Oberbayern:In Ampfing soll wieder Erdöl gefördert werden

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1954 wuchteten Arbeiter den Turm von einer Bohrstelle zur nächsten. (Foto: Gemeindearchiv Ampfing/oh)

Der Rohstoff hatte den Ort einst wohlhabend gemacht. Doch ein paar Bedenken musste auch die aktuelle Ölgesellschaft ausräumen - vor allem zur Fördermethode.

Von Matthias Köpf, Ampfing

Die Bauern blieben misstrauisch, aber auch sie schienen das Geld zu riechen. Einer beklagte sich, seine Kühe seien vom Grasen abgelenkt gewesen und hätten weniger Milch gegeben, und ein Land- und Gastwirt schrieb, seine trächtige Sau sei nicht zum Ferkeln gekommen, im Kessel seien ihm 50 Weißwürste geplatzt und tags darauf seien auch noch etliche Mass Bier sauer gewesen. "Das Güld schigt gleich ab, weil neue Waiswirscht missen angeschafft werdn."

Die "Fockumgesellschaft", an die er seine Forderung richtete, war die Deutsche Vacuum Oil AG, die von 1950 an im Boden rund um Ampfing kleine Sprengsätze detonieren ließ, um mehr über den Untergrund zu erfahren. Fünf Jahre später wurde die Vacuum wie ihre amerikanische Mutter in Mobil Oil umbenannt.

In Ampfing pumpte sie da schon ein Jahr lang Erdöl aus der Tiefe. Erst 1997 war Schluss, die Förderung lohnte nicht mehr. Doch zuletzt fuhren hier wieder Messtrupps herum und rüttelten die ganze Gegend durch. Und von Mitte 2019 an soll in Ampfing wieder Öl gefördert werden.

Der 86-jährige Ferdinand Prex war einer der ersten Ölarbeiter in Ampfing (Foto: Matthias Köpf)

Ein paar Bedenken musste auch die aktuelle Ölgesellschaft RDG ausräumen, vor allem nach dem umstrittenen Fracking wurde immer wieder gefragt, doch das ist in Deutschland ohnehin weitgehend verboten und wäre im Ampfinger Sandstein kaum sinnvoll. Dort in etwa 1900 Metern Tiefe lagert das Öl. RDG-Projektleiter Ernst Burgschwaiger rechnet über 20 bis 30 Jahre mit einer Fördermenge von insgesamt einer halben Million Tonnen, das wäre ungefähr noch einmal so viel wie die "Mobiler" in Ampfing gefördert haben.

Von selbst aus dem Boden schießen wird das Öl laut Burgschwaiger aber nicht mehr. 1953 waren die Arbeiter bei ihren Bohrungen erst nur auf Erdgas gestoßen, damals eine echte Enttäuschung. Doch am 20. Juni 1954 drang schließlich doch das erste Öl aus dem Boden. "Da hat es tatsächlich eine Fontäne gegeben", sagt Ferdinand Prex. Der heute 86-Jährige hatte als einer der ersten in Ampfing bei der Ölgesellschaft angefangen, die praktisch über Nacht aus Norddeutschland ins ländliche Oberbayern gekommen war.

Er erinnert sich noch gut an die ersten Jahre, an die harte, gefährliche Arbeit in Zwölf-Stunden-Schichten, was auch nur eine Stunde mehr war als in dem Sägewerk, in dem Prex zuvor gearbeitet hatte. Dafür stimmte bei den Mobilern das Geld. Die Ölarbeiter konnten sich schon in den Sechzigern Häuser bauen und Autos leisten, erzählt Werner Herian, dessen Vater auch einer der ersten Ölarbeiter war und den Buben immer samstags zum Duschen in die Firma geschmuggelt hat.

Mancher Mobiler habe sich im Wirtshaus auch mal eine Provokation geleistet und sich die Zigarette mit einem Zehnmarkschein angezündet. Schlägereien mit den Bauern seien da gar nicht so selten gewesen, sagt Herian. Die hatten in Ampfing bis dahin das Sagen gehabt und mussten plötzlich schauen, wo sie jetzt noch Knechte herbekommen sollten.

Ampfing wurde die erste Landgemeinde weit und breit mit einer Wasserversorgung für jedes Haus und kompletter Kanalisation, sagt der langjährige Bürgermeister Ottmar Wimmer, der als Bub immer auf den Tennisplatz geschlichen ist, den sich die Herren von Mobil angelegt hatten. Die Tennisabteilung beim TSV gibt es natürlich noch, dazu eine Mobil-Oil-Straße, und seit 1980 erinnern im Gemeindewappen nicht nur zwei Morgensterne an die Schlacht zwischen Ludwig dem Bayern und Friedrich dem Schönen 1322, sondern auch ein goldener Bohrmeißel an die Erdöl-Ära.

Von deren vorläufigem Ende kann August Augenstein berichten, der in Ampfing das letzte Loch verschlossen hat. Noch mehr geschmerzt habe ihn aber, dass er zuvor die Bohrung in Schnaitsee verfüllen musste, die er selbst als junger Bohrmeister in den Boden getrieben hatte.

Die Erkundungsbohrung 2017 unterschied sich äußerlich kaum vom 1958er Bohrfeld. (Foto: Gemeindearchiv Ampfing)

Rund drei Dutzend Löcher haben die Mobiler in der ganzen Gegend gebohrt, immer senkrecht. Heute verfügen Ernst Burgschwaiger und seine RDG über andere Möglichkeiten. Man werde wohl mit dem Bohrplatz nahe der Autobahn auskommen und höchstens mal einen zweiten brauchen, sagt er. Denn heute lässt sich schräg und um die Kurve bohren und in der Tiefe sogar waagrecht durch die Ölschicht. Die erste Erkundung ließ sich zwar nicht gleich zum Fördern nutzen, aber Burgschwaiger bleibt zuversichtlich.

Ampfing sei "für uns ein typisches Projekt", denn die frühere RDG-Konzernmutter RAG betreibt im nahen, geologisch gleichen Oberösterreich viele Felder. In eines hat sie dort nach der Ölförderung schon eine Wärmesonde hinabgelassen. In Ampfing gibt es dazu noch die Möglichkeit, ein paar hundert Meter tiefer bis zu einer wasserführenden Schicht zu bohren und aus dem Ölprojekt ein Geothermieprojekt zu machen. Vom heutigen Ölpreis hänge all das gar nicht so sehr ab, sagt Burgschwaiger. Die Bedeutung des Öls als Energieträger werde sinken, wichtig bleibe es aber als Rohstoff für die Chemieindustrie.

Das Projekt in Ampfing nennt Burgschwaiger "einen Beitrag", es würde die aktuelle Fördermenge in Bayern etwa um ein Drittel vergrößern. Diese derzeit 45 000 Tonnen im Jahr kommen vor allem aus drei Feldern in Schwaben, wo bei Arlesried ebenfalls noch ein altes Feld reaktiviert werden soll. Eine einsame Pumpe in Hebertshausen bei Dachau fördert nur geringe Mengen. Verbraucht werden in Bayern rund 3,5 Millionen Tonnen pro Jahr - so viel wie in all den vielen kleinen Feldern in Oberbayern im 19. und 20. Jahrhundert insgesamt gefördert worden ist.

Wolfgang Haserer und Yasmin Dorostan haben ein Buch zum Thema geschrieben: "Energie aus Ampfing. Gestern, Heute, Morgen." Vorerst ist es über die Gemeinde Ampfing und die RDG erhältlich.

© SZ vom 29.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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