Allgäu-Airport wird fünf Jahre alt:Mies wie Memmingen

Vernichtendes Zeugnis: Kurz vor dem fünften Geburtstag des Memminger Allgäu-Airports bezeichnet ihn die Pilotengewerkschaft Cockpit als unsichersten Flughafen der Republik. Auch von anderer Stelle hagelt es Kritik.

Stefan Mayr

Die Einheimischen nennen ihn "Allgäu Airport", die Fluggäste aus Großbritannien kennen ihn als "Munich-West". Für die einen ist er eine Erfolgsgeschichte und Bereicherung für die Region, für die anderen ein umweltpolitisches Ärgernis, das über kurz oder lang zum Scheitern verurteilt ist.

Piloten geben Flughafen Memmingen schlechte Noten

Der Memminger Airport steht in der Kritik.

(Foto: dpa)

Am Donnerstag wird auf dem ehemaligen Militärflughafen im Memminger Stadtteil Memmingerberg fünfter Geburtstag gefeiert. Denn am 28. Juni 2007 landete erstmals eine Boeing 737-300 in der Stadt an der bayerisch-baden-württembergischen Grenze - und läutete damit die Ära der zivilen Fliegerei ein.

Doch in die Feierstimmung mischen sich auch kritische Töne - und das nicht nur, weil die Pilotenvereinigung Cockpit einmal mehr gravierende Sicherheitsmängel festgestellt hat.

Cockpit hat in der Studie 28 deutsche Flughäfen getestet, vier davon weisen angeblich schwerwiegende Sicherheitsmängel auf. Der Allgäu Airport wird sogar als unsicherster Flughafen der Republik bezeichnet. Dieser Einschätzung widerspricht Allgäu-Airport-Geschäftsführer Ralf Schmid entschieden: "Wie immer werden große und kleine Flughäfen in einen Topf geworfen", sagt Schmid, "dieselben falschen Argumente werden auch durch ständige Wiederholung nicht zutreffender."

Doch auch anderweitig steht der Flughafen in vielerlei Hinsicht in der Kritik: Die Gegner bemängeln, dass er trotz öffentlicher Zuschüsse in Millionenhöhe immer noch nicht rentabel arbeite. Und überhaupt sei er in Zeiten des Klimawandels nicht zukunftstauglich und passe deshalb schon gar nicht ins Allgäu, das sich ansonsten stets als nachhaltiges Touristenziel empfehle.

Zusätzlichen Unmut rufen die neuen Erweiterungspläne der Airport-Betreiber hervor: Sie wollen die Landebahn von 30 auf 45 Meter verbreitern, neue Hallen errichten und die Flugzeiten um eine Stunde verlängern. Künftig sollen die Flieger bis 23 Uhr landen können.

Das Planfeststellungsverfahren läuft, gegen die Pläne wurden 964 offizielle Einwendungen eingereicht - und wenigstens in einem sind sich Gegner und Befürworter einig: Wenn im Herbst die Entscheidung des Luftamtes Südbayern fällt, landet diese definitiv vor Gericht, denn einer der Beteiligten wird wohl Rechtsmittel einlegen.

Gabriela Schimmer-Göresz von der Initiative "Bürger gegen Fluglärm" befürchtet, dass die Flugzeiten in die Nacht verlängert werden, damit künftig auch Frachtverkehr ermöglicht werden kann. Ralf Schmid weist das von sich: "Das ist kein Thema."

Zu den Kritikern des Flughafens gehört auch der Oberallgäuer Landtagsabgeordnete Adi Sprinkart (Grüne). "Die Betreiber und Befürworter tun immer so, als würde der Flughafen über die Zukunft des Tourismus im Allgäu entscheiden", sagt Sprinkart, dabei sei "das Incoming" von Fluggästen "marginal" und "peinlich": "Von den Badeorten im Mittelmeer fliegen doch keine Leute hierher, um sich das Allgäu anzuschauen", betont er.

Stündlich vom Allgäu-Airport nach München

Gabriela Schimmer-Göresz glaubt sogar, dass der Flughafen die heimische Wirtschaft schwäche: "Jetzt fliegen die wohlhabenden Leute nach Berlin oder London und gehen da shoppen." Flughafen-Geschäftsführer Ralf Schmid widerspricht: "Wir sind der Incoming-Flughafen Bayerns geworden." In den Barcelona-Flügen säßen etwa 50 Prozent, weil sie hier Urlaub machen, betont Schmid.

Sprinkart kritisiert dagegen, dass die meisten Ankommenden gar nicht ins Allgäu wollen, sondern eher nach Oberbayern. Dies ist kein Zufall, denn seit 2009 steuert der Billigflieger Ryanair den Allgäu-Airport unter der geografisch kaum gerechtfertigten Bezeichnung "Munich-West" an.

Tatsächlich haben die Flughafen-Betreiber ihren Bus-Shuttle-Service nach München kontinuierlich ausgebaut: Derzeit pendelt der "Allgäu-Airport-Express" achtmal täglich in die Landeshauptstadt. Für die Oktoberfest-Zeit wird es sogar einen "Stundentakt" von 5 bis 24 Uhr geben. Weitere Ziele der Bus-Shuttle sind Ulm, Zürich und im Winter Arlberg in Österreich. Die einzige Linie innerhalb Schwabens nach Augsburg wurde mangels Nachfrage eingestellt.

Die Kritiker sehen hierin eine Belastung der Allgäuer Anwohner, von der hauptsächlich die Metropole München profitiert. Für Flughafen-Geschäftsführer Schmid ist dies das normalste der Welt: "Ich kann doch keinem Fluggast vorschreiben, was er nach der Landung macht."

Immerhin bietet der Flughafen 100 Arbeitsplätze, hinzu kommen 150 weitere Jobs bei Partnerfirmen. Im Jahr 2010 hat der Airport 910.000 Passagiere gezählt und einen Verlust von 610.000 Euro ausgewiesen. Das Minus für 2011 ist zwar noch nicht verkündet, wird aber noch größer ausfallen, wie Schmid verrät.

Grund ist ein Rückgang der Fluggast-Zahlen, weil Air Berlin seine innerdeutschen Flüge gestrichen hatte. Mittlerweile kann Memmingen wieder Flüge nach Hamburg und Berlin anbieten. Deshalb prophezeit Schmid für 2012 neue Rekordergebnisse bei Passagierzahlen und Betriebsergebnis.

Gabriela Schimmer-Göresz kann mit diesen Zahlen wenig anfangen: "Die wollten ursprünglich schon mit 316.000 Fluggästen Gewinne machen, jetzt schreiben sie sogar mit einer Million Passagiere noch rote Zahlen." Als Ursache hierfür vermutet sie Dumpingpreise, mit denen der Allgäu Airport den Billigflieger Ryanair nach Memmingen gelockt hat.

Nach eigenen Angaben hat das bayerische Verkehrsministerium bislang 7,4 Millionen Euro in den Allgäu-Airport gesteckt. Damit habe der Freistaat dazu beigetragen, dass "aus dem Konversionsprojekt eine Erfolgsgeschichte für die Region werden konnte".

Für die geplante Erweiterung sollen weitere 2,5 Millionen Euro nach Memmingen gepumpt werden - als "Schlusspunkt der Anschubfinanzierung", wie das Ministerium sagt. Einen Schlusspunkt der Diskussion wird es so schnell nicht geben.

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