Arbeitserlaubnis:Jobs für Flüchtlinge - reine Glücksache in Bayern

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Die Firma Samson hatte für den Ausbildungsstart im September 30 Ausbildungsplätze für Flüchtlinge geschaffen - mit oder ohne Planungssicherheit. (Foto: Andreas Arnold/dpa)
  • Seitdem das bayerische Innenministerium den Ausländerbehörden "Vollzugshinweise" für das Bundesintegrationsgesetz gegeben hat, sitzen viele Flüchtlinge ohne Perspektive auf Arbeit und Integration tatenlos in ihren Unterkünften.
  • Wie streng diese Hinweise ausgeführt werden, ist in jedem Landkreis unterschiedlich.
  • Wirtschaftsbetriebe klagen deshalb über die mangelnde Planungssicherheit bei der Ausbildung von Flüchtlingen.

Von Peter Bierl, Dietrich Mittler und Martin Mühlfenzl, München

In der jüngsten Kabinettssitzung erst hat Sozialministerin Emilia Müller (CSU) angekündigt, in großen Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber die Sicherheit deutlich verbessern zu wollen. Die Staatsregierung wolle dort künftig "mehr private Sicherheitsdienste einsetzen, wenn die besondere Situation vor Ort dies erfordert". Dass unter Flüchtlingen Konflikte immer wieder auch gewaltsam ausgetragen werden, erschließt sich für Bayerns Sozialministerin in erster Linie daraus, dass es "aufgrund der unterschiedlichen Nationalitäten der Bewohner vermehrt zu Problemen kommt".

Was Müller als Beweggrund für die Aggressionen unter den Flüchtlingen tunlichst nicht erwähnt, bringt indes ihr Parteifreund, der Münchner Landrat Christoph Göbel, auf den Punkt. "Genau dann, wenn sie nur rumsitzen, kommen sie womöglich auf dumme Gedanken", sagt er. Göbel hält es für "falsch und fatal", Flüchtlingen keine Perspektive auf Arbeit anzubieten. Und das gelte auch für jene mit geringer Bleibeperspektive, "sofern sie länger in Asylunterkünften untergebracht sind".

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Auch Göbel sind die Konflikte nicht entgangen, die plötzlich aufflammten, nachdem das bayerische Innenministerium im September vergangenen Jahres den Ausländerbehörden "Vollzugshinweise" dazu an die Hand gab, wie das neue Bundesintegrationsgesetz auszulegen sei. War es vor dieser Intervention kein Problem, dass Flüchtlinge mit abgelehntem Asylantrag relativ schnell zu einer Duldung, zu einer Arbeitserlaubnis und damit auch zu einer Berufsausbildung kamen, so sitzen viele nun ohne Arbeit und ohne Perspektive in ihren Einrichtungen.

Etliche ehrenamtliche Asylhelfer, die oftmals bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gehen, um vor allem jungen Flüchtlingen zu einem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu verhelfen, kritisieren die Vorgaben des Ministeriums als hart und kontraproduktiv. "Mit der heutigen Praxis fragen wir uns, warum wir uns überhaupt weiterhin engagieren", schrieb kürzlich ein Asylhelferkreis aus dem oberbayerischen Wang an die Staatskanzlei in München.

Der Vorstoß des Innenministeriums hat allerdings auch Wirtschaftsbetriebe verunsichert. Damit verlören sie an Planungssicherheit, hieß es. Firmen könnten nicht mehr davon ausgehen, dass Flüchtlinge ihre Ausbildung dort auch beenden dürfen und anschließend dem Betrieb zumindest noch zwei Jahre als eingearbeitete Arbeitskraft erhalten bleiben.

Die Industrie- und Handelskammer Schwaben sowie weitere Kammern zogen deshalb vor Kurzem in Erwägung, den Integrationspakt Bayern zu kündigen. Den hatte die Staatsregierung mit vorangetrieben, um bis Ende 2019 rund 60 000 Asylbewerbern mit Aussicht auf ein dauerhaftes Bleiberecht "echte Perspektiven auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt zu eröffnen", wie Ministerpräsident Horst Seehofer den Pakt zwischen der bayerischen Wirtschaft und der Bundesagentur für Arbeit beschrieb.

