Das Design der Lok ist aufwendig gestaltet, das Bild darauf zeigt den Allgäuer Hauptkamm, der Slogan lautet: „Natürlich Urlaub mit Bahn & Bus – Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen“. Ende Juli, bei der Vorstellung der Fernverkehrslok, kam extra Markus Söder, der CSU-Ministerpräsident freute sich über „beste Werbung für eine Fahrt ins Allgäu“. Heiko Büttner, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für Bayern, bezeichnete die neue, bundesweit eingesetzte Lok als „Botschafter für die gute Erreichbarkeit des Allgäus“.
Nur knapp zwei Monate später ist es nicht mehr weit her mit dieser Erreichbarkeit, vor allem was Oberstdorf anbelangt, einen der meistbesuchten Tourismusorte in Deutschland: Bis Anfang November noch ist Oberstdorf komplett abgeschnitten vom Bahnverkehr, weil ein Bahndamm saniert werden muss, dem laut Bahn Biber und Hochwasser zugesetzt hatten. Und auch darüber hinaus wird die südlichste Gemeinde Deutschlands jahrelang nur mehr mit dem Nahverkehr, aber auch hier mit Verspätungen anzusteuern sein.
Die Bahn verweist auf einen irreparablen Kabelschaden an einem Stellwerk, der Fernverkehr muss komplett entfallen, mit weitreichenden Auswirkungen auf das gesamte Allgäu. Betroffene Landrätinnen und Oberbürgermeister laufen Sturm, auch Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) schaltet sich ein – und sorgt sich um weitere Stellwerke in Bayern.
Die Bahn hat bereits mit Planungen für ein neues elektronisches Stellwerk begonnen, der Bau dauert in der Regel jedoch einige Jahre. Bis dahin wird nur ein Gleis im Bahnhof Oberstdorf zur Verfügung stehen. Die Reisezeiten im Nahverkehr aus München oder Augsburg verlängern sich deshalb um bis zu 20 Minuten. Einzelne Züge, die entfallen müssen, will die Bahn teils durch Busse ersetzen. Ansonsten verweist der Konzern auf „geeignete Verbindungen in ähnlicher Zeitlage“. Die täglichen Direktverbindungen nach Oberstdorf im Fernverkehr von und nach Dortmund und Hamburg müssen komplett entfallen. Die Bahn rät Reisegästen, an den Knoten München, Augsburg und Ulm auf Regionalzüge umzusteigen.
Für die Touristiker ist das eine Katastrophe: Oberstdorf hat 2,7 Millionen Übernachtungen pro Jahr, dazu viele Tagesgäste, gerade jetzt im Winter zur Skisaison. Die Marktgemeinde wirbt darum, dass Gäste mit der Bahn anreisen, manche Hotels im Ort bieten sogar Vergünstigungen für Touristen, die das Auto zu Hause lassen. Die Fernverbindungen aber enden künftig in Augsburg und Stuttgart, womit auch Städte wie Kempten und Kaufbeuren auf der Strecke bleiben.
Das südliche Schwaben gilt als „Dieselloch“, die meisten Schienenkilometer sind dort nicht elektrifiziert. Das Allgäu sei, darauf verweisen örtliche Politiker in einem Protestschreiben, mit 13,3 Millionen Übernachtungsgästen pro Jahr die größte Tourismusregion Deutschlands – aber auch die mit Abstand am schlechtesten angebundene, was den Fernverkehr betrifft. Sylt beispielsweise habe mit 4,5 Millionen Übernachtungen bis zu vier IC-Direktverbindungen pro Tag. Rügen mit neun Millionen Übernachtungsgästen komme auf neun Fernverkehrsverbindungen. Für die Strecke nach Oberstdorf fordern die Oberbürgermeister von Kempten und Kaufbeuren sowie die Landrätinnen der Landkreise Oberallgäu und Ostallgäu: „Unter keinen Umständen dürfen die verbleibenden beiden Fernverkehrsverbindungen ersatzlos für mehrere Jahre entfallen.“
Verkehrsminister Bernreiter hat in Briefen an den Bundesverkehrsminister und den DB-Infrastrukturvorstand die Reparatur des Kabelschadens oder den Bau eines sogenannten Notstellwerks gefordert, um den Zeitraum bis zur Inbetriebnahme eines neuen elektrischen Stellwerks zu überbrücken. Zudem will er geprüft haben, ob die Fernzüge nicht wenigstens nach Kempten, Immenstadt oder Sonthofen verkehren können, damit Passagiere nur das letzte Stück bis Oberstdorf mit Ersatzbussen zurücklegen müssen. Die Bahn jedoch verweist darauf, dass der Umstieg an hochfrequentierten Bahnhöfen wie München oder Augsburg sogar schnellere und flexiblere An- und Abreisezeiten ermöglichten als einzelne durchgehende Fernverkehrszüge. Eine kurzfristige Instandsetzung des Stellwerks sei geprüft worden, die Anlage sei jedoch irreparabel. Eine Sprecherin schreibt: „Wir prüfen technisch und betriebliche Lösungen, um zusätzliche Verkehre ermöglichen zu können.“
Minister Bernreiter hat von der Bahn auch Auskunft verlangt, wo in Bayern man noch mit ähnlichen Einschränkungen rechnen müsse. Schließlich seien viele Stellwerke im Freistaat älterer Bauart. Die Bahn jedoch spricht von einem „äußerst seltenen Einzelfall“, was Oberstdorf betrifft. Alle Stellwerke im Netz der DB seien mit Messeinrichtungen ausgestattet, um Kabelschäden feststellen zu können. Zudem würden alle Stellwerke regelmäßig inspiziert. Aktuell erarbeite die Deutsche Bahn ein Sofortprogramm Stellwerke. „Ergänzend zu bislang geplanten Projekten wollen wir in kurzer Zeit mit Mitteln des Bundes weitere Stellwerksneubauten umsetzen und damit personal- und wartungsintensive Alttechnik ablösen.“ Insgesamt würden bis zum Jahr 2027 bis zu 200 Stellwerke durch neue Technik ersetzt.