Süddeutsche Zeitung

AKW in Grafenrheinfeld:"Die einzige Bedrohung ist Seehofer"

Eon will das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld früher vom Netz nehmen - auf Kosten der Stromkunden. Dagegen regt sich bei Umweltschützern und Politikern Protest. Die Grünen kritisieren den Stromkonzern und werfen ihm vor, die Bundesregierung unter Druck zu setzen.

Von Michael Bauchmüller und Mike Szymanski

Eine breite Front von Umweltschützern, Atomkraftgegnern, SPD und Grünen hat sich dagegen ausgesprochen, den Weiterbetrieb des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld bis zum regulären Abschalttermin Ende 2015 mit öffentlichem Geld sicherzustellen. Nach Informationen der SZ erwägt der AKW-Betreiber Eon das Kraftwerk bereits früher vom Netz zu nehmen. Frühestmöglicher Termin wäre Frühjahr 2015.

Für den Konzern lohne sich die anstehende Nachrüstung mit Brennelementen nicht mehr, heißt es aus Regierungskreisen. Dies würde allerdings nach neuen Erkenntnissen der Bundesregierung die Versorgungssicherheit in Bayern gefährden. Dieser Termin falle mit Bauarbeiten im Stromnetz zusammen. In Berlin wird diskutiert, Eon entweder bei der Brennelementesteuer entgegenzukommen oder den Weiterbetrieb anzuordnen, wofür dann allerdings die Stromkunden aufkommen müssten.

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende in Berlin, Ute Vogt, sagte am Freitag der SZ: "Wenn Eon die Brennelementesteuer einsparen möchte, müssen sie den Reaktor vorzeitig vom Netz nehmen. Steuerrabatte darf es keine geben." Sie ging auch auf Bayerns Regierungschef Horst Seehofer ein, der erklärt hatte, es müsse nach Möglichkeit bereits Anfang nächster Woche eine Lösung gefunden werden, damit Grafenrheinfeld nicht vorzeitig vom Netz gehe. Er solle seinen Widerstand gegen überregionale Stromtrassen aufgeben. "Horst Seehofer muss den Netzausbau in Bayern wie geplant vorantreiben, dann hat sein Bundesland auch keine Probleme bei der Energieversorgung." Bayerns SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen bezeichnete es als "absurd", die Atomkraft auf diese Weise zu fördern. "Die Energiepolitik in Bayern funktioniert nicht."

Vorwurf, dass Eon nochmal Kasse machen will

Die Landtags-Grünen übten scharfe Kritik an Eon. Fraktionschef Ludwig Hartmann sagte: "Tatsächlich soll wohl die Bundesregierung unter Druck gesetzt werden, um Eon und den anderen Stromkonzernen die Brennstoffsteuer zu erlassen." Konzerne wie Eon versuchten seiner Meinung nach "vor dem nahenden Atomausstieg noch einmal Kasse zu machen".

In die gleiche Richtung ziele die Idee, das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld für "systemrelevant" zu erklären und die Kosten für den Weiterbetrieb den Stromkunden aufzubürden. Der Meiler könne abgeschaltet werden, ohne dass in Bayern die Lichter ausgingen. "Die einzige Bedrohung für Bayerns Stromversorgung ist Horst Seehofer", griff Hartmann den Ministerpräsident scharf an. "Es gibt überhaupt keinen Grund, sich hier unter Druck setzen zu lassen."

Die Atomkraftgegner von der Organisation "Ausgestrahlt" sehen ebenfalls keine Gefahr für die Versorgungssicherheit, sollte Grafenrheinfeld früher vom Netz gehen. "Kraftwerke, die bei den sehr selten auftretenden Engpässen als Reserve genutzt werden können, sind in Süddeutschland reichlich vorhanden", erklärte deren Sprecher Jochen Stay.

In Grafenrheinfeld kamen am Freitag Atomkraftgegner und Umweltschützer zu einem bereits länger geplanten Treffen zusammen. Die Sprecherin des Schweinfurter Aktionsbündnis gegen Atomkraft, Babs Günther, sagte: "Die Nachricht, dass Grafenrheinfeld früher vom Netz gehen könnte, ist wunderbar." Den Konzernen beim Betrieb finanziell weiter entgegenzukommen, bezeichnet sie dagegen als "indiskutabel". Auch für Hubert Weiger, dem Vorsitzenden vom Bund Naturschutz in Bayern, kommt das nicht infrage. "Dass Eon als Betreiber und Eigentümer des AKWs Grafenrheinfeld nun die Hand aufhält, ist eine Unverfrorenheit." Ein für den Montag anberaumten Termin mit der Bundesnetzagentur und Netzbetreibern in München hat die Staatsregierung am Freitag kurzfristig abgesagt.

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SZ vom 22.03.2014/ahem
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