Die Menschen im nördlichen Landkreis Altötting sind sehr viel stärker mit der mutmaßlich krebserregenden Perfluoroctansäure (PFOA) belastet als die Menschen an den allermeisten anderen Orten in Bayern. Dies hat eine breit angelegte Blutuntersuchung an fast 1000 freiwilligen Probanden aus der Region ergeben, deren Ergebnisse das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) am Mittwoch veröffentlicht hat. Im Mittel liegen die Werte teils beim Zehnfachen bis zum annähernd Dreißigfachen der Vergleichswerte etwa aus München. Die Bluttests, zu denen sich das LGL und das Landratsamt Altötting Anfang dieses Jahres erst nach großem öffentlichen Druck durchgerungen hatten, bestätigen die Erwartungen der Experten nach früheren Tests an anonymisierten Blutspenden aus der Gegend. Obwohl die Werte teils um ein Vielfaches über dem Wert liegen, der als gesundheitlich unbedenklich gilt, besteht aus Sicht des LGL derzeit "keine konkrete gesundheitliche Gefährdung" für die Einwohner. Nähmen sie kein kontaminiertes Wasser mehr auf, würden die PFOA-Werte im Blut wieder sinken, was wegen der langen Halbwertszeit im Menschen von drei Jahren aber einige Zeit dauern werde.
Im vergangenen Herbst hatten Medienberichte die öffentliche Aufmerksamkeit auf die damals schon ein Jahr älteren Ergebnisse dieser Untersuchung anhand der Blutspenden gelenkt. Seither wurde vielen der rund 40 000 Menschen im Einzugsgebiet mehrerer lokaler Wasserversorger bewusst, dass das Gift wohl nicht nur in der Alz, im Boden und im Trinkwasser der Region zu finden ist, sondern womöglich auch in ihnen selbst. PFOA wurde im Chemiepark Gendorf bei Burgkirchen von 1968 bis 2003 als Grundstoff für Beschichtungen und Imprägnierungen hergestellt und danach noch bis 2008 verarbeitet. Aktivisten von Greenpeace hatten 2006 erstmals auf das Problem aufmerksam gemacht, indem sie Wasser aus der Alz zurück auf das Werksgelände leiteten. 2010 wurde ein Trinkwasserbrunnen in Alzgern mit wirksamen Aktivkohlefiltern ausgestattet. Dort liegen die PFOA-Werte der Probanden zwar ebenfalls weit über den bayerischen Vergleichswerten, aber signifikant unter denen in Gebieten der anderen Wasserversorger, die erst seit Kurzem oder im Fall von Kastl noch gar nicht über Filter verfügen. Die höchsten Werte weisen Anwohner aus Gemeinden in direkter Umgebung des Gendorfer Werks auf, die Menschen in Altötting selbst sind vergleichsweise gering belastet. Das LGL leitet daraus ab, dass die bisherigen Sanierungsmaßnahmen wirksam seien und weitergeführt werden müssten. Einen echten Grenzwert für die Substanz gibt es nur für den beruflichen Umgang mit dem Stoff. Dieser Grenzwert liegt bei mehr als dem Hundertfachen der gemessenen und auch im Vergleich zu normalen Anwohnern schon merklich erhöhten Blutwerte von Arbeitern, die im Werk Gendorf mit PFOA in Berührung kamen.
Gesundheitsministerin Melanie Huml und Umweltminister Marcel Huber (beide CSU) haben am Mittwoch Vertreter einer Bürgerinitiative zur PFOA-Problematik empfangen.