Süddeutsche Zeitung

Anschlag in Würzburg:Joachim Herrmann ist der Minister für innere Ruhe

Er mag etwas behäbig wirken. In Krisensituationen wie dem Axt-Attentat bei Würzburg aber ist die Bedächtigkeit des bayerischen Innenministers ein Segen.

Von Wolfgang Wittl

Manchmal sind es Kleinigkeiten und Nebensätze, die eine Person besser beschreiben als große Gesten und Reden. Ein halbes Dutzend Kameras hat sich in der bayerischen Staatskanzlei aufgebaut, ganz Deutschland will wissen, was es mit der Bluttat von Würzburg auf sich hat. Der schreckliche Anschlag liegt erst einen halben Tag zurück, die Spekulationen dazu treiben wilde Blüten, Innenminister Joachim Herrmann soll Klarheit schaffen.

Herrmann macht das auf seine Art: Ruhig schildert er den mutmaßlichen Tathergang, informiert über Hinweise auf eine mögliche Radikalisierung des Täters. Ebenso ausführlich schiebt er aber stets hinterher, dass es sich lediglich um vorläufige Ermittlungsergebnisse handele und man Flüchtlinge keinesfalls pauschal verurteilen dürfe: "Wir müssen sorgfältig analysieren, erst dann können wir entsprechende Schlüsse daraus ziehen."

Bald neun Jahre führt Herrmann, 59, nun das bayerische Innenministerium. Er macht das so sachlich, dass er sich von seinen Vorgängern aus der CSU mitunter auf angenehme Weise abhebt. Von Gustl Lang etwa, der einst das Geiseldrama von Gladbeck nachstellen ließ, um zu demonstrieren, wie man solche Sachen in Bayern regelt. Oder auch von Edmund Stoiber und Günther Beckstein, die verbal oft kräftiger hinlangten, als es nötig war.

Vergangene Woche gab Heimatminister Markus Söder in der Staatskanzlei Auskunft, er beanspruchte das mittlere Rednerpult wie selbstverständlich für sich. Herrmann dagegen stellt sich brav hinter das Mikrofon an der Seite, das Zentrum überlässt er Staatskanzleichef Marcel Huber.

Ein Meter hin oder her hat zwar noch niemanden zum Ministerpräsidenten gemacht. Den Unterschied zwischen Söder und Herrmann beschreibt die Szene aber ganz gut. Einige in der CSU wünschen sich, Herrmann solle mehr ins politische Licht drängen. Er gilt weiterhin als Lösung, sollte sich die Nachfolge von Horst Seehofer nicht friedlich regeln lassen.

Seehofer schätzt ihn als unantastbaren Leistungsträger

Obwohl Franke, komme er durch sein barockes Auftreten auch in Südbayern gut an. Sein Interesse müsse er jedoch offensichtlicher bekunden, sagt einer, der es gut mit ihm meint. Andererseits könnte die Zurückhaltung sogar ein Vorteil sein, wenn die CSU einen Kompromisskandidaten braucht.

Mangelnde mediale Präsenz ist dem arbeitswütigen Herrmann ohnehin nicht zu bescheinigen: Jede Art von Katastrophe fällt in seine Zuständigkeit, ob Hochwasser, ein Zugunglück wie in Bad Aibling oder nun der Anschlag von Würzburg. Herrmann stellt sich dann vor die Kameras, gibt Interviews in den Spätnachrichten und wenige Stunden später schon wieder in den Morgenmagazinen.

Nicht jeder Auftritt gelingt. Nach den Anschlägen von Paris sagte Herrmann, es deute viel darauf hin, dass einer der Attentäter als Flüchtling in Bayern angekommen sei. Die Aussage ließ sich nicht halten, Herrmann wurde scharf kritisiert. Auch deshalb wählt er seine Worte nun vielleicht mit noch mehr Bedacht. Wobei: Zu den Scharfmachern in der CSU zählte er noch nie, auch wenn er beim Thema innere Sicherheit keinen Spielraum für Kompromisse sieht.

Seehofer schätzt ihn als unantastbaren Leistungsträger im Kabinett, er weiß, dass er sich auf ihn verlassen kann. Trotzdem rüffelte er Herrmann während der Flüchtlingskrise, weil er nach Seehofers Ansicht zu zahm gegenüber der CDU agierte. Herrmann nahm den Tadel so stoisch hin wie später das Lob seines Chefs, als der sagte, die Flüchtlingsvereinbarung mit dem Bundesinnenminister trage klar erkennbar die bayerische Handschrift.

Nur selten blitzt das Temperament des behäbigen Franken auf, etwa wenn Mitarbeiter nicht spuren wie gewünscht oder wenn er im Landtag die bayerische Sicherheitspolitik verteidigt. Dann kann er sogar seine Stimme heben und sein Sprechtempo verdoppeln.

Zum Anschlag von Würzburg bleibt Herrmann zurückhaltend: Zwar müssten die Grenzen stärker kontrolliert werden, fordert er. Die Frage, ob die Politik der Kanzlerin nun gescheitert sei, löst bei ihm aber nur Widerspruch aus. Er "halte überhaupt nichts davon", hier einen Zusammenhang herzustellen.

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SZ vom 21.07.2016/dit
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