Mit dem Scheitern des Pakts wäre eine Säule der Integrationspolitik in sich zusammengebrochen, gilt er doch als Kernstück des bayerischen Sonderprogramms "Zusammenhalt fördern, Integration stärken". Doch es kam anders: Bei einem Treffen am 27. Januar habe das Innenministerium "eingelenkt", heißt es auf Kammerseite. "Wir sind nicht zurückgerudert", kontert das Innenministerium. Dazu gebe es gar keinen Anlass. In die Schreiben des Ministeriums werde - bisweilen auch gegen besseres Wissen - "anderes hineininterpretiert", als drinstehe. Bayern handele nicht restriktiver als andere Bundesländer.

Nach dem Treffen mit den IHK-Vertretern richtete sich das Innenministerium indes erneut an die Ausländerämter - mit einer Klarstellung: Es wäre "rechtlich unzulässig", Afghanen "während eines laufenden Asylverfahrens grundsätzlich oder gar generell eine Beschäftigungserlaubnis zu versagen". Ob damit Ruhe einkehrt, ist fraglich.

Für lediglich geduldete Flüchtlinge besteht die Unsicherheit bezüglich einer Arbeitserlaubnis fort - und somit auch für die Betriebe, die sie gern beschäftigen würden. "Perspektivlosigkeit ist grausam, das ist wie bei Langzeitarbeitslosen", sagt Willi Dräxler, der beim Münchner Caritasverband als Migrationsreferent tätig ist. Er warnt davor, dass in den Asylunterkünften der Frust wachse und in der Folge Aggressionen und Depressionen zunehmen.

Landrat Göbel begrüßt es durchaus, dass sich Sozialministerin Müller dafür einsetzt, durch Security-Dienste die Sicherheit in großen Asylunterkünften zu verbessern. Nicht zuletzt aus sicherheitspolitischen Erwägungen plädiert er aber zudem dafür, dass Flüchtlinge möglichst eine Arbeitserlaubnis bekommen sollten, auch "Geduldete, die über längere Zeit im Land bleiben dürfen". Freiräume dafür sieht er gegeben.

Ohnehin aber orientieren sich die Ausländerämter in Bayern längst nicht alle einheitlich an den Vollzugshinweisen des Innenministeriums. Sprich: Sie machen von ihrem Ermessensspielraum Gebrauch. Einige Ausländerbehörden interpretierten die Hinweise also auch so, besonders streng vorgehen zu müssen. "Im Kreis Freising wurde plötzlich vielen Afghanen die Arbeitserlaubnis entzogen", sagt Stephan Dünnwald, einer der Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats.

Auch die Ausländerbehörde in Fürstenfeldbruck fährt einen stringenten Kurs, den der dortige Landrat Thomas Karmasin so begründet. "Arbeit führt zur Integration, und das ist das Gegenteil von Heimreise", sagt er. Im Klartext: Wer aus einem sicheren Herkunftsland oder aus einem der Länder mit geringer Bleibeperspektive stamme, bei dem trage die Arbeit zur "Verfestigung des Aufenthalts" bei - und das ist nicht im Sinne des Landrats.

"Integration und Ausweisung sind Antipoden", umschreibt es Karmasin. Er steht mit seiner Haltung nicht alleine da. "Auch aus Niederbayern höre ich immer wieder, dass dort ein harter Kurs gefahren wird", sagt Dünnwald. Umgekehrt gebe es aber auch Landkreise, in denen die Ausländerbehörde Flüchtlingen bei der Arbeitserlaubnis entgegenkomme. "Der Kreis Lindau ist da zum Beispiel vorbildlich", sagt Dünnwald.

© SZ vom 09.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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