Aiwanger:Familienpolitik ganz praktisch

Politischer Aschermittwoch - Freie Wähler

Da schau, Laurenz, die werden den Papa bestimmt wieder zum Vorsitzenden wählen. Seit zehn Jahren ist Hubert Aiwanger Chef der Freien Wähler.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Die Freien Wähler beraten bei ihrer Landesversammlung über Eltern und Kinder - während der Chef vielleicht Vater wird

Von Wolfgang Wittl

Familienpolitik steht bei den Freien Wählern derzeit hoch im Kurs. Also geht Hubert Aiwanger mit gutem Beispiel voran und schwänzt am Samstag vielleicht sogar die eigene Landesversammlung, auf der er sich wieder zum Vorsitzenden wählen lassen will. Aiwanger und seine Partnerin, die Regensburger Landrätin Tanja Schweiger, erwarten ihr zweites Kind. Errechneter Geburtstermin ist der Samstag. Für Aiwanger steht fest, dass er im Zweifel bei der Familie sein wird. Womöglich wird er eine kurze Videobotschaft absetzen, mehr aber nicht.

Aiwangers private Pläne passen gut zu der politischen Agenda, mit der die Freien Wähler (FW) wieder aus ihrem Tief kommen wollen. Sie wollen Eltern und Kinder fördern - im weiteren Sinn alles, was gute Familienpolitik ausmacht. So soll künftig nicht nur das letzte Kindergartenjahr kostenfrei sein, sondern auch die ersten beiden sollen bereits 2017 und 2018 folgen. Die Kosten von etwa 100 Millionen Euro pro Jahrgang müssten es der Politik wert sein, findet Aiwanger. Zum einen sei die Berechnung der Kindergartenkosten immer noch mit viel unnötiger Bürokratie verbunden, zum anderen setze der Staat damit ein Signal für Kinderfreundlichkeit. Auch kostenfreie Kinderkrippen können sich die Freien Wähler vorstellen, sollten es die Finanzen erlauben. Soforthilfe hingegen soll es für die Hebammen geben. Die Freien Wähler forderten am Donnerstag im Landtag einen Fonds, mit dem sie die flächendeckende Hebammenversorgung in Bayern garantieren wollen. Auch Krankenhäuser mit kleinen Geburtenabteilungen sollen erhalten bleiben.

"Starke Freie Wähler - starkes Bayern", so lautet das Motto auf der Landesversammlung in Fürth. Aiwanger wird - persönlich oder per Video - viel darüber sprechen, was seine Wählervereinigung in den vergangenen Jahren erreicht hat. Zum Beispiel über die im Detail noch ungeklärte Rückkehr zum neunstufigen Gymnasium. Über die Abschaffung der Studiengebühren. Oder über die Proteste zu den Freihandelsabkommen CETA und TTIP.

Noch mehr dürfte die Basis indes interessieren, wie es weitergeht. Zuletzt sahen sich die Freien Wähler in Bayern bei Umfragewerten von nur knapp über fünf Prozent, Aiwanger aber gibt den Optimisten. Er hält das Absacken zwischen den Wahlen nicht für ungewöhnlich. 2014, zur Zeit der Kommunalwahlen, lagen die FW in Umfragen bei zwölf Prozent. Das Potenzial sei also vorhanden. Doch wie die regionale Stärke im ganzen Land abzurufen ist, zumal mit Blick auf eine stärker und stärker werdende AfD, bleibt die Frage. "Wir 19 Vorturner im Landtag", gemeint sind die Abgeordneten, "sind zu dünn für eine Dauerberieselung im Land", sagt Aiwanger.

Aiwangers Ziel: Landräte und Bürgermeister der Freien Wähler sollen sich in künftigen Wahlkämpfen noch stärker einbringen. Noch mehr aber setzt er auf den bundesweiten Anspruch. CSU, SPD, Grüne - sie alle profitierten auch in Bayern von ihrer Wahrnehmbarkeit auf Bundesebene. "Wir haben die nicht", sagt Aiwanger, deshalb will er die bundespolitischen Ambitionen weiter ausbauen. Mit dem (Fernseh-) Richter Alexander Hold haben die FW bereits einen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten präsentiert. Und auch im Bundestagswahlkampf will Aiwanger mitmischen. Er selbst in vorderster Reihe.

Spätestens bis zum März wollen die Freien Wähler ihre Liste für Berlin aufgestellt haben, zehn Köpfe sollen dann ein Spitzenteam bilden, jeder von ihnen mit einem klar zugeordneten Thema. "Unsere Bayern-Mannschaft", so stellt sich Aiwanger dieses Ensemble vor. Keine Einzelkämpfer wie zuletzt, "nicht als Schrotschuss, sondern als Speerspitze", wie er es gewohnt martialisch formuliert. Er schließe auch nicht aus, selbst für den Bundestag anzutreten. Sein Schlüsselerlebnis hatte er bereits 2003. "Du kandidierst für den Gemeinderat und wirst am Info-Stand gefragt: Was hältst du eigentlich vom Irak-Krieg?" Der Erfolg der Freien Wähler, davon ist ihr Vorsitzender bei aller kommunalen Verwurzelung überzeugt, wird sich mehr und mehr darüber entscheiden, ob sie auch Antworten bei großen Themen geben können.

Von der Landesversammlung erhofft sich Aiwanger einen Schub für die Fraktion. Die gut 200 Delegierten werden den Freistaat auffordern, Bezirke und Kommunen mit den Kosten für volljährig gewordene Flüchtlinge nicht allein zu lassen. Seit gut zehn Jahren ist Aiwanger nun Chef der Freien Wähler in Bayern. An seiner Wiederwahl bestehen keine Zweifel. Falls nötig auch in Abwesenheit.

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