Ansbach:"Wer ihm zu Willen war, durfte auf den tollen Segeltörn nach Kroatien mit"

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Der Jugendleiter eines Wassersportvereins soll innerhalb von 26 Jahren mindestens 57 Jungen verschiedenen Alters in rund 1400 Fällen sexuell missbraucht haben.

Nach dem Tod eines des sexuellen Missbrauchs beschuldigten Jugendleiters eines fränkischen Wassersportvereins ist ein Missbrauchsfall von enormen Dimensionen aufgedeckt worden. Der Mann habe innerhalb von 26 Jahren mindestens 57 männliche Kinder und Jugendliche in rund 1400 Fällen sexuell missbraucht. Dies zum Teil auch schwer, wie Oberstaatsanwalt Michael Schrotberger von der Staatsanwaltschaft Ansbach sagte. Zuvor hatten andere Medien über die gestiegenen Opferzahlen berichtet. Zunächst war von 30 Kinder und Jugendliche die Rede gewesen.

Der 56-Jährige hatte seit 1991 als Jugendleiter eines Wassersportvereins im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen gearbeitet. Ein Mann mit zwei Gesichtern, wie Schrotberger am Dienstag schilderte. "Nach außen hin war er der Fürsorgliche, Überengagierte, auf Regeln Achtende, aber mit den Kindern hatte ein ganz anderes Regiment." Zwar habe der Jugendleiter soweit bekannt nie Gewalt angewendet, stattdessen aber mit Belohnungen und Geschenken gearbeitet. "Wer ihm zu Willen war, durfte auf den tollen Segeltörn nach Kroatien mit."

Die Opfer hätten aus Scham nie etwas gesagt. "Es gab immer wieder Gerüchte im Verein, dass der Beschuldigte nicht die notwendige Distanz zu den Kindern hält, aber es war nie die Rede von strafbaren Handlungen", erläuterte Schrotberger. Ein Täter-Netzwerk habe sich nicht gefunden. Auch ein Ermittlungsverfahren gegen ein Vorstandsmitglied sei letztlich wieder eingestellt worden.

Die Vorwürfe kamen erst ans Licht, als der Jugendleiter seine Arbeit für den Verein bereits aufgegeben hatte und drei Opfer Anzeige erstatteten. Daraufhin nahmen die Ermittlungen binnen weniger Tage an Fahrt auf, der Mann kam in Untersuchungshaft. Er schwieg zu den Vorwürfen und tötete sich im Juni 2020 nach etwas mehr als einer Woche in seiner Zelle.

Anmerkung der Redaktion: Wir berichten in der Regel nicht über Selbsttötungen. Grund dafür ist die hohe Nachahmerquote nach jeder Berichterstattung über Suizide. Da im vorliegenden Fall zugleich ein Tötungsdelikt vorliegt, überwiegt das öffentliche Informationsinteresse. Aus demselben Grund hat sich die Polizei dazu entschieden, die Presse zu informieren. Wenn Sie sich selbst betroffen fühlen von Suizidgedanken, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in vielen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.

© SZ vom 31.03.2021/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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