Flüchtlingshelfer, Kirchen und die Opposition kritisieren sie als Massenlager, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nennt sie unter Punkt 32 seines "Masterplans Migration": Am Mittwoch gehen in Bayern die Ankerzentren in Betrieb. Anker steht für Ankunft, kommunale Verteilung, Entscheidung und Rückführung. Ziel ist es, jene Asylbewerber schneller abzuschieben, die kein Bleiberecht haben. Aber auch Bewerber mit Bleibeperspektive werden künftig in den Zentren untergebracht.
Dort sollen alle notwendigen Behörden vertreten sein, die Verfahren so beschleunigt werden. Außer Bayern beteiligt sich zunächst kein anderes Bundesland. "Wir sind ein Vorbild für ganz Deutschland. Wir zeigen, wie es funktioniert, dann können es die anderen auch machen", sagt Ministerpräsident Markus Söder (CSU). In jedem Regierungsbezirk werden bisherige Transitzentren oder Erstaufnahmeeinrichtungen samt ihrer Dependancen in ein Ankerzentrum umgewandelt. Die Zentren werden jeweils nur für bestimmte Nationalitäten zuständig sein. Ein Überblick.
Bamberg, Oberfranken: Die allgemeine Erstaufnahmeeinrichtung Oberfranken (AEO) in Bamberg ist gleichzeitig "besondere Erstaufnahmeeinrichtung" für Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten und Ankunftszentrum des Bundes. Sie dürfte schon jetzt nah dran sein an dem, was man sich mutmaßlich unter einem Ankerzentrum vorzustellen hat. Flüchtlinge reichen ihren Asylantrag direkt auf dem Gelände ein. Dort sitzt neben der Ausländerbehörde auch eine Außenstelle der Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Die Flüchtlinge müssen in der Regel so lange in Bamberg bleiben, bis der Antrag in einem "beschleunigten Verfahren" bearbeitet wurde. Wer akzeptiert wird, bekommt eine neue Unterkunft, wer abgewiesen wird, muss bis zur Abschiebung in der AEO bleiben. Im Schnitt sind das laut Regierung zwei Monate. Die vorhanglosen Mehrbettzimmer in der früheren Kaserne sind auch nicht auf Dauergäste ausgelegt. Tatsächlich kann der Aufenthalt länger dauern, wenn Papiere fehlen oder der Herkunftsstaat nicht kooperiert. Die Stadt Bamberg übt Kritik: Die Erfahrungen mit der AEO hätten gezeigt, dass Massenunterkünfte den sozialen Frieden in der Stadt gefährden. Seit Juli 2017 können 3400 Menschen in der AEO untergebracht werden. Das Innenministerium versichert aber, dass es sich lediglich um eine "Notreserve" handle und die tatsächliche Belegung von 1500 Personen nicht überschritten werden soll. Das soll für alle Ankerzentren gelten. Aktuell leben 1401 Menschen in der AEO.
Schweinfurt, Unterfranken: "Viel wird sich bei uns nicht ändern", sagt Johannes Hardenacke, Pressesprecher der Regierung von Unterfranken, "abgesehen davon, dass die beiden Behörden dazu kommen." Die Antragstelle des Verwaltungsgerichts und die geplante Zweigstelle der Bundesagentur für Arbeit könnten sofort einziehen, "die Räumlichkeiten stehen bereit". Vermutlich wird man sich noch nicht einmal die Mühe machen, ein neues Türschild anzuschrauben. Denn schon in einem knappen Jahr läuft der Mietvertrag für die ehemalige Ledward-Kaserne aus, in der momentan 775 Menschen leben. Die Stadt Schweinfurt will das Gelände überplanen. Mitte 2019 soll das Ankerzentrum in die ehemalige Conn-Kaserne im Landkreis Schweinfurt umziehen. Weil Stadt und Landkreis Schweinfurt sowie die Gemeinden Niederwerrn und Geldersheim auf dem Areal einen Gewerbepark entwickeln wollen, haben sie sich ausdrücklich versichern lassen, dass der Freistaat die Gebäude spätestens 2025 räumt.
Deggendorf, Niederbayern: Was sich nun ändert? Nichts außer "das Namensschild", sagt auch Landrat Christian Bernreiter (CSU) über das Deggendorfer Transitzentrum, das bald Ankerzentrum heißen wird. Derzeit sind dort 620 Menschen untergebracht, die meisten aus Sierra Leone und Aserbaidschan. Im Winter geriet das Zentrum in die Schlagzeilen, weil 150 Asylbewerber kurzzeitig in Hungerstreik traten. Sie klagten über enge Zimmer, mangelnde Hygiene und schlechtes Essen. Sonst habe es bisher "keine größeren Probleme" gegeben, sagt Bernreiter. Noch seien dort praktisch nur Flüchtlinge mit "null Bleibeperspektive" untergebracht, sagt Bernreiter. Das Ankerzentrum dagegen werde auch Anlaufstelle für Flüchtlinge sein, die eine Bleibeperspektive haben. Neu dazu kommt daher eine Außenstelle der Arbeitsagentur, dazu eine Außenstelle des Verwaltungsgerichts. Er glaube aber nicht, dass dies noch heuer passiere, sagt Bernreiter, da zuerst die Bamf-Mitarbeiter geschult werden müssten. 500 Plätze gibt es in Deggendorf, dazu 800 in den Dependancen in Osterhofen, Stephansposching und Hengersberg. "Da wird nichts aufgestockt", sagt Bernreiter.
