Altmühltal:Wo die Alemannen die Römer besiegten

Altmühltal: Wo einst römische Soldaten überrannt wurden, wächst heute der Mais.

Wo einst römische Soldaten überrannt wurden, wächst heute der Mais.

(Foto: Dietrich Mittler)

Am Kastell Vetoniana im Altmühltal wurde einst eine kampferprobte Einheit der Römer von ihren Feinden überrannt. Wie das passieren konnte, ist bis heute nicht geklärt.

Von Dietrich Mittler

Bedrohlich türmen sich Gewitterwolken über dem Römer-Kastell Vetoniana auf. Ein bizarr leuchtender Lichtbogen, der sich vom nordwestlichen Eckturm über die zinnenbewehrte Trutzmauer bis zum Nordtor des Lagers spannt, verheißt nichts Gutes.

Rasch greift ein kräftiger Mann, der gerade noch sein römisches Kurzschwert himmelwärts streckte, zum Wangenschutz des Legionärshelms und nestelt an einem braunen Lederband. Runter mit dem Helm, der ohnehin schon rund um die Ohrenwölbungen zu rosten beginnt. Nass werden stand heute nicht auf dem Programm. Helmut Drieger, der Vorsitzende des Heimatvereins Vetoniana Pfünz, ist froh, dass auf der Vorderseite der Porta Praetoria sein Auto parkt.

Für die Besatzung des Kastells und für die mehr als 500 Bewohner des angrenzenden Lagerdorfs (Vicus) gab es um das Jahr 233 nach Christus kein warnendes Vorzeichen auf drohendes Unheil. Experten der Reichs-Limeskommission stießen von 1884 bis 1900 bei ihren Ausgrabungen auf Brandspuren. Im Vicus fanden sich in einem der Häuser verkohlte Menschenknochen. Im Kastell selber auch. Offensichtlich stammten die von einem römischen Soldaten, der im Stabsbereich des Lagers gefangen gehalten worden war.

Bei den Ausgrabungen wurde eine Eisenkette mit einem verschließbaren Ring entdeckt. Darin steckte noch der Unterschenkelknochen des Gefangenen. Skelette von vermutlich Erschlagenen wurden wiederum im südlichen Torturm entdeckt. Nicht der einzige grausige Fund im einstigen Kastell Vetoniana, das heute auch nach der Ortschaft Pfünz im Altmühltal benannt ist.

Der Angriff muss überraschend erfolgt sein: Am Ostturm des Kohortenkastells entdeckten die Ausgräber einige einst an der Wand lehnende Schildbuckel - ein Indiz dafür, dass die überrannten Verteidiger des Kastells nicht einmal mehr Gelegenheit fanden, zu ihren Schilden zu greifen.

Helmut Drieger schüttelt ungläubig den Kopf. Sein schweres Kettenhemd, das durchaus jenen ähnelt, welche einst die römischen Soldaten trugen, hat er längst abgelegt. "Das ist doch wirklich ein bissl unverständlich", sagt er in einem Tonfall, der auf einen nach Oberbayern immigrierten Franken schließen lässt. Der 65-Jährige war selbst Soldat - bei der Bundeswehr versteht sich.

"Dass sich eine so kampferfahrene Truppe wie jene des Kastells Vetoniana offenbar von den Alemannen so einfach überrumpeln ließ", Drieger kann es nicht fassen. "Die waren getrimmt auf das Wachehalten am Limes, der gut zehn Kilometer von hier verläuft", sagt er. Und immer noch ein bisschen fassungslos fügt er hinzu: "Das war eine besonders tapfere Einheit. Eine, die sich oft siegreich geschlagen hatte und dafür auch ausgezeichnet worden war." Das Geheimnis von Vetoniana, es lässt auch Helmut Drieger nicht mehr los.

Im Nordtor, das in den Jahren 1988/89 im Auftrag des Historischen Vereins Eichstätt auf den antiken Fundamenten neu errichtet wurde (leider nicht ganz originalgetreu), haben Restauratoren eine Wachstube mit zwei Puppen in Römerkleidung nachempfunden. Die neue Besatzung des Turms hat ebenfalls einen heimtückischen Angriff hinter sich. Mit roher Gewalt haben Diebe da eine Panzerglas-Scheibe zerbersten lassen und sich einige der Waffen gegriffen, die sie womöglich für wertvolle Originale hielten.

