Programm für die Landtagswahl:Das schwarze Gesicht der Freien Wähler

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Den Freien Wählern und ihrem Chef Hubert Aiwanger könnte am Wahlabend eine Schlüsselrolle zufallen - als potenzieller Koalitionspartner. (Foto: Johannes Simon)

Sie wollen einen Politikwechsel in Bayern, doch das Wahlprogramm der Freien Wähler zeigt viele Gemeinsamkeiten mit der CSU auf - vor allem die Härte in der Asylpolitik dürfte den Christsozialen gefallen. Von SPD und Grünen sind die Positionen der Parteifreien hingegen kilometerweit entfernt.

Von Mike Szymanski

Die Freien Wähler bewegen sich mit ihrem Wahlprogramm spürbar auf die CSU zu. In dem 62 Seiten langen Entwurf, der am Wochenende beschlossen werden soll und der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, finden sich so gut wie keine gravierenden Differenzpunkte, die einer möglichen Koalition mit der CSU im Weg stehen dürften. In weiten Teilen liest sich das Programm sogar identisch mit Erklärungen der CSU in zentralen politischen Fragen.

Offiziell hält sich Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger weiterhin auch ein Bündnis mit SPD und Grünen offen, sollte sich die Gelegenheit ergeben, die CSU bei der Landtagswahl am 15. September von der Regierung abzulösen. "Es ist ein Programm der Vernunft", sagte Aiwanger der SZ. "Es muss für Rot-Grün und auch für die CSU als Schnittmenge reichen." Programmatisch sind sich Freie Wähler, Grüne und SPD aber in wichtigen Punkten weit weniger einig, wie ein Vergleich der Programme zeigt.

Knapp dreieinhalb Monate vor der Landtagswahl beenden die Freien Wähler als letzte Oppositionspartei in diesen Tagen die Arbeiten an ihrem Wahlprogramm. Aus ihrem Programmentwurf lässt sich erstmals ein Eindruck gewinnen, was CSU und Freie Wähler auf der einen und ein mögliches Oppositionsbündnis aus FW, SPD und Grünen auf der anderen Seite tatsächlich verbindet und trennt. Den Freien Wählern könnte am Wahlabend eine Schlüsselrolle als "Königsmacher" zufallen. Sie könnten sowohl der CSU zur Mehrheit verhelfen wie auch der Opposition.

Keine Forderungen mit "Sprengkraft"

Das Auffälligste am FW-Programm ist der Anspruch. Die Parteifreien werben darin gar nicht mehr für einen Politikwechsel. Aiwanger redet jetzt nur noch von einem Wechsel im "politischen Stil", es gehe darum, sich mehr zu ergänzen anstatt zu blockieren. Die CSU könne das Freie-Wähler-Programm unterschreiben, räumt Aiwanger unumwunden ein. "Wir wollten keine Träume zu Papier bringen. Wir machen, dass Bayern funktioniert." Von politischen Forderungen mit "Sprengkraft" habe er bewusst abgesehen, wichtig sei ihm, dass die Parteifreien "koalitionsfähig" seien.

Einziger ernsthafter Streitpunkt mit der CSU könnten lediglich die unterschiedlichen Positionen zum Gymnasium sein, unüberwindbar sind sie nicht: Die Freien Wähler sammeln gerade Unterschriften für ein Volksbegehren zur Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren. Die Schulen sollen dazu eine Wahlmöglichkeit zwischen G 8 und G 9 anbieten, verlangen die Freien Wähler. Die CSU lehnt das bislang ab. Aber sollte es tatsächlich zur Abstimmung darüber kommen, würde das Volk die Streitfrage für CSU und Freie Wähler beantworten.

