Ansbach:Fragwürdige Neutralität bei den Bezirkskliniken Mittelfranken

Ansbach: In den Bezirkskliniken Mittelfranken soll der Chef unter anderem rüde und selbstherrlich mit seinen Mitarbeitern umgegangen sein.

In den Bezirkskliniken Mittelfranken soll der Chef unter anderem rüde und selbstherrlich mit seinen Mitarbeitern umgegangen sein.

(Foto: oh)

Sonderprüfer sollen die möglichen Verfehlungen des umstrittenen Chefs der Bezirkskliniken Mittelfranken, Helmut Nawratil, untersuchen. Doch ausgerechnet von seinem Büro aus werden Termine koordiniert und Zeugen eingeladen.

Von Uwe Ritzer, Ansbach

Ja, er wolle gerne kommen und aussagen, antwortete Stefan B. (Name geändert). Doch vorher müsse noch ein ganz praktisches Problem gelöst werden. Gegen ihn bestehe ein Hausverbot für die Räume der Bezirkskliniken Mittelfranken. Das müsste aufgehoben werden, ehe er sich in den dortigen Räumen, wie gewünscht, den Fragen der Sonderprüfer stellen könne. Die wollten B. unbedingt befragen, einen früheren Fachbereichsleiter Bau bei den Bezirkskliniken, der unter fragwürdigen Umständen geschasst worden war. Nämlich von Helmut Nawratil, genau jenem Klinikchef, dessen umstrittene Amtsführung die Sonderprüfer untersuchen sollen. Ein Hausverbot dürfte da kein Hindernis sein - sollte man meinen.

Schließlich geht es bei der vom Bezirkstag in Auftrag gegebenen Sonderprüfung um sehr viel. Immer länger wurde in den vergangenen Monaten die Liste mit Vorwürfen gegen Nawratil. Am Anfang stand ein Campingbus als Zweit-Dienstwagen, dann ging es um fragwürdige Auftragsvergaben, rüden und selbstherrlichen Umgang mit Mitarbeitern, Blenderei im Amt, Missmanagement bei Bauvorhaben, und sogar der Vorwurf steht im Raum, er habe womöglich seine Vorgesetzten im Verwaltungsrat der Klinikfirma belogen.

Nawratil ist angeschlagen, der Ruf der Klinikfirma ramponiert und der Fall längst ein Politikum, das den Bezirkstag spaltet. Nun sollen die externen Prüfer Klarheit schaffen, Juristen der Nürnberger Kanzleien Bühner und Link Siry sowie auf Krankenhäuser spezialisierte Unternehmensberater der Berliner Peritinos AG.

Was auch immer am Ende rauskommen wird - die Sonderprüfung an sich ist fragwürdig konstruiert. Man könnte annehmen, wer neutrale Gutachter bestellt, um etwaige Missstände und Fehlverhalten neutral aufklären zu lassen, wickelt die Untersuchung auch organisatorisch neutral ab. Und nicht über den Hauptbeschuldigten, dessen mögliche Verfehlungen ja untersucht werden sollen. Bei seriösen Unternehmen in der freien Wirtschaft wäre das so. Nicht aber beim Bezirk Mittelfranken.

Nawratils weitreichender Einfluss

So verschickte ausgerechnet Nawratils Vorstandsbüro Einladungen an Menschen, mit denen die Prüfer im Zuge ihrer Ermittlungen sprechen wollten. Und zwar auf Nawratils Vorstands-Briefkopf und mit dem ausdrücklichen Vermerk: "Auskunft erteilt: Helmut Nawratil". So steht es selbst auf einem Rundbrief an Mitarbeiter, Dienstleister und Lieferanten der Kliniken, den Bezirkstagspräsident Richard Bartsch (CSU) unterschrieben hat.

Ein zweites, klinikinternes Rundschreiben verfasste und unterschrieb Nawratil der Einfachheit halber gleich persönlich. Mehr noch - sein Büro übernahm auch die Terminkoordination, sodass dort in vielen Fällen bekannt wurde, mit wem die Prüfer wann sprechen. Die Gespräche selbst fanden dann nicht selten in der Bibliothek der Klinikfirma statt, angrenzend an das Vorstandsbüro. Dabei hatte nicht zuletzt Bartsch etwaigen Informanten auf Wunsch völlige Anonymität versprochen.

