Altötting:Die Busfahrerin und der Saubär

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Ein Unfall mit einem Schulbus ist am Montagmorgen im Landkreis Ansbach glimpflich ausgegangen. (Foto: Günther Reger)

Ein elfjähriger Bub weigert sich in einem Bus in Altötting, seine dreckigen Schuhe von einer Sitzbank zu nehmen. Der Fahrerin rutscht ein Schimpfwort heraus, die Sache landet vor Gericht - und seit dem Urteil bebt in der Stadt und weit darüber hinaus der Volkszorn.

Glosse von Hans Kratzer

Die Leserbriefspalten in der örtlichen Presse quellen seit Tagen über, denn in Altötting und weit darüber hinaus bebt gerade der Volkszorn. Ausgelöst wurde die Empörung durch den Spruch eines Amtsrichters, der einer Busfahrerin eine Geldbuße von 500 Euro aufgebrummt hat. Diese hatte einen elfjährigen "Rotzlöffel", wie ihn viele Leserbriefschreiber titulieren, als "Saubär" bezeichnet, nachdem er ihre Aufforderung, seine dreckigen Schuhe von der Sitzbank zu nehmen, mehrmals zum Fleiß ignoriert hatte.

Den Schilderungen des Vorfalls ist zu entnehmen, dass die Busfahrerin den Buben überdies mit der Hand gestupst hat. Ob dies nun an der Schulter oder im Bereich des unteren Hinterkopfs geschah, was auf eine Gnackwatschn hinausliefe, blieb offen. Sicher ist nur, dass der wohl erzieherisch gemeinte Eingriff eine Anzeige der Eltern nach sich zog. Auch wenn der Bub keine sichtbaren Verletzungen davontrug.

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Zwar stellte der Richter klar, dass das Bußgeld vor allem auf die körperliche Tätlichkeit zielt und nicht auf den Gebrauch des Wortes "Saubär". Das ist freilich eine Differenzierung, die vom Volk mehrheitlich nicht so sehr wahrgenommen wird. Ein elfjähriger renitenter "Saubär" und "Hundskrüppel", so der Tenor, sei das Ergebnis eines Erziehungsdefizits. Ein Stammtisch und mehrere Einzelpersonen wollen nun die Strafe der Busfahrerin übernehmen.

Der Vorfall in Altötting setzt schon fast traditionell eine lange Reihe ähnlicher Auseinandersetzungen fort, die allesamt zum Ausdruck bringen, wie riskant es ist, im Alltagsgeschehen seinen Unmut rustikal und dialektal zu äußern. Vor Jahren war in München ein Trambahnfahrer mit einem renitenten Fahrgast in Streit geraten. "Für mich bist a Arschgeign!", schimpfte er. Sein Glück war, dass das Gericht die Eigenart der bayerischen Schimpfkultur tolerierte und keine "besondere Verwerflichkeit" erkannte. "Die Trambahn ist kein Pensionat für höhere Töchter", sagte ein Unterstützer des Fahrers.

Eine Post-Kundin wiederum hatte sich über einen Schalterbeamten nur deshalb beschwert, weil er mit ihr Bairisch geredet hatte. "Dabei hatte er nicht einmal Rindviech zu ihr gesagt", wie die SZ damals kopfschüttelnd konstatierte.

Der Altöttinger Amtsrichter blieb von alledem unberührt und ermahnte den Buben, künftig den Anweisungen des Buspersonals zu folgen. Der Busfahrerin wünschte er mehr Gelassenheit.

Anmerkung der Redaktion: Der Vater des Buben hat mitgeteilt, die im Text dargestellte Behauptung, sein Sohn habe die Füße auf der Bank abgelegt, stimme so nicht. Der Bub bestreite diesen Vorwurf. Die Busfahrerin habe ihn trotzdem beschimpft und ihm eine Watschn verpasst. Weil sein Sohn vor Gericht nicht aussagen habe müssen, sei nur die Sicht der Busfahrerin dargelegt worden.

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