Alte und neue Gesichter der CSU:Wer geistert da durch den Landtag?

Einst mächtige Kabinettsmitglieder wandeln heute wie Untote durch den Landtag, draußen sind sie aber noch eine feste Größe. In der CSU-Fraktion zeichnet sich nun ein Generationswechsel ab, mindestens ein Fünftel der Abgeordneten scheidet aus.

Frank Müller, Mike Szymanski und Andreas Ross

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CSU_Parteitag 2008 Nuernberg

Quelle: SEYBOLDTPRESS

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Es sind die Geschichten, die ganz weit zurückgehen, in die Zeit, als die Welt noch einen kalten Krieg, das Land noch eine Mauer und die CSU eine absolute Mehrheit besaß. Wer durch den Bayerischen Landtag streift, der sieht viel frisches Blut und noch mehr Mittelalter, aber eben auch viele, die für Bayerns Politik vielleicht dasselbe sind wie die Rolling Stones für das Musikgeschäft.

Thomas Goppel, der schon Staatssekretär war, als Strauß noch lebte. Manfred Weiß, der den "Wienerwald"-Untersuchungsausschuss leitete, als der Hendlbrater im Freistaat noch eine Macht war. Oder Günther Beckstein und Erwin Huber, das unglückselige Kurzzeit-Tandem: Beide bringen es gemeinsam auf 72 Landtagsjahre.

Auf dem Bild: Der damalige CSU-Chef Erwin Huber und Spitzenkandidat Günther Beckstein auf Wahlkampftour im Jahr 2008.

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Quelle: dpa

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Künftig werden ihre Geschichten und Gesichter seltener im Landtag zu erleben sein; was man jetzt an Sitzungstagen noch live von den Polit-Stones auf der Landtagsterrasse erleben kann, wird zur Historie. Denn viele aus der großen Zeit der CSU ziehen sich zur nächsten Wahl zurück. Mindestens ein Fünftel der Fraktion scheidet aus, es könnte auch ein Viertel werden, manche rechnen sogar mit einem Drittel. In jedem Fall ist es ein deutlich höherer Austausch, als er der CSU-Landesgruppe etwa in Berlin bevorsteht.

Doch Zahlen sind das eine, die Kulturveränderung ist das andere: "Jetzt gehen die letzten, die noch Strauß und Streibl erlebt haben", sagt etwa Erwin Huber. Damit gehen übrigens auch die letzten, die noch den jungen Huber gekannt haben. Es gehen die aus der Zeit, als Wahlergebnisse noch unaufhaltsam nach oben wuchsen und das Infragestellen der absoluten Mehrheit parteischädigendes Verhalten war, als der Wahlsieg noch Teil der eigenen politischen DNA war. Aber: "Erneuerung gehört dazu", sagt Innenminister Joachim Herrmann. "Das Innenleben der Fraktion wird sich nicht grundlegend verändern."

Im Bild: Der damalige Ministerpräsident Franz Josef Strauß im Gespräch mit Edmund Stoiber auf dem CSU-Parteitag im September 1979.

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Quelle: EBE

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Viele von denen, die aufhören, kennt man noch als Minister: Christa Stewens, Eberhard Sinner, Günther Beckstein, Ursula Männle, Josef Miller. Andere sind feste Größen aus der Fraktion: Der Augsburger Max Strehle, die Rosenheimerin Annemarie Biechl, Renate Dodell aus Weilheim-Schongau oder Christa Matschl (Erlangen-Höchstadt) und andere mehr.

Bislang 20 Namen umfasst die Aussteigerliste in der 92-köpfigen Fraktion, die meisten sind zwischen 60 und 70 Jahren alt. Hinter einigen Namen stehen noch Fragezeichen: Ex-Justizminister Manfred Weiß, der frühere Umweltminister Otmar Bernhard und auch Landtagspräsidentin Barbara Stamm überlegten noch, heißt es in der Fraktion.

Im Bild: Die langjährige Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, Christa Stewens.

Erwin Huber geht in den Ruhestand

Quelle: Robert Haas

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Auch Erwin Huber hat sich noch nicht entschieden. Doch in Wahrheit ist ein Ausstieg des Königs von Niederbayern für viele fast unvorstellbar. So wie Keith Richards noch die Gitarre in der Hand halten wird, wenn Mick Jagger und Charlie Watts schon längst im Altersheim sind, so dürfte auch Huber die Fahne der alten CSU noch lange hochhalten.

