Alkoholverkauf an Tankstellen:Fußgänger dürfen wieder tanken

Seit Juni dürfen nach Ladenschluss nur noch Autofahrer an Tankstellen einkaufen. Nun hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer die Regelung des Sozialministeriums nach Protesten völlig überraschend wieder gekippt - und sich selbst als Tankstellenkunde geoutet.

Maximilian Zierer

Wer nachts an der Tankstelle ein Bier kaufen möchte, muss derzeit mit dem Auto kommen. Auch wer am Sonntagvormittag hungrig ist und eine Tankstelle in der Nachbarschaft hat, muss, um bedient zu werden, motorisiert unterwegs sein. So will es ein Vollzugshinweis für das Ladenschlussgesetz, den das Sozialministerium im Juni herausgegeben hat.

Nächtliches Verkaufsverbot an Tankstellen

Soll bald nach 20 Uhr bald auch wieder für Fußgänger zu kaufen sein: Bier von der Tankstelle.

(Foto: dpa)

Darin heißt es, eine Abgabe von Waren an Nichtreisende - also Fußgänger und Radfahrer - sei unzulässig. Dem Ministerium geht es dabei um Wettbewerbsneutralität und den Jugendschutz. Um Saufgelage zu verhindern, sollen sich junge Leute an Tankstellen nicht mit Alkohol eindecken können. Dass damit aber auch viele normale Kunden wegfallen, sorgt für Unmut bei den Tankstellenbetreibern, die deshalb 67.000 Unterschriften gegen den Vollzugshinweis gesammelt haben. Ministerpräsident Horst Seehofer hat ihn nun wieder gekippt.

Zu denen, die mitunter selbst an der Tankstelle spät abends noch vorstellig werden, gehört Seehofer selbst: In seiner Berliner Zeit habe er sich häufig an der 200 Meter entfernten Station abends noch etwas zu Essen geholt, erinnerte sich der CSU-Chef bei der Klausur der Landtagsabgeordneten im oberfränkischen Kloster Banz. Ob da auch mal ein Bierchen dabei war, sagte er zwar nicht. Aber das Gespür dafür, dass es an der Tankstelle nicht zu bürokratisch zugehen sollte, hat sich beim Ministerpräsidenten offenbar erhalten.

Wohl auch deswegen schaltete er sich in Banz selbst in die Debatte ein und machte gegen eine übertriebene Regelung an den Tankstellen mobil. Die bisherige verstoße gegen das bayerische Grundprinzip "Leben und leben lassen", sagte er. Zusammen mit dem Fraktionsvorsitzenden Georg Schmid kündigte er an, dass der Vollzugshinweis rasch gelockert werden solle.

Der Präsident des bayerischen Tankstellenverbands, Günter Friedl, sieht das als Schritt in die richtige Richtung: "Ein normaler Mensch, der hungrig und durstig ist, soll sich an der Tankstelle etwas zu essen und zu trinken kaufen dürfen", findet er. Seehofers Aussage sei allerdings bisher nur eine Absichtserklärung. Der Tankstellenverband fordert vom Sozialministerium eine Rückkehr zum vorherigen Status Quo - die Forderung blieb bisher ohne Erfolg.

Gegen einige Tankstellenbetreiber wurden schon Ordnungs- und Bußgelder verhängt, weil sie sich nicht an den Vollzugshinweis gehalten haben. "Tatsache ist, dass der nächtliche Alkoholverkauf an Tankstellen und das Komasaufen Jugendlicher oft zusammenhängen", sagte ein Sprecher des Sozialministeriums dazu. Kontrollen sollen daher auch zukünftig den Fokus auf den Jugendschutz und auf Missbrauch der geltenden Rechtslage richten. Der Verkauf an normale Tankstellenkunden solle dadurch aber nicht eingeschränkt werden.

Leben und leben lassen

Seehofer schlägt sich auf die Seite der Tankstellenpächter. Einen Staat in dem die Tankstellen Überwachungsfunktionen übernehmen müssten, sagte er, "so einen Staat möchte ich nicht." Allerdings wolle er keinesfalls dem Alkoholismus das Wort reden. Schließlich sei die Regelung vor allem deswegen eingeführt worden, um Jugendliche vor Alkohol zu schützen. "Aber irgendwo müssen wir in einem freiheitlichen Staat auch noch auf die Verantwortung der Menschen setzen." Man müsse einen vernünftigen Mittelweg finden. Die FDP wertete Seehofers Ankündigung als Erfolg. Fraktionschef Thomas Hacker sagte: "Es hat sich gelohnt, dass die FDP den Druck auf ihren Koalitionspartner aufrecht erhalten hat."

Nächtliches Verkaufsverbot an Tankstellen

Nächtliches Verkaufsverbot an Tankstellen: Seehofer will die Regelung nun kippen.

(Foto: dpa)

Sozialministerin Christine Haderthauer bekam nun von Seehofer den Auftrag, nicht juristisch, wohl aber im Vollzug des Gesetzes nachzubessern. Vorsorglich machte CSU-Fraktionschef Georg Schmid Druck: "Das muss in wenigen Tagen erledigt sein." Ob es so schnell geht, scheint fraglich. Aus dem Sozialministerium heißt es, das weitere Vorgehen befinde sich in Abstimmung mit dem Innenministerium. Der bayerische Städtetag warnte derweil vor einer neuen "Schnapsidee". Der Vorschlag des Ministerpräsidenten gehe in die falsche Richtung. Geschäftsführer Bernd Buckenhofer forderte die Staatsregierung dazu auf, den Alkoholverkauf an Tankstellen weiter einzudämmen.

Außerhalb der Ladenschlusszeiten solle es dort nach Wunsch des Städtetags generell nur noch alkoholfreie Getränke geben. "Anwohner haben sich von Lärm, Glasscherben und Sachbeschädigungen belästigt gefühlt", sagte Buckenhofer. Deshalb unterstützt er den Vollzugshinweis des Sozialministeriums, in dem es heißt, dass an Personengruppen, "deren gemeinsamer Treffpunkt das Umfeld einer Tankstelle ist" kein Alkohol mehr verkauft werden solle. Wenn man den Alkoholverkauf außerhalb der Ladenschlusszeiten ganz einschränke, sei eine Quelle für Sauftouren versiegt, sagte Buckenhofer.

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