Wie weit Nawratils Einfluss im Hintergrund reicht, zeigt das Beispiel des früheren Bau-Fachbereichsleiters Stefan B. - ihn hatte Nawratil unter fragwürdigen Umständen hinausgeworfen, was die Bezirkskliniken beim späteren Arbeitsgerichtsprozess teuer, nämlich sechsstellig zu stehen kam. Zugleich hatte er B. mit einem Hausverbot für die Bezirkskliniken belegt. Als die Sonderprüfer Stefan B. nun genau dorthin zum Interview baten, verhinderte dies Nawratil.

"An Dilettantismus nicht zu überbieten"

Das Hausverbot für Stefan B. "wird nach Entscheidung von Herrn Nawratil nicht aufgehoben", schrieb die Compliance-Beauftragte der Kliniken in einer E-Mail, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Prüfer fügten sich und befragten B. in der Bezirksverwaltung. "Absurd und an Dilettantismus nicht zu überbieten, höchst fragwürdig und wenig vertrauenerweckend" sei all dies, sagt Stefan B. "Es ist doch skurril, wenn Herr Nawratil die Untersuchung, die sein Gebaren angeblich neutral prüfen soll, selbst organisiert oder über seine Sekretärinnen organisieren lässt."

Dies und den Umstand, dass die Gutachter von ihren Interviews keine Gesprächsprotokolle erstellen, hält der frühere Fachbereichsleiter für "nicht gerade vertrauenerweckend, was die Seriosität und Objektivität der Gutachter angeht". Auch andere Befragte sehen das so. Der im Fall B. zuständige Prüfer und ein Sprecher des Bezirks Mittelfranken wollten sich auf Anfrage unter Hinweis auf die laufende Untersuchung nicht äußern. Geredet wird am 17. September, wenn die Sonderprüfer ihr Gutachten dem Bezirkstag vorgelegen. Bereits am 11. September trifft sich der mit elf Bezirkspolitikern besetzte Klinik-Verwaltungsrat zu einer außerordentlichen nicht öffentlichen Sitzung. Einziger Tagesordnungspunkt: "Personalangelegenheiten". Das nährt Spekulationen, Nawratils Tage als Vorstand bei den Bezirkskliniken könnten angesichts der Umstände und unabhängig vom Ausgang der Sonderprüfung gezählt sein. Gespräche über eine vorzeitige Vertragsauflösung gab es bereits; sie scheiterten an Nawratils Bedingungen.

Während die CSU im Bezirkstag und Bartsch vorbehaltlos zu Nawratil stehen, geben SPD und Freie Wähler ein verschwommenes Bild ab. Lediglich die Grünen haben sich klar gegen Nawratil positioniert. "Er ist nicht mehr tragbar, er ist auch nicht das Opfer einer Kampagne, sondern Verantwortlicher", sagt Grünen-Bezirksrat Klaus Hiemeyer, der auch die Sonderprüfung angesichts ihrer Umstände zum Teil mit Skepsis verfolgt. Er nimmt Nawratil vor allem die fragwürdige Entlassung von Detlef Kohl übel, der bis 2016 Chefarzt des neurologischen Rehabilitationszentrums ZNR in Erlangen gewesen war.

Nachdem Kohl und Nawratil über Kreuz geraten waren, verschlechterten sich die wirtschaftlichen Daten des ZNR. Der Vorwurf der Misswirtschaft wurde dem Mediziner angelastet. Selbst Abrechnungsbetrug warf Nawratil ihm vor, grundlos, wie man heute weiß. Nach einem Streit mit Nawratil musste Kohl 2016 gehen. Inzwischen stellte sich heraus, dass die Klinikspitze das ZNR mit ungerechtfertigt hohen Umlagen künstlich überproportional belastet hatte. Alles in der Absicht, Kohl als ZNR-Chef schlecht aussehen zu lassen und ihn leichter loszuwerden?

In Abwesenheit von Nawratil räumte dessen Stellvertreter kürzlich Fehlbuchungen ein. Für Hiemeyer ist hingegen belegt, dass Nawratil den Verwaltungsrat "angelogen hat, um Herrn Kohl zu schaden". Allein deshalb schon sei er nicht mehr tragbar.

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