Allersberg:Lügenvorwürfe um Ansiedlung von Amazon

Amazon

Amazon soll sich in Allersberg ansiedeln.

(Foto: dpa)

Der US-Versandhändler will im fränkischen Allersberg ein Logistikzentrum errichten - doch um die Ausweisung des Gewerbegebiets gibt es einen bitteren Streit. Auch ein Bürgerentscheid brachte keine Ruhe.

Von Uwe Ritzer, Allersberg

Irgendwer hat Daniel Horndasch ein Buch in den privaten Briefkasten geworfen. "Cool im Kreuzfeuer" lautet der Titel, ein Ratgeber für den Umgang mit "Schlammschlachten, Cybermobbing und Rufmordkampagnen". Horndasch, Bürgermeister von Allersberg bei Nürnberg, hat vieldeutig angekündigt, das Buch tatsächlich zu lesen. Der FW-Politiker sieht sich als Opfer einer Schmutzkampagne. Umgekehrt erheben seine Gegner denselben Vorwurf gegen ihn. So viel steht fest: Die Debattenkultur in Allersberg, wo 8000 Menschen leben, ist vergiftet.

Gestritten wird über ein 33 Hektar umfassendes Gewerbeareal, an dessen Entwicklung die Firma P3 Logistik Parcs arbeitet, eine Tochter des Staatsfonds von Singapur, und von dem die größte Teilfläche der Online-Versandhändler Amazon erhalten soll. Vorletzten Sonntag machte eine Mehrheit bei einem Bürgerentscheid den Weg frei und stärkte Horndasch so den Rücken. Doch die Hoffnung, dass nach dem Bürgervotum wieder Ruhe in Allersberg einkehrt, war vergeblich.

Grabenkämpfe, die in den letzten Tagen vor dem Entscheid eskaliert waren, toben auch danach unvermindert weiter. Auch in der Landespolitik stößt der Allersberger Streit auf wachsendes Interesse. Dem Stimmkreisabgeordneten Volker Bauer (CSU) zufolge verweist die Staatsregierung auf die Zuständigkeit vor Ort. Immerhin bestätigte sie in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen als erste offizielle Stelle, dass das laufende Bauleitplanverfahren "mit dem Ziel durchgeführt" werde, "Flächen für Logistik auszuweisen, die durch die Firma Amazon genutzt werden sollen". Für die wirtschaftspolitische Grünen-Sprecherin Barbara Fuchs "ein Beleg dafür, dass der Bürgermeister die Bevölkerung vor dem Bürgerentscheid getäuscht und nicht korrekt informiert hat". Ähnliche Vorwürfe erreichen Horndasch auch von der örtlichen CSU, den Grünen und der "Bürgerinitiative Lebenswertes Allersberg". Der bisherige zweite Bürgermeister und CSU-Vorsitzende Thomas Schönfeld, wirft Horndasch seit Wochen "mehrfache Lügen" und "Verschleierung" vor und die Bevölkerung "unter Vorspiegelung falscher Tatsachen auszuspielen". Der Zwist wird inzwischen juristisch geführt.

Horndasch widerspricht, Schönfeld sei als Gemeinderat an "allen bisherigen öffentlichen und nichtöffentlichen Beschlüssen beteiligt" gewesen. Außerdem hätten CSU und SPD bis 1. Mai im Gemeinderat über "eine deutliche Mehrheit" verfügt. "Nachträglich den Eindruck zu erwecken, nicht der Gemeinderat, sondern der Bürgermeister hätte einsam und kompromisslos Beschlüsse gefasst, lässt sich durch die Niederschriften der Sitzungen leicht widerlegen", sagt Horndasch.

Im Kern lautet der Vorwurf seiner Gegner, der Bürgermeister habe mit P3 und Amazon längst heimliche Vereinbarungen getroffen. Als Beleg dient ein oberbayerischen Transportunternehmen, das sich 2018 für Flächen in Allersberg bewarb, sich aber mit Hilfe von P3 ausgebootet fühlte, wie der Geschäftsführer dem Hilpoltsteiner Kurier bestätigte. Auch dagegen wehrt sich der Bürgermeister. "Ein Erwerber oder Käufer steht - so wurde es immer von mir kommuniziert - erst dann fest, wenn rechtsverbindliche Verträge unterzeichnet oder Flächen verkauft wurden. Das war und ist aber nicht der Fall und geht nicht ohne die Zustimmung des Gemeinderats." Bis heute sei "noch nichts entschieden". Im Übrigen: "Verwaltung und Bürgermeister entscheiden nie im Alleingang, sondern setzen lediglich Beschlüsse des Gemeinderats um. Alles, was bislang geschehen ist, geschah auf Grundlage entsprechender Beschlüsse der Gremien."

Nun ist es nicht so, dass die Kritiker überhaupt kein Gewerbegebiet wollen. Sie sind lediglich dafür, keinen Groß-Logistiker anzusiedeln, dessen Ruf als Arbeitgeber und Steuerzahler derart ramponiert ist. Für Argwohn sorgt auch, dass P3 das Projekt über eine Luxemburger Gesellschaft abwickeln will. Lieber sähen die Gegner, die Gewerbeflächen würden nach und nach für regionale Firmen hauptsächlich im produzierenden Gewerbe entwickelt. Dagegen sprach sich aber eine Mehrheit im Bürgerentscheid aus. Kritiker prüfen nun, ob dieser angefochten werden kann.

Eine sachliche Debatte über all dies scheint unmöglich geworden zu sein. Das Misstrauen ist enorm. "Seit Monaten" werde "versucht, meinen Ruf und den der Mitarbeiter der Verwaltung zu zerstören und unsere Glaubwürdigkeit zu untergraben, anstatt sachlich im Gemeinderat sich auseinander zu setzen", klagt Bürgermeister Horndasch. Im neu gewählten Gemeinderat sind zwölf der 20 Mitglieder neu. Weshalb das Gremium nun einen Tag lang in Klausur gehen und sich in das Thema einarbeiten will. Danach wird entschieden, wie es weitergeht in Allersberg.

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