Anhörung im Landtag:Dissens über Gefährder-Gesetz

Fortschrittlich oder "Geschwurbel": Juristen streiten über Entwurf

Die Pläne der Staatsregierung, Gefährder und Extremisten schärfer zu überwachen, haben auch unter Juristen einen Streit entfacht. In einer Expertenanhörung im Landtag bezeichneten mehrere Professoren den Gesetzentwurf des Innenministeriums als fortschrittlich und verfassungsgemäß, Richter und Anwälte hingegen übten scharfe Kritik. Dass ausgerechnet die Praktiker Bedenken äußerten, "sollte Ihnen zu denken geben", sagte Hartmut Wächtler von der Rechtsanwaltskammer München zu den Abgeordneten.

Der Entwurf sieht vor, Terrorverdächtige und Gefährder durch elektronische Fußfesseln zu überwachen. Zudem sollen sie - ohne dass eine Straftat vorliegt - bei "drohender Gefahr" nach einer richterlichen Anordnung nahezu unbefristet in Gewahrsam genommen werden können. Der Bayreuther Professor Markus Möstl nannte den Gesetzentwurf "mutig", er schaffe es aber auch, die Grenzen der Verfassung einzuhalten. Auch der Augsburger Professor Josef Franz Lindner und sein Würzburger Kollege Kyrill Schwarz sehen keinen Grund zur Beanstandung. Der Entwurf sei fortschrittlich und bedeute mitnichten, dass in Bayern nun ein Guantanamo möglich sei, sagte Schwarz. Er sprach von einem "Akt experimenteller Gesetzgebung".

Anders die Richter und Rechtsanwälte: Markus Löffelmann, Richter am Landgericht München, bezeichnete den Entwurf als "Geschwurbel" und "sprachliches Ungetüm". Als Praktiker könne er mit derart unbestimmten Formulierungen wie "drohende Gefahr" nicht viel anfangen. Außerdem gehe der Gesetzentwurf "in zentralen Punkten über den Verfassungsrahmen hinaus". Auch Barbara Stockinger vom bayerischen Richterverein befürchtet "große Probleme in der Praxis". Der Einsatz von elektronischen Fußfesseln wie auch eine zeitlich weitgehend unbeschränkte Präventivhaft seien "höchst bedenklich".

Rechtsanwalt Wächtler kritisierte, das geplante Gesetz werde mit Terrorgefahr begründet, richte sich aber gegen alle Bürger.

Man spreche hier von Menschen, denen keine Tat zur Last gelegt werde. Er könne nur davor warnen, "dass so was Gesetz wird", sagte Wächtler in Richtung Politiker: "Und wenn doch, kann ich nur hoffen, dass es Ihnen um die Ohren fliegt."

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