AKW Grafenrheinfeld:Unsicherheiten

Ein möglicher Schadensfall im Atomkraftwerk Grafenrheinfeld sorgt für Unruhe. Auch wenn die Messergebnisse offiziell kein Grund zur Sorge sind - Zweifel bleiben.

Christian Sebald

Ein möglicher Schadensfall im unterfränkischen Atomkraftwerk Grafenrheinfeld erregt große Unruhe bei den Landtags-Grünen. "Ein Leitungsdefekt im Inneren des Reaktors ist immer eine sehr gefährliche Sache", sagt ihr energiepolitischer Sprecher Ludwig Hartmann, "das dürfen das Umweltministerium und Eon auf keinen Fall herunterspielen, das gehört lückenlos aufgeklärt und zwar sofort." Sollte sich der Schadensfall bestätigen, so der Abgeordnete weiter, "muss die defekte Leitung sofort ausgetauscht werden". Keinesfalls dürfe man damit bis zur nächsten routinemäßigen Überprüfung des Atommeilers warten.

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Ein möglicher Schadensfall im Atomkraftwerk Grafenrheinfeld beunruhigt die Grünen.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Der Energiekonzern Eon, der den Reaktor betreibt, hatte zuvor einen Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel über eine gravierende Panne in Grafenrheinfeld zurückgewiesen.

Laut Spiegel-Bericht betraf die Sicherheitspanne ein sogenanntes Thermoschutzrohr, das den Hauptkühlkreislauf des Atomkraftwerks mit dem Reaktordruckbehälter verbindet. Bei einer Ultraschall-Untersuchung habe ein Messgerät plötzlich einen Riss in dem Rohr angezeigt. Als Experten des Bundesumweltministeriums kurz vor Weihnachten davon erfuhren, seien heftige Kontroversen ausgebrochen. "Wenn das Rohr tatsächlich reißen würde, führte dies unweigerlich zu einem schweren Kühlmittelaustritt", zitiert das Nachrichtenmagazin einen Fachmann der Reaktorsicherheitskommission (RSK), die das Bundesumweltministerium berät.

Die Folge, so heißt es im Spiegel, wäre ein Störfall der Stufe 3 auf der siebenstufigen Bewertungsskala Ines und so in Deutschland noch nie vorgekommen. Damit würde die Anlage radioaktiv verseucht. Der RSK-Ingenieur habe deshalb die sofortige Abschaltung des Reaktors und den Austausch des defekten Teils verlangt.

Der Sicherheitscheck in Grafenrheinfeld fand bereits im Juni 2010 statt. Gleichwohl veröffentlichten Eon und das bayerische Umweltministerium den Vorfall erst sechs Monate später. "Die Bewertungen haben gezeigt, dass die Anzeige sicherheitstechnisch unbedenklich ist", heißt es in der entsprechenden Eon-Erklärung vom 22. Dezember. "Alle Gutachter sind zu dem Schluss gekommen, dass das sicherheitstechnisch keine Relevanz hat", betonte auch jetzt eine Eon-Sprecherin.

Mit der Atomaufsicht und dem TÜV Süd sei man zu dem Schluss gelangt, dass der Vorfall unter den offiziellen Meldekriterien gelegen habe. Eine Meldepflicht sei nicht gegeben gewesen. Gleichwohl werde man das Teil vorsorglich austauschen - bei einer Routinekontrolle im März.

Bayerns Umweltministerium misst dem Vorfall ebenfalls keine Bedeutung für die Reaktor-Sicherheit bei. "Die Meldung, es drohte ein Störfall und eine Zwangsabschaltung im Kernkraftwerk Grafenrheinfeld, ist falsch und absurd", sagt eine Sprecherin. "Das Kernkraftwerk war zu jedem Zeitpunkt sicher." Dies habe der TÜV bereits am 15. Juni 2010 bestätigt. Die RSK und die zuständige Fachabteilung im Bundesumweltministerium hätten diese Bewertung jetzt bekräftigt. Offenbar aber erst nach hartem Streit. Die Berliner Fachabteilung, "die zuvor noch eine Abschaltung gefordert hatte, beugte sich schließlich, wenn auch zum Teil äußerst widerwillig, dem Votum", heißt es im Spiegel.

Wegen solcher Widersprüche bleibt Hartmann misstrauisch. Am Montag werden die Landtags-Grünen per Dringlichkeitsantrag eine Aufklärung verlangen. "Alles was wir bisher wissen, haben uns Eon und das Umweltministerium nicht freiwillig gesagt", erklärt Hartmann, "alles gelangt wieder einmal nur scheibchenweise an die Öffentlichkeit."

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