Viele Übereinstimmungen und Harmonie

Jenseits dessen trennt CSU und Freie Wähler wenig. Das von der CSU eingeführte Betreuungsgeld sieht die Mannschaft von Aiwanger "kritisch", abschaffen will sie es aber nicht. Beim Mindestlohn spricht sie sich für das Konzept der Union und damit gegen das der Gewerkschaften aus, das die Opposition favorisiert. Für ein eigenes Energieministerium, das die Freien Wähler fordern, zeigt sich auch CSU-Chef Seehofer mittlerweile aufgeschlossen.

Beim Thema Integration und Asylpolitik legen die Freien Wähler eine Härte an den Tag, die der CSU gefallen dürfte: "Bei bewusster Integrationsverweigerung oder wiederholten Gesetzesverstößen wollen die Freien Wähler härtere Sanktionen bzw. eine mögliche Ausweisung in das Herkunftsland." In der Europapolitik warnen sowohl CSU wie Freie Wähler vor zu viel Einfluss aus Brüssel.

Derart viel Harmonie herrscht im Oppositionslager nicht. Mit ein paar Korrekturen wollen sich die Grünen nicht zufriedengeben. In der Präambel ihres Programms erklären sie die Landtagswahl zur Richtungsentscheidung mit dem Ziel, dass "sowohl CSU als auch FDP abgewählt" werden.

Die SPD begnügt sich - wie die Freien Wähler - mit einem "Stilwechsel". Gänzlich unterschiedliche Auffassungen haben Freie Wähler auf der einen und SPD und Grüne in der Schulpolitik auf der anderen Seite: SPD und Grüne werben für das Konzept der Gemeinschaftsschule. Sie solle in Bayern eine "Chance erhalten", schreibt die SPD etwas zurückhaltend, für die Grünen ist sie bereits die "Schule der Zukunft". Die Freien Wähler versprechen eine "ideologiefreie Bildungspolitik" - und was das bedeutet, führt Aiwanger unmissverständlich aus: "Die flächendeckende Gemeinschaftsschule müssen sich SPD und Grüne abschminken. Sie wird über das Versuchsstadium in absehbarer Zeit nicht hinauskommen."

Streit ums Tempolimit

Auch bei einer Wende in der Verkehrspolitik, wie sie die Grünen im Falle eines Wahlsieges versprechen, wollen die Freien Wähler nicht mitmachen. Ihnen geht die Forderung etwa nach Tempo 30 in Städten und Gemeinden und in Ausnahmen Tempo 50 zu weit. Genauso wenig wollen sie ein Limit von 120 Kilometern pro Stunde für Autobahnen, wofür sich die Grünen stark machen. "Da sind wir dagegen", legt sich Aiwanger jetzt schon fest.

Überhaupt: Die größten Differenzen bestehen mit den Grünen. In der Landwirtschaftspolitik sieht Aiwanger großes Potenzial, "sich noch in die Wolle zu geraten". Während die Grünen einen Umbau zur "ökologischen, bäuerlichen" Landwirtschaft vor Augen haben und diesen notfalls über die finanzielle Förderung erzwingen würden, setzen die Freien Wähler auf eine "Kooperation mit den Landwirten anstatt auf überbordende ordnungspolitische Vorgaben und ausufernde gesetzliche Regelungen im Umwelt- und Naturschutz".

Gesellschaftspolitisch liegen Freie Wähler und SPD/Grüne auch weit auseinander. Die Sozialdemokraten bezeichnen es sogar als ihr "wichtigstes Projekt", Frauen besser zu fördern. Die Benachteiligung müsse eine Ende haben. "Wir treten deshalb für eine Frauenquote in Vorständen und Aufsichtsräten ein", heißt es im SPD-Programm.

Die Grünen versprechen "Chancengleichheit für Frauen und Männer". Den Freien Wählern ist das Thema: egal. In ihrem Kapitel zum Arbeitsmarkt verlieren sie darüber kein einziges Wort. Aiwanger hat dafür eine knappe Erklärung: "Was das angeht, sind wir ideologiefreier."

© SZ vom 05.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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