Wobei er das Wort von der "alten CSU" überhaupt nicht gerne hört. Solche Differenzierungen bescheinigt er eher seinem Nachfolger im Amt des CSU-Chefs, Horst Seehofer: "Integriert hat Seehofer nicht. Er hat zwischen einer neuen und einer alten CSU unterschieden", sagt Huber leicht bitter.

Es ist der Generationenbruch von 2008, auf den Huber da anspielt: Nach der mit 43 Prozent desaströs verlorenen Landtagswahl hatte Seehofer die am Boden liegende CSU übernommen - und für sein neues Kabinett alle Amtsträger über 60 Jahren aussortiert. Daran habe auch kein Weg vorbeigeführt, findet der inzwischen selbst 63-jährige Seehofer noch heute. Doch Freunde in der alten Garde hat er sich damit nicht gemacht.

Manche, wie Huber oder Sinner, legen sich regelmäßig recht offen mit Seehofer an. "Die Früchte der damaligen Zeit nimmt man heute gerne in Anspruch, die Verantwortlichen für diese Politik werden kaum genannt", sagt Huber auf Seehofer gemünzt.

Im Bild: Erwin Huber in der Straßenbahn auf dem Weg zum Bayerischen Landtag.

Bayerns Landwirtschaftsminister Miller mit Bulle 'Exodus'

Quelle: dpa

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Andere ließen es stiller auslaufen, so wie Josef Miller. Er ist seit 1986 Landtagsabgeordneter und war bis 2008 Landwirtschaftsminister im Freistaat. Auch seine Zeit in der Seehofer-CSU ist abgelaufen. Er hat sich jetzt entschieden, 2013 nicht mehr anzutreten. "Ich habe nie etwas blockiert", sagt er. Jetzt müssten die Jungen ran.

Miller gehört zu jenen im Landtag, die man regelmäßig an den kleinen Tischen neben dem Plenarsaal telefonieren sieht. Er macht seine Stimmkreisarbeit. Seehofer nimmt kaum Notiz von ihm, und er nur wenig von Seehofer. Miller gehört zu den Ausrangierten, mit denen Seehofer keine Politik mehr macht.

Wie Untote geistern die früher einmal mächtigen Kabinettsmitglieder durch den Landtag. Doch draußen sind sie noch eine feste Größe: "Ich kann hinkommen, wo ich will, da grüßen mich die Leute."

Im Bild: Josef Miller, damals noch Landwirtschaftsminister, mit dem Zuchtbulleen "Exodus" im Jahr 2007.

Bernd Kränzle gibt Amt auf

Quelle: dpa

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Zu denen, von denen man geglaubt hatte, dass sie 2013 ihr politische Arbeit im Landtag beenden werden, gehörte auch der Augsburger Bernd Kränzle. Seit 22 Jahren ist er Mitglied im Parlament, war kurz Staatssekretär im Kultusministerium und ein bisschen länger Staatssekretär im Justizministerium.

Doch 1998 wollte ihn der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber nicht mehr im Kabinett haben, obwohl Kränzle Vorsitzender des CSU-Bezirks Augsburg war. Und in der CSU gehörte es bis dahin zu den ungeschriebenen Gesetzen, dass die Bezirkschefs der Partei auch einen Posten in der Staatsregierung inne haben.

Auch unter Seehofer spielt der Strippenzieher Kränzle keine Rolle mehr. Dennoch hat der CSU-Politiker von der Hinterbank, der Ende September bereits 70 Jahre alt wird, kürzlich angekündigt, für weitere fünf Jahre den Stimmkreis Augsburg-Ost im Landtag vertreten zu wollen. In Augsburg gilt Kränzle als der Mann, "der nicht loslassen kann". Denn er sitzt dort seit 40 Jahren im Stadtrat und ist aktuell auch der Vorsitzende der CSU-Stadtratsfraktion.

Im Bild: Bernd Kränzle, aufgenommen am 22.12.2008.

