Alpen:Rechtsextreme errichten neues Gipfelkreuz am Schafreuter

Gipfelkreuz auf dem Schafreiter

Da stand es noch: Das Schafreuter-Gipfelkreuz wurde von einem Unbekannten mit der Axt beschädigt.

(Foto: dpa)

Erst haut ein Unbekannter mit einer Axt das Gipfelkreuz auf dem Schafreuter um - nun provozieren mutmaßliche Anhänger der Identitären Bewegung.

Von Christian Sebald

Die Geschichte um das Gipfelkreuz auf dem Schafreuter hat eine neue bizarre Wendung genommen. Nachdem ein Unbekannter es am Sonntag vor einer Woche mit wuchtigen Axthieben so massiv beschädigt hatte, dass es umgelegt werden musste, ist an diesem Sonntag eine Gruppe junger Männer mit einem Ersatzkreuz auf den 2102 Meter hohen Berg gestiegen und hat es dort oben aufgerichtet. Offenkundig wusste niemand von der Aktion. Damit aber nicht genug: Bei den Burschen soll es sich angeblich um Mitglieder oder Anhänger der Identitären Bewegung gehandelt haben, die der rechtsextremen Szene zugeordnet und vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Ein Zeuge, der seinen Namen aus Furcht vor der rechten Szene nicht in der Zeitung lesen will, hat mit einem Freund die Aktion auf dem Schafreuter-Gipfel beobachtet. "Schon beim Aufstieg sind uns die Burschen aufgefallen, wie sie das Kreuz nach oben geschleppt haben", sagt der 47-jährige Franke, der über das Wochenende im Karwendel war. "Das war ein ganz einfaches Ding, gute zwei Meter hoch, und aus rohem Fichten- oder Kiefernholz, wie man es eigentlich nicht sieht in den Bergen."

Oben auf dem Gipfel machten er und sein Freund Brotzeit. Da hätten sich die zehn bis 15 Burschen auf einmal zur Identitären Bewegung bekannt, außerdem hätten sie T-Shirts mit dem Zeichen der Bewegung getragen. "Das war richtig gruselig", sagte der Zeuge, "das geht doch nicht, dass Rechte ein Kreuz auf einem Gipfel aufrichten und es dann dort steht".

Der Mann und sein Freund beendeten ihre Gipfelpause alsbald und stiegen zur Tölzer Hütte ab, die unterhalb des Schafreuters liegt. Dort informierten sie den Hüttenwirt Michael Bubeck. Später benachrichtigte der Bergsteiger, der sich ehrenamtlich im Deutschen Alpenverein (DAV) engagiert, auch die Alpenvereinsspitze.

Hüttenwirt Bubeck hat das Gipfelkreuz am Montag begutachtet. Dabei hat er keine Hinweise auf die Aufsteller entdeckt. "Da sind keine Inschriften oder Botschaften", sagt er, "das ist ein einfaches Holzkreuz." Auch die Burschen sind Bubeck am Sonntag nicht aufgefallen. "Die sind garantiert nicht an der Tölzer Hütte vorbeigekommen", sagt er. "Weder beim Aufstieg noch beim Abstieg." Für Bubeck ist das Ganze sehr seltsam: "Das ist schon richtig außergewöhnlich, dass jemand ein Kreuz auf einem Gipfel aufrichtet und nicht einmal wir als Wirtsleute der Berghütte was wissen."

Beim Alpenverein sind sie ebenfalls überrascht und irritiert. Paul Schenk, der Chef der Tölzer Sektion, steckt mitten in den Vorbereitungen für das neue Gipfelkreuz, welches noch dieses Jahr das gefällte ersetzen soll. Dass auf dem Schafreuter bereits wieder eines steht, hat Schenk erst am Montag erfahren. "Ich selber hab's noch nicht gesehen", sagt er. "Ich bin in der Zwischenzeit nicht raufgekommen auf den Schafreuter."

Für den DAV-Sprecher Thomas Bucher ist das aktuelle Kreuz auf keinen Fall ein Ersatz ist für das alte. "Zwar ist es in der Fassung befestigt", sagt er. "Aber es ist instabil und hält Wind und Wetter nicht stand." Das Gleiche gelte für das Holz, aus dem das Kreuz gefertigt ist. Deshalb hält der DAV an den bisherigen Plänen fest. Sektionschef Schenk wählt dieser Tage die massiven Eichenholz-Balken für das neue Kreuz aus. Dann werden sie von der Zimmerer-Klasse der Tölzer Berufsschule bearbeitet. Und noch dieses Jahr wird das neue Gipfelkreuz aufgestellt.

Die Identitäre Bewegung meldete sich nicht auf Anfragen - weder per E-Mail noch per Telefon. Auch auf ihrer Internetseite gab es keine Informationen, ob sie sich oder Anhänger von ihr an der Aktion beteiligt haben. Sie war zuletzt verstärkt im Münchner Süden aktiv und hat eine Gruppe in Bad Tölz gegründet.

Laut Verfassungsschutz greift sie antidemokratische Strömungen aus der Weimarer Zeit auf, sieht sich als Ableger der rechtsextremistischen Génération identitaire in Frankreich und vertritt die These vom "Großen Austausch" - die Behauptung, es gebe einen von Politik und Medien vertuschten Plan, die einheimische Bevölkerung durch Migranten zu ersetzen. Auch von dem Täter, der vor gut einer Woche mit einer Axt auf das Schafreuter-Gipfelkreuz einschlug, fehlt noch jede Spur.

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