Im Namen des Volkes erging im April am Amtsgericht Ansbach folgendes Urteil: Udo Frank Hochreuter, geboren im Januar 1967, von Beruf Tierpfleger, wird wegen Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Und zwar ohne Bewährung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Hochreuter am 12. November 2015 in einem Posting auf der Internetplattform Facebook die Mitarbeiter des Ansbacher Rauschgiftdezernats beleidigt habe, "um seine Missachtung auszudrücken".
Weil in dem Dezernat acht Beamte an der Aufklärung von Drogendelikten arbeiten, habe er sich der Beleidigung in acht tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht, urteilte der Richter. Zeugen waren in diesem Verfahren nicht geladen. Als Beweismittel aber wurde ein Screenshot öffentlich verlesen. Er stammt vom "Local National Investigator" der US-Kaserne in Ansbach.
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Überall sonst in Deutschland ist das nur Polizei und Strafverfolgungsbehörden erlaubt. Doch der Innenminister greift zu einem Trick und räumt selbst ein, dass das an die "Grenzen dessen geht, was vom Rechtsstaat erlaubt ist".
Diese ist umstritten, eine Bürgerinitiative kämpft seit Jahren gegen die Lärmbelästigung durch US-Militärhubschrauber. Mitglied dieser Initiative ist Hochreuter nicht, aber er ist sowohl Mitglied bei den Linken als auch bei der Ansbacher "Offenen Linken", die drei Stadträte stellt. Eines der Hauptthemen der Partei in Ansbach sei die "grundsätzliche Kritik an der US-Kaserne", der Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Boris-André Meyer, macht da keinen Hehl draus.
Und natürlich sei man nicht so naiv, dass man nicht geahnt habe, dass die Kaserne ihre erklärten Gegner im Auge behalte, sagt er. Dieser Screenshot aber verstöre ihn nun doch. "Dass die auch private Accounts einfacher Parteimitglieder ins Fadenkreuz nehmen und ausspionieren, das hat bislang meine Vorstellungskraft überstiegen." Zumal es bei den inkriminierten, vom "Local National Investigator" offenbar an die Kriminalpolizei weitergeleiteten Tat mitnichten um eine gehe, die die Kaserne in irgendeiner Weise betreffe.
Hochreuter geht in Berufung und will die Tat bestreiten
Der Süddeutschen Zeitung liegt der Aktenvermerk des US-Aufklärers für Ansbach vor, ein Beweismittel im Prozess gegen Hochreuter. Demzufolge hat der Mann vom "Department of the Army, Headquarters, 2. Military Intelligence Battalion" am 1. Dezember 2015 kurz nach Mittag bei der Polizei angerufen. "Im Rahmen einer dienstlichen Internetrecherche" sei er an besagtem 12. November unter anderem auf den Facebook-Account der Partei Offene Linke Ansbach gestoßen.
Auf deren Seite habe er einen Beitrag von Hochreuter entdeckt, "beim Anklicken desselbigen", sei er auf dessen privaten Facebook-Account gelangt. Dort wiederum seien ihm sofort die "Aussagen" Hochreuters aufgefallen. Diese habe er als Screenshot gesichert und der Kriminalpolizei übermittelt.
Mit heftigen Folgen für Hochreuter. Der geht jetzt in Berufung. Drei Monate Gefängnis, das will er nicht auf sich sitzen lassen. Immerhin verlassen viele verurteilte Gewalttäter das Gericht ohne Haftstrafe, sagt seine Anwältin Christina Glück. Neu verhandelt wird der Fall am Landgericht Ansbach, Hochreuter will die Tat bestreiten. Also auch, dass der Eintrag überhaupt auf ihn zurückgehe.
In dem Posting werden die Ermittler vom Rauschgiftdezernat als "Staatsbüttel" bezeichnet, nachdem diese einen Hanfhändler "auseinandergenommen" hätten. Laut Eintrag habe es sich bei diesem um den angeblich "letzten verbliebenen Hanfhändler in Ansbach" gehandelt, "der keine Kräutermischungen, keine harten Drogen und keine Drogen an Minderjährige" verkauft habe, sondern ausschließlich "qualitativ hochwertiges Cannabis zu einem humanen Preis an Erwachsene". Es folgen noch etliche wüstere Einlassungen, auch aus der Fäkalsprache.
Der Angeklagte hat bereits vier Vorstrafen
Grundsätzlich sei das in dem Facebook-Eintrag Beschriebene schon ein Thema für ihn, Hochreuter bestreitet das nicht. Der 49-Jährige ist Mitglied im Deutschen Hanfverband, und er ist der Ansicht, dass Handel mit Cannabis "reguliert, legalisiert, besteuert" werden sollte. Auch deshalb, weil Konsumenten sonst zu den "gefährlichen Kräutermischungen" griffen.
Vier Vorstrafen hat er, aber keine einschlägigen. Immer ging es um Drogendelikte. Zugunsten des Angeklagten führte das Amtsgericht dann auch an, dass dieser sich im "gegen ihn stattgefundenen Strafverfahren zu Unrecht behandelt" gefühlt habe. 2010 war er wegen Handels mit Hanf zu einer drakonischen Freiheitsstrafe verurteilt worden: zu vier Jahren und drei Monaten Haft.
Bleibt die Frage, ob der "US-Investigator", der für den 9. August am Gericht in Ansbach als Zeuge geladen ist, vorschriftsmäßig gehandelt hat. Und ob das Durchsuchen privater Facebook-Accounts nach strafrechtlich relevanten Beleidigungen Dritter zum gängigen Aufgabenprofil von US-Aufklärern gehört. Die Ansbacher US-Kaserne äußert sich dazu nicht, eine SZ-Anfrage ließ sie fünf Tage lang unbeantwortet. Der Bundestagsabgeordnete Harald Weinberg (Linke) findet das schade. Er würde gerne wissen, "ob hier systematische US-Schnüffelei gegen Parteimitglieder ans Tageslicht kommt".