Anschlag auf Asylunterkunft:Opposition wirft CSU "geistige Brandstiftung" vor

Brand in zukünftiger Asylbewerberunterkunft

Polizisten stehen vor dem ehemaligen Landgasthof, in dem ein Feuer gelegt worden ist.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Im oberbayerischen Reichertshofen ist ein Brandanschlag auf ein leerstehendes Gasthaus verübt worden. Von September an sollten dort Flüchtlinge untergebracht werden.
  • Die Kriminalpolizei schließt einen fremdenfeindlichen Hintergrund nicht aus.
  • Die Ermittler bitten um Hinweise, Zeugen können unter 0841-93430 anrufen.
  • Im Bayerischen Landtag war Asylpolitik an diesem Vormittag auch Thema - es kam zu teils heftigen Wortwechseln zwischen Regierung und Opposition.

Feuer wurde vorsätzlich gelegt

In Oberbayern hat es in der Nacht zum Donnerstag einen Brandanschlag auf ein künftiges Asylbewerberheim gegeben. Brandfahnder der Kripo fanden an zwei Eingängen des Gebäudekomplexes Beweise, dass das Feuer vorsätzlich gelegt wurde. "Ein fremdenfeindlicher Hintergrund ist nicht auszuschließen", sagte Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer. Von den mutmaßlichen Brandstiftern fehlte zunächst jede Spur, eine Sonderkommission wurde gegründet. Außerdem wurden Spezialisten des Bayerischen Landeskriminalamtes in München in die Ermittlungen eingebunden, ein Brandspürhund war vor Ort.

Etwa um 2:50 Uhr in der Nacht hatte ein Nachbar die Einsatzkräfte alarmiert, weil er das Feuer in dem leerstehenden Gasthaus in Reichertshofen im Kreis Pfaffenhofen an der Ilm entdeckt hatte. Der Gastraum des früheren Landgasthofs brannte völlig aus, der Sachschaden beträgt mindestens 150 000 Euro. In dem Wirtshaus mit Diskothek sollen zum 1. September insgesamt 67 Asylbewerber untergebracht werden. Der Brand ist im Nebengebäude ausgebrochen, das als Lager vorgesehen war. Das angrenzende Wohnhaus, in dem die Flüchtlinge leben sollten, wurde weniger stark beschädigt.

So reagiert die Politik auf den Anschlag

Nach dem Vorfall rufen Bayerns Politiker nach schneller Aufklärung; SPD und Grüne erheben zugleich schwere Vorwürfe an die CSU. "Wir brauchen einen politischen Diskurs, in dem auf geistige Brandstiftung verzichtet wird, da dies reale Feuerteufel nach sich zieht", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, Markus Rinderspacher. Er fordert die Staatsregierung zudem auf, ein Konzept vorlegen, wie Asylbewerberunterkünfte in Bayern wirksam geschützt werden können.

Grünen-Sprecherin Christine Kamm drückt ihre Kritik noch drastischer aus: "Die unverantwortlichen Hetzreden der CSU-Lautsprecher Söder und Scheuer gegen angeblichen massenhaften Asylmissbrauch haben den Brandstiftern die Argumente für ihre schändliche Tat geliefert."

Um das Thema Asylpolitik ging es am Vormittag auch im Bayerischen Landtag - in dem Streit wird der Ton zwischen Regierung und Opposition deutlich schärfer und polemischer.

Proteste gegen Unterbringung

Im Vorfeld der geplanten Unterbringung hatte es im Ort heftige Proteste gegeben. So sollten der Gasthof ursprünglich rund 130 Plätze bieten. Dagegen protestierten Bewohner mit Plakaten und Bannern mit der Aufschrift "130 Asylbewerber sind zu viel". Auch gab es Demonstrationen vor dem Rathaus.

Nach vielen Gesprächen mit der Regierung von Oberbayern, dem Landratsamt und den Bürgern einigte man sich schließlich auf 67 Plätze. "Zu diesen Plätzen stehe ich auch", sagte Bürgermeister Michael Franken. Er ist Vorsitzende der Jungen Wähler Union, einer eigenständigen, unabhängigen politischen Gruppierung in der Marktgemeinde Reichertshofen.

Flüchtlinge sollen trotzdem einziehen

In der Gemeinde gibt es seit zwei Jahren Asylbewerber. Derzeit leben etwa 75 Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und dem Kosovo in der Gemeinde. "Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht und werden von der Bevölkerung sehr unterstützt", sagte Franken. Insgesamt sei die Stimmung in der Gemeinde sehr harmonisch. An den Plänen für die neue Asylbewerberunterkunft werde daher festgehalten, so Franken.

