Süddeutsche Zeitung

Allgäu:Umstrittener Tauschhandel am Riedberger Horn

  • Stimmen die Anwohner für eine Skischaukel am Riedberger Horn, soll der geschützte Berg aus dem Alpenplan genommen werden.
  • Im Gegenzug soll ein Nebengipfel zur Schutzzone deklariert werden.
  • Das Umweltministerium reagiert empört auf die Planspiele von Ministerpräsident Seehofer und Heimatminister Söder.

Von Christian Sebald

Im Streit um die Skischaukel am Riedberger Horn planen Ministerpräsident Horst Seehofer und Heimatminister Markus Söder einen Tauschhandel. Für die Herausnahme des 1787 Meter hohen streng geschützten Gipfels aus der Zone C des Alpenplans, in der Pisten und Bergbahnen tabu sind, wollen sie den Wannenkopf in diese Schutzzone hineinnehmen.

Der 1712 Meter hohe Berg ist ein Nebengipfel des Riedberger Horns. Voraussetzung für den Tausch soll freilich sein, dass sich die etwa 900 Wahlberechtigten der Gemeinden Balderschwang und Obermaiselstein in einem Ratsbegehren ausdrücklich zu der Skischaukel bekennen. Dies geht aus einer internen Unterlage des Heimatministeriums hervor, die der SZ vorliegt.

Insider sind von dem Tauschhandel entsetzt. Zwar ist der Wannenkopf ebenfalls ein wertvolles Naturschutzgebiet. So zählt das dortige Kammmoor zu den ursprünglichsten Feuchtgebieten in den bayerischen Alpen. Außerdem ist der Berg - wie das Riedberger Horn - ein wichtiger Lebensraum für die streng geschützten Birkhühner. Aber das heißt nicht, dass ein verstärkter Schutz für den Wannenkopf die Naturzerstörungen durch die geplante Skischaukel am Riedberger Horn ausgleichen könnte.

Das haben die Experten des Landesamts für Umwelt (LfU) schon 2007 deutlich gemacht. Denn die Idee für den Tauschhandel ist schon ziemlich alt. Sie kursierte bereits vor zehn Jahren. Der damalige Oberallgäuer Landrat Gebhard Kaiser (CSU) schlug ihn Ex-CSU-Chef Huber vor, der zu der Zeit Wirtschaftsminister war.

Schon 2007 lehnte aber das LfU die Herausnahme des Riedberger Horns aus der Schutzzone C und damit die Skischaukel klar ab. Und zwar sowohl aus Gründen des Naturschutzes, als auch des Schutzes vor neuen Naturgefahren wie Muren, die infolge des Baus der Piste und anderer Anlagen abgehen könnten. Außerdem, so das LfU in seiner damaligen Stellungnahme, solle das Riedberger Horn ein Gipfel für Bergwanderer, Skitourengeher und alle anderen Naturliebhaber bleiben, die ihn aus eigener Kraft erklimmen. Huber akzeptierte die Absage des LfU, fortan war keine Rede mehr von dem Tauschgeschäft.

Umweltministerin Ulrike Scharf beharrt denn auch auf ihrem Veto. Das belegen Unterlagen aus ihrem Haus, die der SZ ebenfalls vorliegen. In ihnen listet das Umweltministerium auf, dass aus seiner Sicht das Projekt selbst dann nicht genehmigt werden kann, sollte Seehofers und Söders neueste Idee wider Erwarten durchgehen. Selbst wenn der Schutz durch den bayerischen Alpenplan wegfallen sollte, ist da immer noch die Alpenkonvention. Sie verbietet ohne Wenn und Aber den Bau und die Planierung von Pisten auf labilen Berghängen.

Der Südwesthang ist extrem labil

Der Südwesthang des Riedberger Horns, über den die neue Piste führen soll, ist extrem labil und rutschgefährdet. Die Alpenkonvention ist ein internationales Vertragswerk zum Schutz und der Entwicklung des Alpenraums, das alle Alpenstaaten unterzeichnet haben. Die Vorgaben seines Bodenschutzprotokolls sind bindend, Verstöße sind Rechtsbruch - unabhängig davon, ob der jeweilige Berg durch den Alpenplan geschützt ist oder nicht.

Ebenfalls unabhängig vom Ausgang des Tauschhandels stehen dem Projekt weitere hohe Naturschutz-Hürden entgegen. So ist das Riedberger Horn der zentrale Lebensraum im Allgäu für Birkhühner. Die sehr seltenen und streng geschützten Vögel kommen dort nirgends so zahlreich vor wie am Riedberger Horn. Nach dem Naturschutzgesetz ist alles streng verboten, was ihren Lebensraum schädigen könnte. Scharfs Fachleute sind überzeugt, dass eine Ausnahmegenehmigung für die Skischaukel vor Gericht keinen Bestand hätte.

Das ist es aber nicht alleine. Das Riedberger Horn ist außerdem durch das Naturschutzrecht der EU geschützt: als sogenanntes faktisches Vogelschutzgebiet. Das heißt, dass der Freistaat den Berg zwar nicht als solches ausgewiesen hat, er aber rechtlich als solches einzustufen ist.

Um die Skischaukel genehmigen zu können, müsste nach EU-Recht das Gebiet zu allererst einmal förmlich als Vogelschutzgebiet ausgewiesen werden - damit womöglich später eine Sondererlaubnis für das umstrittene Projekt erteilt werden kann. Das aber ist ein langes und ziemlich kompliziertes Prozedere. Zudem dürfte so ein förmliches Vogelschutzgebiet auf massive Widerstände bei den Bauern in der Region stoßen - weil es allerlei Einschränkungen für sie bedeutet.

Wenig verwunderlich also, dass es außer Scharf weitere Minister gibt, die Seehofers und Söders neuen Plänen für das Riedberger Horn nichts abgewinnen. "Ich weiß nicht, was sie da reitet", sagt ein Kabinettsmitglied. "Aber sie können doch so etwas nicht in die Welt setzen, bevor sie sich nicht wirklich sicher sind, ob es gerichtsfest ist. Wenn das platzt, dann ist das ein immenser Vertrauensverlust weit übers Allgäu hinaus."

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SZ vom 18.07.2016/imei
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