Mitten in Kempten:Festwoche ohne Fest

Die Allgäuer Festwoche steht auf der Kippe: Erst gab es keine Zelte, nun sagen auch noch die Wirte ab.

Glosse von Florian Fuchs, Kempten

Auf dem Münchner Oktoberfest, der Mutter aller Volksfeste, ist so etwas noch nie vorgekommen. Da ist noch kein Schausteller ferngeblieben, weil ihm plötzlich die Loopings ausgegangen sind. Da ist auch noch nie das Zentral-Landwirtschaftsfest abgesagt worden, weil sich keine Zelte mehr auftreiben ließen. Und erst recht haben noch keine Wirte einen Rückzieher gemacht, weil sie die Sause als wirtschaftlich nicht mehr rentabel betrachten, im Gegenteil - so ein Wiesnwirt gibt höchstens auf, wenn mal wieder die Steuerfahndung zu genau hingeschaut hat, und auch dann bestimmt nicht freiwillig. Kurzum: In München braucht es schon eine Pandemie oder vielleicht einen Krieg, damit die Organisation des Oktoberfests ins Wanken gerät.

In Kempten ist das alles anders. Natürlich hat auch im Allgäu Corona zugeschlagen, 2019 hat die "Allgäuer Festwoche" deshalb zum letzten Mal stattgefunden. Mit etwa 180 000 Besuchern gehört sie zu den zehn größten Verbrauchermessen in Deutschland. Lokale Firmen, Behörden, Vereine und Landwirtschaft konnten sich dort präsentieren und vernetzen, und sie hätten das auch dieses Jahr wieder gerne getan. Laut Politik ist Corona ja jetzt offiziell vorbei. Leider musste die Stadt als Veranstalterin bereits vergangene Woche mitteilen, dass die Wirtschaftsausstellung dieses Jahr trotzdem wieder nicht stattfinden kann. Stattdessen sei eine Art Sommerfest geplant. Der Grund: Es gibt keine Zelte mehr. Der bisherige Anbieter ist nach 30 Jahren abgesprungen, bei einer europaweiten Ausschreibung sind keine Angebote für die zehn benötigten Messezelte eingegangen. Das hat in Kempten zu großen Verwerfungen geführt: Die einen fordern die sofortige Ablösung der Festwochen-Chefin, der Oberbürgermeister stellt sich demonstrativ hinter sie. Aber jetzt springt auch noch ein Festwirt nach dem anderen ab, drei waren es bis Mittwochnachmittag - aus Sorge über finanzielle Risiken. Wo keine Messe, da weniger Besucher.

Eine Verbrauchermesse ohne Messe, eine Festwoche ohne Wirte - das ist unpraktisch für die weiteren Planungen. "Mit kleineren Zelten würde es schon funktionieren", lässt sich der Festwochenbeauftragte nun von der Deutschen Presseagentur zitieren. In Kempten suchen sie deshalb jetzt Wirte, die in die Bresche springen. In diesem Sinne: Wer ein kleines Zelt hat und viel Bier und am besten auch keine Probleme mit dem Finanzamt, der möge sich melden.

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