Donauwörth, Schwaben: In Donauwörth ist das Ende schon mit der Umwandlung zum Ankerzentrum absehbar. Am 31. Dezember 2019 soll die Einrichtung geschlossen werden. Der Donauwörther Oberbürgermeister Armin Neudert und Landrat Stefan Rößle haben sich die Auflösung des Standorts von Innenminister Joachim Herrmann (alle CSU) schriftlich bestätigen lassen. Die Kommunalpolitiker wollen Flüchtlinge nicht mehr länger zentral in der ehemaligen Alfred-Delp-Kaserne unterbringen, in der es immer wieder zu Straftaten und im März bei einer Abschiebung sogar zu Ausschreitungen gekommen war. Stattdessen sollen 400 Wohnplätze für anerkannte Flüchtlinge verteilt über den ganzen Landkreis geschaffen werden. Momentan leben in der Erstaufnahmeeinrichtung 588 Menschen. Ob und wo nach der Auflösung der Einrichtung in Schwaben Flüchtlinge untergebracht werden, steht bislang nicht fest. Herrmann sagte, man werde sehen, ob dann noch in allen sieben Regierungsbezirken Ankerzentren nötig seien.
Zirndorf, Mittelfranken: Dezentral ist auch das Stichwort, das in Mittelfranken weiterhin gelten soll. Die mit 500 Plätzen relativ kleine Aufnahmeeinrichtung in Zirndorf (Landkreis Fürth) soll als Ankerzentrum nicht vergrößert werden. Weitere 1200 Flüchtlinge sind und bleiben in Außenstellen in einer Bundeswehrkaserne in Roth, in den ehemaligen Nürnberger Grundig-Hochhäusern und in einem Wohnheim in Nürnberg untergebracht. Bei einem Pressetermin im Juni hatte Innenminister Herrmann versichert, er wolle in Mittelfranken keinesfalls wie in Bamberg 1500 Asylbewerber an einem Ort konzentrieren und damit einen sozialen Brennpunkt heraufbeschwören.
Regensburg, Oberpfalz: In Regensburg verschmelzen die bisherige Erstaufnahme in der ehemaligen Bajuwarenkaserne und das Transitzentrum in der nahe gelegenen früheren Pionierkaserne zu einem Ankerzentrum. Zu dem insgesamt 1250 Plätzen kommen 200 weitere in einer ebenfalls bestehenden Dependance in Schwandorf hinzu. Zuletzt waren an allen drei Standorten zusammen 900 Menschen einquartiert. Weil Regensburg bereits Sitz eines Verwaltungsgerichts ist, muss der Freistaat keine neuen Strukturen schaffen, nötig ist vor allem eine Außenstelle der Agentur für Arbeit. Die geschäftsführende Regensburger Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) hat die Einrichtung zwar kritisiert, aber letztlich akzeptieren müssen: "Wir machen die Gesetze nicht, aber wir werden auch keine Gesetze brechen", sagte sie Anfang Juli. Sie habe aber schon Bedenken, so viele Menschen ohne Perspektive, ohne etwas zu tun und ohne Struktur im Tagesablauf für so lange Zeit in einer Einrichtung unterzubringen.
Manching, Oberbayern: Das Transitzentrum in Manching bei Ingolstadt gilt als Vorbild für die neuen Ankerzentren. Seit der Eröffnung im Herbst 2015 haben dort rund 5600 Asylbewerber gelebt. Etwa 1000 Abschiebungen gab es, dazu rund 2500 sogenannte freiwillige Ausreisen, nur rund 80 Asylbewerber bekamen einen positiven Bescheid. Neben dem Gelände der früheren Max-Immelmann-Kaserne in Manching gab es bislang drei Außenstellen in Ingolstadt - mit insgesamt mehr als 2000 Betten, die zuletzt gut zur Hälfte belegt waren. Obwohl diese Kapazität den vom Bund vorgegebenen Korridor von 1000 bis 1500 Plätzen deutlich überschreitet, wird nun zusätzlich die Münchner Erstaufnahmeeinrichtung samt ihrer Dependancen dem Ankerzentrum in Manching zugeordnet.