Das bestätigte auch Landrat Martin Wolf (CSU), die Unterbringung soll "ein Signal an die Täter sein." Spuren des Brandes sollen bis dahin vollständig beseitigt sein. Wenn es länger dauert, werde sich der Einzugstermin verschieben. Im Hauptgebäude gebe es nur Rauch- und Rußschäden, die leicht zu beseitigen seien.

Zahlreiche Anschläge auf geplante Unterkünfte

Die Tat in Reichertshofen ist einer von vielen Anschläge auf eine künftige Asylunterkunft. Im Juni hat es in Lübeck einen Brandanschlag auf ein entstehendes Heim gegeben, zuvor hatte es in einer Unterkunft in Meißen in Sachsen gebrannt. Auch im sächsischen Tröglitz und in Vorra in Mittelfranken hatte es Angriffe gegeben.

Bei Google Maps haben Asylgegner die Adressen von Flüchtlingsheimen zusammengetragen - der Konzern reagierte zögerlich auf Kritik. Doch das Projekt nahm eine unvorhergesehene Wendung: Ein Mann baute eine neue Karte mit den Heimen - und dem Aufruf, Menschen in Not zu helfen.

Streit um Asylpolitik im Landtag

Bei einer lärmenden Debatte im Landtag warf CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer SPD und Grünen eine Mitverantwortung für die hohen Asylbewerberzahlen vor. Grund ist, dass beide Parteien es ablehnen, Albanien, Kosovo und Montenegro zu "sicheren Herkunftsstaaten" zu erklären.

Vergangenes Jahr seien 200 000 Asylbewerber gekommen, heuer würden es 500 000, sagte CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer. "Wenn wir nächstes Jahr eine Million haben und in zwei Jahren zwei Millionen, werden wir das im eigenen Land niemals bewältigen können. Wir müssen deshalb diesen Zustrom eindämmen." Die CSU hatte das Thema unter dem Motto "Klartext statt Schönreden" auf die Tagesordnung gesetzt.

Kreuzers Rede war wegen einer Vielzahl wütender Zwischenrufe der Opposition zeitweise kaum zu verstehen. "Da kann ja der Protokollant kaum mitschreiben", rief Landtags-Vizepräsidentin Inge Aures die Abgeordneten zur Ordnung. "An die Tribüne da oben: So geht's bei uns nicht immer zu", sagte die SPD-Politikerin entschuldigend zu den Zuschauern - und erntete damit den Beifall des Publikums.

"Nicht Klartext, sondern Stimmungsmache"

Zuvor hatte Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger die CSU mit dem Vorwurf empört, die Asylbewerberzahlen durch lange Verfahrensdauern künstlich hoch zu halten, um für die Bundestagswahl 2017 eine "Eskalation an der Asylfront" planen zu können. "Die nächste Wahl wird jetzt schon vorbereitet durch eine Verschleppung an der Asylfront." Danach kamen die wütenden Zwischenrufe aus der CSU: "Unverschämtheit!"

Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause warf der CSU vor: "Was Sie in der Asylpolitik von sich geben, ist nicht Klartext, sondern Stimmungsmache. Sie spalten und vergiften ganz bewusst." Auch die SPD-Abgeordnete Angelika Weikert kritisierte die Wortwahl in der CSU - insbesondere Finanzminister Markus Söders Warnung, Bayern befinde sich "fast im Katastrophenmodus". "Angesichts der wirklichen Katastrophen in der Welt ist das nur als zynisch zu bezeichnen."

Die CSU will ihre Linie aber nicht ändern. Innenminister Joachim Herrmann betonte, echte Flüchtlinge seien in Bayern willkommen. "Klar ist aber auch, dass die deutliche Mehrheit der Menschen, die zu uns kommt, keinen Anspruch auf Asyl hat." In der vergangenen Woche seien 5075 Asylbewerber nach Bayern gekommen, "ein neuer Allzeitrekord".

Zentrale Forderungen der CSU sind die schnellere Abschiebung abgelehnter Asylbewerber, die schnellere Bearbeitung der Asylanträge beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Reduzierung des Taschengelds für Asylbewerber und die Einstufung Albaniens, Kosovos und Montenegros zu "sicheren Herkunftsstaaten".

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