Es gibt Hängebrücken und Seilrutschen in diesem ganz besonderen Klettergarten. Es gibt auch eine kostenlose Erfrischung, manchmal sogar eine unfreiwillige: Wer im Alpsitzsplash direkt neben der Talstation der Alpspitzbahn in Nesselwang klettert, wird nass und muss schwimmen können. Der Klettergarten liegt mitten im Speichersee, der im Winter die Beschneiung des Skigebiets sicherstellt. Und im Sommer nun eine weltweit einzigartige Freizeitattraktion bietet. „Vor fünf Jahren“, sagt Ralf Speck, Geschäftsführer der Alpspitzbahn, „hat man mich wegen der Idee für verrückt gehalten.“ Nun hat sein Betrieb einen profitablen Sommerbetrieb, der ihn auch mal durch einen schlechten Winter bringt.
Genau das ist das große Thema im Allgäu: Der Klimawandel setzt dem Skisport und den Bergliften zu. Hoteliers, Liftbetreiber und Touristiker im Allgäu sind sich deshalb einig, dass sie „die Transformation des Allgäuer Winters“ proaktiv gestalten wollen. Bereits im vergangenen Jahr haben sie herausgearbeitet, wo sie hin wollen, nun haben sie das Konzept weiterentwickelt: Das Kernangebot Schneesport, da verweisen sie auf Studien, wird weiter funktionieren und soll weiterentwickelt werden. Es soll aber durch ein hybrides Wintermodell ergänzt werden, also durch mehr touristische Angebote, etwa aus Kultur oder Wellness.
20 Millionen Übernachtungen zählt das Allgäu pro Jahr, mit 4,7 Millionen Ankünften und einer Wertschöpfung von 3,6 Milliarden Euro. 60 000 Allgäuer verdienen ihr Einkommen primär im Tourismus. Die Zahlen lassen erahnen, warum Maria Rita Zinnecker, Landrätin im Ostallgäu und Vorsitzende des Tourismusverbands Allgäu, die Transformation des Winterangebots so wichtig ist. Denn obwohl 66 Prozent aller Gäste im Sommer aufschlagen, lassen sie im Winter noch immer mehr Geld in der Region.
Insofern rückt nun der „multioptionale Gast“ in den Vordergrund. Während die Touristen früher längere Aufenthalte planten und sich dann aufs Skifahren konzentrierten, liegt die durchschnittliche Buchungsdauer laut Stefan Egenter, Geschäftsführer der Tourismusorganisation Allgäu GmbH, inzwischen bei etwa vier Tagen. Die Gäste wollen an die frische Luft, sie wollen auch Skifahren oder Skilanglaufen. Sie wechseln aber mehr ab als früher: An einem Tag wollen sie winterwandern, dann vielleicht eisbaden oder in die Pop-up-Sauna.
Die Schneetage nehmen weiter ab
Diese Angebote gilt es deshalb auszubauen, zumal in niedrigeren Lagen. Laut einer Studie sollen sich bei rasantem Klimawandel bis ins Jahr 2050 auf einer Höhe von 900 Metern die Naturschneetage von 118 auf 105 Tage reduzieren. Es wird also weniger, es bleiben aber immer noch einige Tage für die sieben Millionen Alpinfahrer und fünf Millionen Langläufer in Deutschland. Die Bundesrepublik, rechnet Ralf Roth vor, „ist der größte europäische Kernmarkt für Wintersport.“ Nirgendwo sonst auf dem Kontinent seien die Menschen so wintersportbegeistert, sagt der Professor an der Deutschen Sporthochschule in Köln, der das Allgäu bei seiner Transformation berät. Insofern habe die Region einen wertvollen Vorteil: Sie ist räumlich vorgelagert und für deutsche Touristen leicht zu erreichen.

Für die Skiliftbetreiber vor allem in niedrigeren Lagen wird es entscheidend sein, den Übergang von einem schneebasierten auf einen schneeunabhängigen Betrieb künftig auch spontan und rasch zu schaffen. Der letzte Winter etwa, sagt Ralf Speck von der Alpspitzbahn in Nesselwang, gelegen auf 900 bis 1500 Metern, sei schlecht gewesen. Also habe er bereits am 25. März auf Sommerbetrieb umgestellt. „Wir haben es in kurzer Zeit geschafft zu switchen.“ Für ihn sei seit Jahren klar gewesen, dass ein reiner Nischenbetrieb auf Dauer nicht existieren kann, die Alpspitzbahn setze deshalb konsequent auf Ganzjahresbetrieb. Nur hatte Speck früher zwar ein Sommerangebot, hat damit aber kein Geld verdient.
Unter anderem mit der Doppelnutzung des Speichersees als sommerlicher Klettergarten hat er es nun aber nach eigenen Angaben geschafft. „Im Juli und August haben wir einen Umsatz gemacht, der vergleichbar mit dem Winter ist.“ Wenn also die Wintersaison mal schlecht sei und nicht funktioniere, dürfe das für die Betriebe kein Beinbruch sein. „Da müssen wir hin“, sagt Speck. „Wer die Transformation verpennt, wird es in Zukunft nicht schaffen.“