Anschlag in Afghanistan:Familienvater, Gutverdiener, Selbstmordattentäter?

"Ismail aus Ansbach" wurde der junge Türke genannt, der den Sicherheitsbehörden allenfalls als Randfigur des Islamismus galt. Er soll einen Selbstmordanschlag in Afghanistan verübt haben.

Annette Ramelsberger

Man kann den Herren von der "Islamic Dschihad Union" zumindest nicht vorwerfen, keinen Überblick zu haben. Auf ihrer Internetseite, auf der sie sich unter den Bildern toter Märtyrer mit ihren Taten brüsten, haben sie feinsäuberlich unterschieden: "Unsere Aktionen" sind dort verzeichnet, aber auch "unsere Toten". Und unter diesen Toten stechen die Märtyrer hervor. Seit ein paar Tagen ist hier auch ein junger, bärtiger Mann im blauen Langhemd und mit Häkelmützchen auf dem Kopf zu sehen. In der Hand trägt er einen Revolver.

Cüneyt Ciftci aus Ansbach

So präsentieren ihn Islamisten im Internet: Cüneyt Ciftci aus Ansbach.

(Foto: Foto:)

Dieser Mann ist der in Deutschland aufgewachsene Cüneyt Ciftci aus Ansbach, der, wenn sich die Angaben der Terrorgruppe bestätigen, der erste Selbstmordattentäter ist, der aus Deutschland stammt. Der 28 Jahre alte Türke wurde in Freising bei München geboren und wuchs in Bayern auf. Bis vor einem Jahr hat er mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern in der Nähe von Ansbach gewohnt. In Ansbach ging er auch in die Moschee in der Heilig-Kreuz-Straße 53, er arbeitete bei der Firma Bosch, hatte, so hört man, einen durchaus gut bezahlten Job und galt den Sicherheitsbehörden allenfalls als Randfigur des Islamismus.

"Paradies statt Luxusleben"

Das soll sich am 3.März geändert haben. An diesem Montag vor zwei Wochen fuhr ein Selbstmordattentäter einen mit Sprengstoff beladenen Kleinlaster in einen US-Militärstützpunkt im Osten Afghanistans. Dutzende Soldaten wurden bei der Explosion verschüttet, zwei GIs und mehrere Zivilisten starben. Nun rühmt sich die Terrororganisation "Islamic Dschihad Union" dieser Tat. Und der Mann, der den Laster gefahren hat, soll der Familienvater aus Ansbach sein.

4,5 Tonnen Sprengstoff habe er geladen, heißt es auf der Internetseite der Terrorgruppe. Der Täter: "ein tapferer Türke aus Deutschland, der sein Luxusleben gegen das Paradies eintauschte." Er habe darum gebetet, den Ungläubigen Schaden zufügen zu können. "Wenn das zutrifft, wäre das eine völlig neue Qualität", sagte ein Sprecher von Generalbundesanwältin Monika Harms am Wochenende. Bisher hat es zwar Deutsche gegeben, die zum Beispiel im Tschetschenien- Krieg auf Seiten der muslimischen Rebellen gefallen sind - deutsche Selbstmordattentäter aber gab es nicht.

Familienvater, Gutverdiener, Selbstmordattentäter?

Dass der Mann auf den Fotos wirklich Cüneyt Ciftci ist, das hat die Bundesanwaltschaft nun bestätigt. Ob er auch der Attentäter ist, wird sich aber kaum mehr klären lassen. Denn dazu sind die DNA-Spuren des Mannes notwendig. Ob die deutschen Behörden noch an die Überreste des Attentäters kommen, ist mehr als unklar.

Die Terrorgruppe hatte angekündigt, ein Video von der Tat ins Internet zu stellen - als letzten Beweis. Doch das Video lässt bis jetzt auf sich warten. Aber das ist für die Behörden auch nicht so erheblich. Sie treibt etwas anderes um: Der Mann aus Ansbach ist ihnen nicht sonderlich aufgefallen. Er war nicht einmal als Gefährder eingestuft.

"Von solchen haben wir ein paar Dutzend", sagt ein Sicherheitsexperte der SZ. Allenfalls als Randfigur der Szene galt der bayerische Türke - weil er gute Kontakte zu Adem Yilmaz hatte, einem der drei Männer aus der Sauerland-Gruppe, die im September festgenommen wurden, als sie gerade dabei waren, Bomben zu bauen. Zu diesem Zeitpunkt allerdings hatte Cüneyt Ciftci längst Deutschland verlassen.

Laut den bayerischen Behörden zog Ciftci zuerst mit seiner Familie in die Türkei, wo er Frau und Kinder zurückließ, dann reiste er allein weiter nach Syrien. Von dort muss er nach Pakistan in die Ausbildungslager der "Islamic Dschihad Union" gelangt sein. Zuvor hatte er, so schreibt der Spiegel, sich ordnungsgemäß beim Einwohnermeldeamt abgemeldet. Seinen Renault habe er seinen Freunden hinterlassen, die fuhren damit zu Discos, wo sie die Autoreifen von Amerikanern zerstachen. Ein schönes Abschiedsgeschenk von "Ismail aus Ansbach", so nannten sie ihn.

In den Terrorlagern im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet hält sich nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden gut ein Dutzend Männer aus Deutschland auf. So soll auch der junge Konvertit Eric B. aus dem Saarland dort sein, ebenso eine ganze Reihe von Türken, die über das Rekrutierungsbüro des Adem Yilmaz aus Hessen in den Hindukusch gelangt sind. Das Bundeskriminalamt rechnet der Terrorgruppe rund um die Sauerland-Zelle rund 30 bis 40 Personen zu - vier davon sind mittlerweile in Haft. Die anderen sind in Ausbildungslagern oder sie leben in Deutschland - unerkannt.

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