Süddeutsche Zeitung

Innenministerium:Drastischer Anstieg antisemitischer Straftaten

Trotz zahlreicher Aufklärungskampagnen erreicht die Zahl polizeilich erfasster judenfeindlicher Taten mit 510 Fällen einen Höchststand.

Trotz zahlreicher Aufklärungskampagnen ist die Zahl der antisemitischen Straftaten in Bayern im vergangenen Jahr erneut stark gestiegen. Lag die Zahl der polizeilich erfassten judenfeindlichen Taten 2020 noch bei 353 - und damit bereits auf einem Höchststand - kletterte sie binnen eines Jahres um mehr als 44 Prozent auf 510. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Landtagsanfrage von Markus Rinderspacher (SPD) hervor, die der Deutschen Presse-Agentur in München vorliegt. Die Zahl der antisemitischen Straftaten im Freistaat steigt damit seit Jahren stark an. 2019 hatte sie bei 307 gelegen, 2018 bei 219. Den Angaben des Innenministeriums zufolge waren im vergangenen Jahr von den 510 Straftaten 472 rechtsextremistisch motiviert. Das entspricht einem Anteil von mehr als 92 Prozent.

Fast alle Taten sind rechtsextremistisch motiviert

"Ich kann nicht sagen, dass mich der sprunghafte Anstieg der Zahl antisemitischer Straftaten 2021 schockiert hat", sagte Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, der Deutschen Presse-Agentur. Politische Tabubrüche, verbale und auch körperliche Übergriffe gegen jüdische Menschen seien inzwischen traurige Normalität, betonte Knobloch. "Es passt ins Bild, dass die überwältigende Mehrheit der Straftaten aus dem rechten Spektrum kommt: Diese Gruppierungen haben in den vergangenen Jahren durch das Aufkommen der rechtsextremen AfD massiven Auftrieb erhalten." All diese Trends würden durch die Pandemie noch einmal verstärkt, die über Online-Messenger und Soziale Medien wilde Verschwörungstheorien mit antijüdischen Inhalten bis in die Mitte der Gesellschaft transportiert habe. Für Knobloch ist der Staat daher als Sicherheitsgarant auch für seine jüdischen Bürger gefordert.

Rinderspacher forderte daher wie in früheren Jahren eine konsequente strafrechtliche Verfolgung von judenfeindlichen Straftaten und die Stärkung von Prävention und politischer Bildung: "Fast alle Verbrechen sind rechtsextremistisch motiviert. Hass und Hetze und die hohe Zahl von antisemitischen Straftaten in Bayern sind alarmierend", betonte er. Judenfeindliche Straftäter dürften nicht davonkommen, sondern müssen schnell und konsequent ermittelt und bestraft werden.

In der Auswertung des Innenministeriums werden ferner 198 Straftaten im Internet verortet, die Dunkelziffer dürfte auch hier weit höher sein.

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