Wenn es zu voll ist, dann ist es zu voll an den beliebten Ausflugszielen im Allgäu oder in anderen Ferienregionen in Bayern. Das ist trivial, und dennoch hat Hartmut Wimmer, Gründer und Chef der Plattform Outdooractive, über die etwa viele Wanderer ihre Touren planen, am Montag noch einmal daran erinnert. Wenn zum Beispiel ein Parkplatz voll ist, kann man Schilder aufstellen, sperren, Polizisten hinzuziehen. "Aber dann ist es schon zu spät. Einen echten Plan B hat niemand mehr." Um das zu ändern, setzen Verantwortliche im Allgäuer Tourismus seit einigen Jahren verstärkt auf Investitionen ins Besuchermanagement, die möglichst bald in Prognosemodelle münden sollen. Wer am Mittwoch eine Tour für den Samstag plant, soll schon am Mittwoch Informationen erhalten, wie voll es dort wird - und so gelenkt werden, im Zweifelsfall zu einer ebenso lohnenden Alternativtour.
Bürgermeister, Forscher, Tourismusdirektoren, sie alle haben sich am Montag digital auf Einladung der Tourismusplattform Allgäu GmbH, der Hochschule Kempten und der Tourismusforschungseinrichtung WTZ in Füssen digital zum Thema Besuchermanagement ausgetauscht. Einig sind sie sich, dass an Besucherlenkung in Zukunft kein Weg mehr vorbei führen wird, um sogenannte Touristenhotspots zu entlasten. Und sie sind sich auch einig, dass dies neben analogen Wegweisern und dem lokalen Einsatz von Rangern am besten durch digitale Neuerungen zu schaffen ist. Es müssen so viele Daten wie möglich erhoben werden über Ausflügler und Ausflugsziele. Und diese Daten dürfen wiederum nicht nur aussagen, dass es zum Beispiel am Schrecksee zu voll ist. Sie müssen durch Algorithmen automatisiert zu Empfehlungen umgewandelt werden, die zuverlässig schon Tage vor dem eigentlich Ausflug zu beziehen sind und Alternativen vorschlagen. Das soll vor allem mit historischen Datensätzen gelingen. Wenn bei vergleichbarem Wetter, zur vergleichbaren Ferienzeit in den Jahren zuvor ein Ausflugsziel in Oberstdorf überlaufen war, wird es wohl genauso wieder kommen - das ist der Ansatz.
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Werden wir also in Zukunft nur noch durch Landschaften laufen, in denen uns Sensoren und Satelliten tracken? Diese Frage stellt Dirk Schmücker, Professor am Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa und profiliertester deutscher Experte für das Thema Besuchermanagement, und er beantwortet sie eindeutig mit Ja - laut Forschern zum Nutzen der Ausflügler. Es geht dabei um Infrarot, Laserscanner und smarte Kameras, aber natürlich auch um Daten vom Handy oder anderen Endgeräten der Gäste. Vor Corona, sagt Schmücker, habe es vereinzelt Zählsysteme in Schutzgebieten gegeben. Weil der Heimaturlaub mit dem Virus nun einen deutlichen Schub bekommen hat und die Tourismusgebiete im Süden wie im Norden ausgebucht waren wie nie, hat das Thema Auftrieb bekommen.
Eine datenbasierte Einsatzplanung soll Wettereinflüsse und Verkehr einbeziehen
Beispiele dafür sind das Projekt "Air", das Prognosemodelle voranbringen soll für eine effizientere Besucherlenkung schon bei der Tourenplanung. Und der "flexible Erlebnisbus", der schlauer sein soll als die herkömmlichen Buslinien mit ihren starren Fahrplänen. Eine dynamische, datenbasierte Einsatzplanung soll Wettereinflüsse und Verkehr einbeziehen und Nutzer dazu veranlassen, ihr Auto zu Hause stehen zu lassen. Laut Studien nutzt gerade ein Großteil der Tagesausflügler, die vor allem zu Verkehrsproblemen in Tourismusregionen beitragen, bislang das eigene Auto. Das Forschungsprojekt Bayerncloud, das 2018 startete, soll dabei die Drehscheibe zur Erfassung aller relevanten Daten werden. Informationen über freie Parkplätze, verstopfte Straßen, geöffnete Hütten und gesperrte Wanderwege sollen so künftig leichter zugänglich werden. Eine Umfrage am Schrecksee und am Geisalpsee etwa hat gezeigt, dass sich die Hälfte aller Ausflügler dort zuvor digital über das Reiseziel informiert hat.
Michael Finger vom Bund Naturschutz Oberstdorf kritisiert allerdings, dass Outdoor-Portale ein Teil des Problems seien, warum die Besucherlenkung vielfach nicht funktioniert. Im Raum Oberstdorf etwa sei jede zweite bis dritte Tour fehlerhaft. "Es ist unsere Heimat, die hier verbrannt wird." So müsse man erst Ranger ausbilden, die digital Fehler suchen und diese dann Outdoor-Plattformen melden. Auch die Allgäu GmbH würde sich wünschen, dass die Plattformen mehr Verantwortung für die Inhalte übernehmen und selbst aktiv werden. Tourismusexperten wie Dirk Schmütter allerdings betonen, dass gerade diese Plattformen die Ausflügler gut kennen und viele Daten zur Verfügung stellen können. Die braucht es für das Ziel, Prognosemodelle programmieren zu können - für die Sommersaison 2022 reicht es noch nicht.