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Quelle: Claus Schunk

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Im Landtag scharrt derweil der Nachwuchs mit den Hufen. Einige junge Abgeordnete wie der Münchner Wirtschaftspolitiker Markus Blume, der Chef des Hochschulausschusses, Oliver Jörg (Würzburg), oder auch der Parsberger Landwirt Albert Füracker, den Seehofer sehr schätzt, haben sich in nur einer Amtsperiode nach Kräften etabliert, auch was die Posten betrifft. An das Tempo mussten sich auch die Älteren erst gewöhnen: "Wir mussten uns hinten anstellen", sagt Miller. "Es wäre undenkbar gewesen, dass jemand in der ersten Legislatur schon Ausschussvorsitzender wird."

Im Bild: Markus Blume beim Starkbieranstich in der Forschungsbrauerei.

Katrin Albsteiger, Vorsitzende der JU Bayern, 2012

Quelle: Johannes Simon

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Heute dagegen drängelt schon die Nach-Nachfolge-Generation. JU-Chefin Katrin Albsteiger dürfte wohl der bekannteste Neuzugang im kommenden Jahr werden. Die 28-Jährige aus Neu-Ulm wird die Schwaben-CSU vermutlich auf dem Listenplatz eins anführen, da ihre Vorgängerin auf der Position, Justizministerin Beate Merk, auf eine Direktkandidatur wechselt.

Albsteiger findet, dass Verjüngung durchaus angebracht ist in der CSU. "Eine Fraktion muss möglichst alle Schichten abbilden", sagt sie. Den schlechter werdenden Wahlergebnissen seit 2002 und 2003 sei aber oft der politische Nachwuchs zum Opfer gefallen.

Dass Katrin Albsteiger ihren Zielen Gehör verschafft, hat man schon mehrmals erlebt. Zuletzt, als sie mit einem JU-Trupp gegen den Besuch des Berliner SPD-Bürgermeisters Klaus Wowereit protestierte und damit einen Polizeieinsatz provozierte.

Im Bild: Katrin Albsteiger, Vorsitzende der JU Bayern.

Niebler neue Vorsitzende der Frauen-Union

Quelle: dpa

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Dass man außer ihr allerdings noch nicht viele andere Namen kennt, vor allem keine Frauen, zeigt wieder ein anderes CSU-Problem. Zwar hatte Seehofer Frauenquoten und gar ein "Jahr der Frau" ausgerufen. In der Praxis passiert das Gegenteil.

Frauen machen Posten frei, Männer folgen nach - dieses Phänomen hat bei CSU-Vorstandsfrauen wie Angelika Niebler oder Ilse Aigner schon besorgte Nachfragen ausgelöst. Doch solche Fragen sind im Parteivorstand kaum zu lösen. Die Entscheidungen im Recht auf die jeweilige Kandidatur behält sich die Basis vor, und dort sind die Zeiten oft noch so wie früher.

Im Bild: Die Europapolitikerin Angelika Niebler kurz nach ihrer Wahl zur Vorsitzenden der Frauen Union im Jahr 2009.

Thomas Goppel, 2010

Quelle: lks

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Dennoch verstehen sich manche Platzhirsche darauf, den Weg stilvoll freizumachen. Albsteiger hat vor allem das Beispiel Thomas Goppels gefallen. Der 65-Jährige gibt sein Landsberger Direktmandat auf und zieht sich auf eine unsichere Listenkandidatur zurück. Davon profitiert zwar mit BR-Moderator Alex Dorow wiederum ein Mann, aber immerhin ein junger.

Die Frage ist, wie sehr die Jungen, die mit Koalitionsregierungen und wechselnden Konstellationen groß wurden, die Politik der Fraktion umkrempeln. "Die Koalitionsregierung hat das Selbstverständnis der Fraktion verändert", sagt Joachim Herrmann, der früher selbst Fraktionschef war.

Doch Erwin Huber baut auf die selbstbewusste Kraft von früher: "Es kommt eine neue politische Generation nach. Aber auch sie trägt das CSU-Gen in sich. Dauerhaft auf Koalition haben die sich auch nicht eingestellt."

Im Bild: Thomas Goppel, der lange Jahre hohe Posten innerhalb der CSU inne hatte.

© SZ vom 16.08.2012/infu
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