Arbeit:Ein Unterschied von 500 Euro

Produktion bei Audi

Auto-Produktion im Audi-Werk in Ingolstadt.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Firmen, die nach Tarif zahlen, zahlen besser als andere - das zeigt eine Studie der Arbeitgeber. Wegen der Vorschriften im Tarifvertrag? Nicht unbedingt, sagen sie

Von Detlef Esslinger

Wer in Bayern in einem Betrieb arbeitet, der nach Tarif zahlt, erhält im Monat fast 500 Euro mehr als sein Kollege in einem Betrieb ohne Tarifbindung. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der bayerischen Arbeitgeber erstellt hat. Ist dies nun ein Argument dafür, so viele Firmen wie möglich unter das Dach eines Tarifvertrags zu zwingen? So sehen es Gewerkschafter. Die Arbeitgeber hingegen stellen eine andere Betrachtung an.

Für die Studie haben die IW-Forscher Daten der Statistikämter sowie des "IAB-Betriebspanels" herangezogen, wozu das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) jedes Jahr 15 000 Betriebe befragt. Tendenziell lässt sich sagen: Je mehr Beschäftigte ein Betrieb hat, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er nach Tarif zahlt - wobei die Arbeitgeber den Tarifzahler-Begriff weiter fassen als Gewerkschafter. Sie zählen dazu nicht nur die 30 Prozent der Betriebe, die einen Tarifvertrag unterschrieben haben, sondern auch jene 29 Prozent, die angeben, sich freiwillig daran zu "orientieren". Noch besser klingt die Rechnung, wenn man nicht auf die Zahl der Betriebe, sondern auf die der Beschäftigten abstellt. 53 Prozent von ihnen unterliegen unmittelbar einem Tarifvertrag, bei weiteren 25 Prozent "orientieren" sich die Firmen daran. In der Pressemitteilung zur Studie machte die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (VBW) daraus am Mittwoch die Überschrift: "Für 80 Prozent der Beschäftigten in Bayern gelten Tarifverträge."

So weit, so bestens also? So wiederum sehen es weder Unternehmer noch Gewerkschafter. Jürgen Wechsler, der Bezirksleiter der IG Metall, war zur Präsentation der Studie eingeladen, und er wählte einen Vergleich: In dem stellte er tarifgebundene Firmen mit Ehepartnern gleich, diejenigen, die sich am Tarifvertrag orientieren, hingegen mit Partnern in anderen Lebensformen, also solchen ohne Vertrag. Wechsler zieht eindeutig die Vertragsform vor, wegen der wechselseitigen Rechte und Pflichten. Er sagte, je mehr Betriebe sich an Tarifverträgen lediglich orientierten, umso mehr werde der Druck auf den Gesetzgeber zunehmen, Arbeitsbedingungen per Gesetz zu regeln. "Ich will das nicht."

Bertram Brossardt, der Hauptgeschäftsführer der VBW, räumte das Problem ein - als jemand, der Tarifverträge für die Arbeitgeber verhandelt, hat er schließlich ein Interesse, dass diese für so viele Betriebe und Beschäftigte wie möglich gelten. Seine Schlüsse sind jedoch andere als die des Gewerkschafters Wechsler. Brossardt sagte, vielen Firmen sei das Tarifkorsett zu eng. Vor allem die 35-Stunden-Woche schrecke viele ab; außerdem hätten die Tarifverträge die Arbeit in den unteren Lohngruppen zu teuer gemacht. "Die Tarifverträge müssen wettbewerbsfähiger werden", sagte er. Sie sollten lediglich Mindeststandards festlegen, und damit "einen Rahmen schaffen, aber nicht jedes Detail festlegen".

Hagen Lesch vom IW, dem arbeitgebernahen Institut, stellte die Frage: "Sind die tarifungebundenen Firmen Ausbeuter?" Bloß weil sie weniger bezahlten als die anderen? Es war nicht zu erwarten, dass Lesch nun mit "Ja" antworten würde; stattdessen stellte er einen Zusammenhang zwischen Bezahlung und Qualifikation der Beschäftigten dar: In Betrieben, die nicht nach Tarif zahlen, arbeiteten mehr gering Qualifizierte als in den anderen. Woraus wiederum der Arbeitgeber-Vertreter Brossardt folgerte: "Gering Qualifizierte haben in Firmen, die nicht an den Tarif gebunden sind, größere Beschäftigungschancen."

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