Unter Bayern:Der standhafte Landesvater

Am Heiligen Abend vor 30 Jahren starb der ehemalige Ministerpräsident Alfons Goppel. Der glühende Föderalist beharrte im politischen Ringen eisern auf seiner Position. Und die Regeln der Staatskunst beherrschte er im Schlaf.

Glosse von Hans Kratzer

Im Beisein des Christkinds in die Ewigkeit hinüberzugehen, ist eine Gnade, die nicht jedem vergönnt ist. 30 Jahre ist es nun her, dass der ehemalige bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel 86-jährig am Heiligen Abend starb. Zweifellos hat er Bayern in einem Ausmaß geprägt, wie es nur wenige andere Politiker schafften. In den 16 Jahren der Ära Goppel (1962-1978) verwandelte sich der Agrarstaat Bayern endgültig in ein Industrieland.

Goppel blickte jeweils an Silvester auf das abgelaufene Jahr zurück und hielt seine Gedanken in einem Büchlein fest. Diese Notizen ermöglichen ungeahnte Einsichten in eine nicht sehr ferne Zeit, die den Jüngeren heute trotzdem wildfremd vorkommen muss. Auf dem Land gab es damals erst wenige asphaltierte Straßen, die Zahl der Gymnasien war überschaubar, und das Internet war noch ein Hirngespinst. Auch Goppels Wertefundament, das stark in der Trias von Familie, Politik und Religion verhaftet war, wirkt mittlerweile leicht antiquiert.

Goppel war zwar der Prototyp des gutmütigen Landesvaters, aber politisch war er standfest wie eine knorrige Eiche. Der mittlerweile schwer lädierte Föderalismus hatte in Goppel einen knallharten Verteidiger. Als im Mai 1965 der Sonderzug der britischen Königin in München einrollte, spielte die Blaskapelle auf Geheiß Goppels zuerst die bayerische Hymne - obwohl Bundespräsident Heinrich Lübke die Staatsregierung gewarnt hatte, dies ja nicht zu tun. Die Staatsgäste bekamen alle drei Strophen zu hören. Prinz Philip sagte nur: "Oh, ein ganzes Konzert!" Nur mit Mühe wurde eine Staatskrise abgewendet.

Die vielen Kämpfe, die er auszufechten hatte, machten Goppel müde, was er aber gut zu tarnen wusste. Anno 1978 sollte er zusammen mit einer russischen Ministerin in Moskau eine Ausstellung eröffnen. Ein Begleiter erzählte später, Goppel sei am Arm seiner Frau pfeilgerade auf die Ministerin zugesteuert, habe sie herzlich begrüßt, um dann auf seinen Platz sogleich in einen jähen Schlaf zu sinken. Als er an der Reihe war, stupste ihn seine Frau sanft in Richtung Podest. Goppel erhob sich, wäre fast auf der ersten Stufe gestolpert, erreichte aber unversehrt das Rednerpult, wo er die Ausstellung mit wohltönender Stimme eröffnete. Seitdem steht fest: Die Fächer Diplomatie und Staatskunst beherrschte Goppel im Schlaf.

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