Aktion "nette Toilette" im Freistaat:Eine Geschäftsidee

Nun auch in Würzburg: Wirte und Einzelhändler lassen Passanten kostenlos auf ihr Klo - dafür bekommen sie 50 Euro pro Monat aus der Stadtkasse.

Katharina Wiechers

Wer zum Einkaufsbummel oder als Tourist in einer Stadt unterwegs ist, kennt das Problem: Öffentliche Toiletten sind rar und meist wenig einladend. Mit dem Projekt "nette Toilette" wollen deshalb immer mehr Städte in Deutschland erreichen, dass Gastronomen und Einzelhändler den Passanten ihre Klos kostenlos zu Verfügung stellen - gegen eine kleine Entschädigung aus der Gemeindekasse. Bereits mehr als 100 machen mit, vor allem in Baden-Württemberg. Als erste größere Stadt in Bayern beteiligt sich nun Würzburg an der Aktion.

Aktion "nette Toilette" im Freistaat: Öffentliche Toiletten sind selten einladend - gut, dass es meistens Alternativen gibt.

Öffentliche Toiletten sind selten einladend - gut, dass es meistens Alternativen gibt.

(Foto: Jørgensen)

50 Euro pro Monat bekommen die Betreiber eines Cafés, Restaurants oder Geschäfts, wenn sie das rote "Nette-Toilette"-Logo an ihrer Tür anbringen und die Gäste ohne Kauf- oder Verzehrverpflichtung aufs Klo lassen, sagt Klaus Walther, der in Würzburg für die Wirtschaftsförderung zuständig ist und das Projekt für die Stadt organisiert hat. 25 Euro zusätzlich gibt es jeweils für einen Wickeltisch oder barrierefreie Toiletten.

Anfangs habe es in Würzburg noch viele Skeptiker gegeben, sagt Walther, mittlerweile machten mehr als 30 Händler und Wirte bei der im Juni gestarteten Aktion mit. Ihre Befürchtung, dass sie dadurch erhebliche Zusatzkosten tragen müssten, habe sich offenbar zerstreut. "Wahrscheinlich haben viele gesehen, dass das Projekt in vielen anderen deutschen Städten gut funktioniert", vermutet er. Durch ein flächendeckendes Angebot an Toiletten sei nicht nur den Gästen gedient, sondern auch der Stadt: Sie könne auf hohe Investitionen in neue öffentliche Toiletten verzichten, sagt Walther.

Einer derjenigen, die sich an der Aktion beteiligen, ist Hermann Ströbel, Inhaber des Café Journal in der Innenstadt. "Wir lassen die Leute bei uns seit 20 Jahren kostenlos auf die Toilette", sagt er. Das sei für ihn selbstverständlich. Dass er nun dafür einen Zuschuss der Stadt bekomme, freue ihn natürlich. Wenn dadurch mehr Leute kommen, stört ihn das nicht. "Die Hoffnung ist schließlich, dass die Leute später nochmal wieder kommen - als Gast", sagt Ströbel.

Auch am Eingang der Alten Mainmühle auf der Alten Mainbrücke klebt ein Aufkleber mit dem Logo "nette Toilette". Geschäftsführer Christian Albert findet das Projekt sinnvoll, schließlich gebe es in Würzburg viel zu wenige öffentliche Toiletten. "Wir leben vom Tourismus", sagt er, daher sei es für ihn selbstverständlich, Passanten seine Klosetts nutzen zu lassen. Wie hoch seine Kosten sind, ob zum Beispiel der Verbrauch an Klopapier seit dem Beginn der Aktion gestiegen ist, kann er noch nicht sagen. "Dazu muss man erstmal sehen, wie die Aktion angenommen wird", sagt er.

Entwickelt wurde das Projekt im baden-württembergischen Aalen, sozusagen aus der Not heraus. Vor etwa sechs Jahren sei auf dem Marktplatz eine öffentliche Toilette geschlossen worden, erzählt Wolfgang Weiß, City-Manager und Initiator des Projekts. Der Aufschrei der Anlieger war groß, erinnert er sich, die Gastronomen und Einzelhändler fürchteten wohl einen Touristenansturm auf ihre Klosetts.

Deshalb sei die "nette Toilette" als Kompromiss eingeführt worden, sagt Weiß. Die 24.000 Euro, die die Stadt durch die Schließung der öffentlichen Toilette jährlich sparte, sollten an jene verteilt werden, die Passanten ihre Toiletten benutzen lassen. Je nach Lage, Ausstattung und vor allem Besucherfrequenz bekommen die Betreiber 25 bis 150 Euro pro Monat von der Stadt.

Zu wenig sei das, findet der Geschäftsführer des Eiscafé Venezia in der Aalener Innenstadt, Claudio Scaldelei. "Seit Jahren bekommen wir den gleichen Betrag, die Preissteigerung von 10 bis 15 Prozent wird einfach nicht berücksichtigt", sagt er. Die Mehrwertsteuer, die Wasser- und Stromkosten und die Personalkosten für die Putzfrau seien gestiegen, der Zuschuss hingegen sei gleich geblieben. Ansonsten findet er die Idee gut. Er sagt, dass viele Leute mittlerweile die "nette Toilette" kennen und sich freuen, wenn sie das Schild sehen. Manche stürmten seitdem aber auch ohne zu Grüßen aufs Klo. "Man merkt, dass die Hemmschwelle gesunken ist", findet Scaldelei.

Der Hotel- und Gaststättenverband Bayern warnt davor, die "netten Toiletten" als Allheilmittel zu sehen. "Das darf nicht bedeuten, dass öffentliche Toiletten abgeschafft werden", sagt Sprecher Frank Ulrich John. Vor allem in großen Städten seien die Besucherströme einfach zu groß. "Gerade kleinere Cafés in der Innenstadt würden das nicht verkraften", warnt er. Reger Verkehr und lange Schlangen belästigten zudem die Gäste.

In kleineren Städten könne er sich diese Lösung hingegen durchaus vorstellen, sagt John. "Da haben beide Seiten was davon." Der Besucher eine saubere Toilette und der Wirt einen Zuschuss von der Stadt sowie möglicherweise den ein oder anderen Gast mehr, der den Weg ins Lokal sonst nicht gefunden hätte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: