Altötting:Der Schrein des Bürgermeisters

Altötting: Der Entwurf des in Altötting geborenen Architekten Xaver Egger ist vielen zu massiv, von einer Betonwüste aus Luxuswohnungen ist die Rede.

Der Entwurf des in Altötting geborenen Architekten Xaver Egger ist vielen zu massiv, von einer Betonwüste aus Luxuswohnungen ist die Rede.

(Foto: Visualisierung: SEHW Architektur GmbH)

Im Wallfahrtsort verfolgt Rathauschef Herbert Hofauer hinter dem Kapellplatz ein großes Wohnungsbauprojekt. Das ruft Kritiker auf den Plan, die ihm einen zunehmenden Hang zur Selbstherrlichkeit nachsagen

Von Matthias Köpf, Altötting

Eigentlich orientiert sich in Altötting alles an der Gnadenkapelle mit der schwarzen Maria, doch in diesem Fall muss ein anderer Maßstab her. Denn der geplante Neubau, an dem sich dort gerade die Geister scheiden, soll 85 Meter lang werden - etwa genauso lang wie die Wallfahrtbasilika St. Anna aus dem Jahr 1912, die immerhin der größte Kirchenbau in Deutschland seit mehr als hundert Jahren ist. 8000 Gläubige fasst die Basilika, ihr Portal ist vom Kapellplatz keine 130 Meter entfernt. Zu dem Bauprojekt mit 70 Wohnungen und einigen Geschäften in der Popengasse wäre es genauso weit, geradeaus vorbei am Hotel zur Post und an der Postfiliale. Gleich danach sollte sich der Neubau zu sechs Etagen türmen. In der Frage, ob das alles dann auch genau so hoch wird wie das Kirchenschiff von St. Anna, sind sich beide Seiten nicht ganz sicher. An dem Vorhaben entzündet sich auch ein wachsender Zorn auf Bürgermeister Herbert Hofauer, der die Stadt seit 22 Jahren regiert.

In Altötting heißt es sinngemäß, der Bürgermeister spiegele sich auf seinen Dienstreisen nicht ungern im Blattgold von Fatima, Loreto, Lourdes, Tschenstochau oder Mariazell - anderen Marienwallfahrtsorten, mit denen sich die Stadt zur Gruppe "Shrines of Europe" zusammengeschlossen hat. Und was er daheim im Rathaus tut, das können die Bürger minutiös im "Tagebuch des Bürgermeisters" auf der städtischen Homepage nachlesen. Lange, dicht gefüllte Tage sind das, und dass es Hofauer für seine Stadt und deren 13 000 Einwohner an Einsatz, Tatkraft, Cleverness oder an der Außendarstellung mangeln ließe, kann und will ihm in Altötting keiner vorwerfen. Spötter wundern sich nur, dass Hofauer manchmal schon im Laufe des Nachmittags wisse, wann er am späteren Abend heimgekommen sein wird. Und manche Stadträte würden sich freuen, wenn der Bürgermeister seine Entscheidungsfreude mit ihnen teilen würde, statt seine Pläne von ihnen lediglich bestätigen zu lassen.

Altötting: Die Neuöttinger Straße führt auf die Ecke Popengasse zu, dort sollte ein moderneres Gebäude mit sechs Stockwerken entstehen.

Die Neuöttinger Straße führt auf die Ecke Popengasse zu, dort sollte ein moderneres Gebäude mit sechs Stockwerken entstehen.

(Foto: Matthias Köpf)

Das Bauprojekt in der Popengasse ist für Konrad Heuwieser auch so ein Fall. Hier werde wieder einmal "alles im Voraus mit einem Bauträger ausgemacht und dann im Stadtrat abgenickt". Heuwieser gehört selbst dem Stadtrat an, wie Hofauer schon seit 1984 und ebenfalls für die Freien Wähler. Bei denen hat sich über all die Jahre einiger Unmut über Hofauers Amtsführung aufgestaut, die sich nun Bahn bricht. Im Gegensatz zu den anderen Fraktionen haben gerade sie ihrem Bürgermeister in Sachen Popengasse die Gefolgschaft aufgekündigt und bisher gegen den neuen Bebaungsplan gestimmt, den das Rathaus von dem Projektentwickler selber ausarbeiten lässt.

Dass eine Kommune ihre übergeordnete Planung, die den Rahmen für einzelne Bauvorhaben abstecken soll, direkt dem jeweiligen Investor anvertraut, ist in Altötting nach Angaben des Bürgermeisters nicht ungewöhnlich. "Da gibt es viele Beispiele, und wir behalten die Entscheidung darüber ja im Stadtrat in der Hand." Aus einer städtebaulichen Untersuchung, die Altötting sich vor 30 Jahren mal geleistet habe, sei jedenfalls fast nichts gefolgt, weil sich für die Pläne nie ein Investor gefunden habe. Und in dem Fall gebe es jetzt eben "einen Investor, der genau das tun will, was wir auch tun wollen, nämlich Wohnungen bauen". Wohnungen würden in Altötting weiterhin dringend gebraucht.

Dass viele in der Stadt die beiden überwiegend fünfstöckig geplanten Riegel aus dem ersten Entwurf als deutlich zu massiv für Altötting empfinden und Anwohner wie Ursula Gschwendtner schon jetzt "ein Mauergefühl" beschleicht, hat der Bürgermeister natürlich ebenso registriert wie die vage Drohung mit einem Bürgerbegehren. Man sei da aber "noch weit weg von einer Baugenehmigung", sondern habe mit dem Projekt "endlich mal ins Verfahren" kommen wollen, in dessen Rahmen wie immer alle Einwände und Anregungen ausführlich erörtert würden.

Diese Stellungnahmen waren eindeutig: Auch das Landratsamt hat die Planung als zu massiv und den Baukörper als zu lang gerügt, wie der Planer selbst einräumt. Xaver Egger ist gebürtiger Altöttinger, arbeitet aber als Architekt in Berlin und als Professor für Projektentwicklung in Bochum. Dass man ihm in der Heimat vorwirft eine Betonwüste mit Luxuswohnungen bauen zu wollen, verstehe er nicht, denn er plane einen Holz-Massivbau mit vielen Mietwohnungen, sagt Egger. Zudem will er nun den langen Baukörper an der Popengasse stärker gliedern und auf etwas Höhe verzichten. Dass der Bezugsbau für die Höhenentwicklung, das benachbarte Haus der Marianischen Männerkongregation, eine "Bausünde der Siebziger" ist, sieht Egger aber genauso.

Der Bürgermeister findet im Gegensatz zu vielen Kritikern ohnehin, dass man sich auch in Altötting nicht immer nur am Kapellplatz orientieren und barockisierend bauen könne. Seine politischen Kritiker sehen es zwar positiv, dass die Pläne nun weniger massiv ausfallen sollen. Dass das wieder nur nach Rücksprache mit den Bauträger und gegen einen Mehrheitsbeschluss des Rats geschehen soll, zeige aber nur wieder, dass sich Hofauer einfach nichts sagen lassen wolle, am wenigsten vom Stadtrat.

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