Bau ist, der die Brüder zu Partnern gemacht hat. Ein Büro haben sie, mit gleichberechtigten Filialen in Tirschenreuth und Würzburg und dem Versprechen, sich einmal im Jahr zur gemeinsamen Klausur zurückzuziehen. Angesagte Architekten, hatte man den beiden vor 20 Jahren gesagt, haben ihr Büro in Berlin oder Hamburg. In Unterfranken und der Oberpfalz? Vergesst es.

Der Kulturspeicher in Würzburg war das erste gemeinsame Projekt der Architektenbrüder. (Foto: N/A)

Machten sie nicht. Und das mit einigem Erfolg: Überlegt man, wer das Stadtbild Würzburgs nach dem Krieg am prägendsten verändert hat, der kommt an Brückner und Brückner kaum vorbei. Da ist der Kulturspeicher. Und da ist gleich nebenan das Heizkraftwerk, das den Blick von der alten Mainbrücke in Richtung nördlicher Weinberge bis 2003 aufs Übelste dominierte. So vorherrschend scheußlich war der Industriebau, dass die Würzburger Norman Foster engagieren wollten, um dem Kraftwerk ein ansehnliches Kleid zu verschaffen. Es wurden dann aber die Brückners. Sie schufen einen Ort, an dem Würzburger heute ihren Sommer verbringen. Werden dort Konzerte gegeben ("Hafensommer"), muss Christian Brückner nur das Fenster aufmachen. Sein Büro ist gleich nebenan.

© SZ vom 15.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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