Alkohol am Steuer:Eine bierernste Angelegenheit

Trinkgelage unter ärztlicher Aufsicht: Mit einem Selbstversuch warnt Promille-Minister Joachim Herrmann vor Alkohol am Steuer.

Dominik Petzold

Der bayerische Innenminister lädt die Landtagspresse zu einem organisierten Trinkgelage unter ärztlicher Aufsicht - und das auch noch in der Fastenzeit: Das klingt wie die Traumsequenz eines sensationslüsternen Reporters, hat aber tatsächlich stattgefunden.

Aber natürlich mit lauteren Absichten: Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kämpft gegen Alkohol im Straßenverkehr, für dieses Thema möchte er nun auch die Medien sensibilisieren. Im vergangenen Jahr kam es auf Bayerns Straßen zu 5000 Unfällen, die auf Alkoholmissbrauch am Steuer zurückzuführen waren, 102 Menschen starben.

Mit der Landesverkehrswacht Bayern startete Herrmann deshalb eine Plakat-Initiative. Jetzt lud er die Landtagspresse zu einem Trinkexperiment in sein Ministerium.

Ziel des Abends: Die 30 anwesenden Journalisten sollten in einem Selbstversuch erfahren, dass man nicht auf einen bestimmten Wert - etwa 0,5 Promille - "zieltrinken" kann. Jeder Teilnehmer des Experiments setzte also für sich eine Promille-Zahl fest.

Unter Berücksichtigung von Gewicht und Größe errechneten die Mediziner die Menge an Bier oder Wein, die es in 75 Minuten voraussichtlich zu trinken galt, um den Pegel zu erreichen. Nach getaner Arbeit sollten sich die Probanden dem Alkomaten stellen.Die festgelegte Höchstgrenze: 1,1 Promille.

Bei früheren Versuchen habe man auf ein Limit verzichtet, sagte der Leiter des Experiments, der Rechtsmediziner Thomas Gilg: "Da haben sich unschöne Szenen abgespielt". Im Innenministerium spielten sich dagegen recht schön anzusehende Szenen ab. Schon nach einer halben Stunde waren mehrere neue Freundschaften entstanden, besonders unter den Kollegen, die die Höchstgrenze anpeilten.

So bestellte ein Reporter (Zielwert: 1,1 Promille, berechnete Menge: drei Liter Bier) bereits nach einer rekordverdächtigen Dreiviertelstunde seine fünfte Halbe. Als eine Mitarbeiterin des Ministeriums vorsichtig anmahnte, dass man das Experiment nicht unbedingt zum Abschluss bringen müsse, antwortete der Mann beschwingt: "Doch, das gebietet mir meine journalistische Sorgfaltspflicht."

Dann wurde gepustet, und die Verblüffung war so groß, wie es Herrmann vorausgesagt hatte: Eine zierliche Radio-Reporterin hatte nach drei Glas Wein nicht 0,6 Promille wie berechnet, sondern 1,3. "Ernüchternd", meinte sie. Andere aber unterboten den angepeilten Pegel deutlich: Ein Kollege trank zwei Bier, danach würde er den Wagen normalerweise stehen lassen.

Er hatte aber nur 0,27 Promille. Professor Gilg erklärte dann noch, dass Faktoren wie das Körpergewicht, die Trinkgeschwindigkeit, ja, sogar die Außentemperatur, den Blutalkoholspiegel beeinflussen. Für einige Journalisten war das rückblickend eine Erklärung für die überraschenden Werte - wenn sie sich am nächsten Tag noch daran erinnern konnten.

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