Landshut:Wie mit Schrottimmobilien Geld gemacht wird

Ein Aspekt macht trotzdem stutzig: Im öffentlich gewordenen Protokoll heißt es, dass in Landshut die Hartz-IV-Quote bei Rumänen höher ist als überall sonst in Deutschland. Die Arbeitsagentur bestätigt das, fast die Hälfte aller hier lebenden Rumänen seien Hartz-IV-Empfänger. Zum Vergleich: Im deutschlandweiten Schnitt ist es etwa jeder Dritte.

Woran kann das liegen? Ein Rumäne habe in der Regel keine Berufsausbildung, die hier anerkannt sei, erklärt Arbeitsagentur-Chef Andreas Staible. Und weil es in Landshut überdurchschnittlich viele Hilfsarbeiter-Jobs gebe, kämen überdurchschnittlich viele Rumänen hierher. Die Hilfsarbeiter-Jobs wiederum seien oft schlecht bezahlt und viele Rumänen müssen mit Hartz-IV aufstocken. "So kumuliert sich das", sagt Staible.

Ist der Fall Drachenburg damit geklärt? Nein, sagt Ele Schöfthaler, die Sozialarbeiterin. Sie findet, dass die Betrugsdebatte den Blick auf ein anderes Problem verstellt: die jämmerlichen Wohnverhältnisse, in denen Zuwanderer hier oft leben müssen. Sie meint Häuser wie die Drachenburg - mit ihren vernagelten Balkonen, den demolierten Geländern, dem Putz, der von der Fassade bröckelt. "Der eigentliche Skandal" sei, dass Immobilienbesitzer die Not der sogenannten Armutszuwanderer ausnutzten und "jedes Drecksloch vermieten, und das für horrendes Geld".

Das Geschäft mit Schrottimmobilien ist nicht nur in Landshut ein Problem. Die Stadt München ermittelte vor einiger Zeit mehr als 20 Häuser, in denen viel zu viele Menschen auf viel zu engem Raum in schäbigen Verhältnissen leben - zum Teil ohne warmes Wasser, ohne Heizung, dafür mit Schimmel und Ratten. Es ging um bis zu 500 Menschen, die meisten aus Bulgarien und Rumänien. Menschen, die nehmen müssen, was sie kriegen können.

Weil in vielen Städten Wohnungsnot herrscht, ist es für einen Deutschen schon schwer genug, etwas zu finden. Für Zuwanderer, die ohne Arbeitsvertrag und Deutschkenntnisse hier ankommen, ist es fast unmöglich. Vermittler und Vermieter nutzen das aus - und vermieten ihnen Bruchbuden für teures Geld. Um dieses Geld zusammenzukriegen, ziehen dann viel zu viele Menschen in die Wohnungen.

Was die Vermieter der Drachenburg dazu sagen

Die Drachenburg, eine Bruchbude? Vielleicht "kein Luxus", sagt Stefan Stancu, "aber passt schon". Er klopft an eine der Türen, es öffnet ein Mann in Unterhose, der Mann schaut verschlafen aus, er sagt, er habe Nachtschicht gehabt. Drinnen riecht es modrig, der Schimmel hängt an den Wänden, von denen die Farbe blättert, im Bad unterm Waschbecken ein Eimer, der das Wasser aus dem undichten Abflussrohr auffängt, das Schlafzimmer teilen sich vier Leute, die in Stockbetten schlafen. "Der klassische deutsche Mieter würde hier nicht wohnen wollen", sagt Peter Wellano, der Eigentümer der Drachenburg, der die Hälfte der Wohnungen selbst vermietet und die andere Hälfte an Stancus Freundin zwischenvermietet hat.

Ein Blick in den Ordner, in den Stancu die Mietverträge geheftet hat: 400 Euro zahlt er pro Wohnung an Eigentümer Wellano, 520 Euro kriegt er von seinen Mietern. Ziehen mehr als drei Leute in eine Wohnung, kassiert er pro Mann 100 Euro extra. Es gibt dreistere Fälle, aber es ist immer noch ein Haufen Geld für eine Bude, die den Vermieter kaum Unterhalt kostet, weil er die Wohnungen verkommen lässt, statt sie in Ordnung zu bringen.

"Es wird keiner gezwungen, dort zu wohnen", sagt Eigentümer Wellano, aber ein rumänischer Hilfsarbeiter finde halt "in Landshut keinen vergleichbaren Wohnraum für annähernd diesen Preis". Er klingt wie ein Wohltäter, dem die Zuwanderer dankbar sein sollten, dass es Vermieter wie ihn gibt.

Selbst Stefan Stancus Anwalt hält das Geschäft mit Schrottimmobilien für problematisch - weil diese Praxis "Parallelgesellschaften" schaffe, "die man sicherlich diskutieren kann", sagt Albrecht Schöllhorn-Gaar. Das Problem: Die Kommunen haben kaum Mittel, skrupellosen Vermietern das Handwerk zu legen.

Dafür bräuchte es ein Wohnungsaufsichtsgesetz, das es zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen gibt, aber in Bayern abgeschafft wurde. Damit können Kommunen Immobilien ohne Anmeldung kontrollieren und Eigentümern verbieten, ihre Wohnung zu vermieten, wenn sie Missstände feststellen und der Eigentümer sich weigert, sie zu beseitigen.

Solange der Freistaat nichts an dieser Gesetzeslage ändert, wird es weiter Fälle wie in Landshut geben - und Raum für Spekulationen, dass hinter den Fassaden krumme Dinger laufen. Die Staatsanwaltschaft will den Fall nun ganz genau prüfen - findet auch sie keine Belege für Sozialbetrug, hat sich die Sache erledigt. An den Bewohnern der Drachenburg wird der Verdacht wohl trotzdem hängen bleiben.

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