Der Soldat, der auf ewig stumm auf ein Wachstäfelchen vor sich hinstarrt, trägt immerhin noch sein Kettenhemd, ein weißes Halstuch und eine rote Tunika. In Großbuchstaben prangt vor ihm eine mit Stecknadeln befestigte Notiz: "Wegen kürzlichen Einbruchs fehlen diverse Ausrüstungsgegenstände."

Waffen und Schilde entsprechen jenen, die einst die Besatzung des Kastells nutzte

Mit den Katapultgeschützen, die Helmut Drieger und seine Vereinskameraden in einer Garage im Umkreis sicher verwahren, hätten sich die Diebe schwer getan. Allein um den "Onager" auf einem Wagen wegzuziehen, hätte es die Kraft zweier Ochsen bedurft. "Onager heißt übersetzt aus dem Lateinischen Wildesel", sagt Drieger. Mit solchen Torsionsgeschützen wurden in der Antike zum Beispiel Steine aber auch Brandsätze auf feindliche Stellungen geschleudert.

"Das gibt einen ordentlichen Rums", sagt Drieger. Aber deshalb heißt so ein Onager ja auch Onager, denn bei jedem Schuss schnellt er hinten hoch wie ein mit seinen Hufen ausschlagender Esel. "Nicht ganz ungefährlich", sagt Drieger. Das gilt auch für die zwei "Scorpios", die extrem treffsicheren Pfeilgeschütze. Einmal haben die Pfünzer ihre Durchschlagskraft testen wollen, kurz vor einer Römerschau und in kluger Vorausahnung ohne schaulustige Besucher: Der Pfeil durchschlug auch aus großer Distanz noch ein dickes Brett.

Dass Drieger, der nach seiner Zeit bei der Luftwaffe als Informatiker an der Konstruktion von hochmodernen Kampfflugzeugen mitgewirkt hatte, nun ausgerechnet an der Antike Gefallen fand, hat einen ganz zivilen Hintergrund: "Begonnen hat alles damit, dass hier in Pfünz Kastellfeste veranstaltet wurden, und dazu wollten wir in möglichst authentischer Ausrüstung auftreten."

Die im Handel zu erwerben, wäre zu teuer gewesen. 20 Kämpfer des römischen Imperiums galt es damals auszustatten. So fingen deren Frauen an zu nähen, Tuniken zum Beispiel. "Und wir haben damals viele gute Mechaniker und Handwerker im Verein gehabt", sagt Drieger. Jeder habe seine Fähigkeiten eingebracht.

Die Waffen, Schilde und Ausrüstungsgegenstände, die so im Eigenbau entstanden, entsprechen jenen, die einst die Besatzung des Kastells nutzte: die legendäre Cohors I Breucorum civium Romanorum equitata. Eine gut 500 Mann starke teilberittene Einheit also, deren früheste bekannte Nennung aus dem Jahr 86 nach Christus stammt.

Es handelte sich dabei um eine Auxiliar-Truppe, in der Männer dienten, die selbst aus römisch besetzten Gebieten stammten. In diesem Fall vom Balkan. Als Anerkennung für ihre Kampfkraft war ihnen bereits vor Ende ihrer Militärzeit das römische Bürgerrecht verliehen worden.

Drieger - obwohl Vereinsvorsitzender und stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Walting, zu der die Ortschaft Pfünz gehört - strebt nicht nach militärischen Würden. "Ich bin einfacher Auxiliar-Soldat", sagt er. Einer aus der Truppe sei zum Centurio bestimmt worden, was der aber mit Fassung trug.

Statt mit Germanen kämpft die Einheit heute mit der voranschreitenden Zeit. Die Cohors I Breucorum dieser Tage ist in die Jahre gekommen. "Jugendarbeit ist halt schwierig", sagt Drieger. Freundlich grüßt er Wanderer, die an der Kastell-Anlage vorbeiziehen. Der 65-Jährige legt Helm, Schwert und Kettenhemd im Kofferraum des Autos ab. Zeit für Kaffee und Kuchen. Es lebe der Frieden.

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