Süddeutsche Zeitung

Justizvollzugsanstalt Aichach:Knödelkrieg und Suppenschlacht

Zwei Frauen bewerfen sich in der JVA Aichach mit Kartoffelbrei. Ihr Streit setzt eine lange Tradition von Kampfhandlungen fort, bei denen statt Waffen Lebensmittel zum Einsatz kamen.

Glosse von Hans Kratzer

Die Welt ist voller Aggressionen, aber manchmal äußern sie sich wenigstens in kuriosen Variationen. In der Justizvollzugsanstalt Aichach gerieten jüngst zwei Zellengenossinnen dermaßen in Rage, dass die eine Delinquentin der anderen ihren mit Kartoffelbrei gefüllten Teller ins Gesicht schmiss. Die andere warf sofort zurück, weshalb die erste Kartoffelbreischlacht in der JVA Aichach mit Blessuren endete. Die Furien wurden wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu Geldstrafen verurteilt, kamen aber glimpflicher davon als ein junger Dingolfinger, der mangels Kartoffelbrei halt ein Fahrrad auf einige Polizisten warf und dafür sieben Monate einsitzen muss.

Im Bayerischen Armeemuseum sind jede Menge Speere, Lanzen und Wurfhämmer zu besichtigen, die aufzeigen, dass es dem Menschen seit jeher gefällt, seine Feinde mit gezielten Würfen außer Gefecht zu setzen. Im 13. Jahrhundert wurde das Heer des Ottokar von Böhmen gar mit einem Knödelwurf in die Flucht geschlagen. Eine Frau, die den Wachen ihr Essen brachte, hatte auf der Stadtmauer einen Spion erspäht und diesen mit einem Knödelwurf zu Fall gebracht. Ottokars Truppen zogen danach resigniert von dannen, im Glauben, die Deggendorfer hätten noch so viel Proviant, dass sie damit sogar werfen konnten.

Manchmal bringt der Überfluss an Essen auch Nachteile mit sich. Welches Kind hat noch nie an einer Nudelschlacht am Esstisch teilgenommen und dafür bitter gebüßt? Gelegentlich lief sogar das eine oder andere Leichenmahl aus dem Ruder, wie sich der Autor Valentin Reitmajer erinnert. Als Bub habe er am Ministrantentisch einfach mal mit dem Löffel in die Leberspätzlsuppe geklatscht, um den Nachbarsbuben anzuspritzen. Selbstverständlich revanchierte sich dieser, "so dass unser Tisch bald einem kleinen Schlachtschiff glich." Logisch, dass dort sogleich der Watschnbaum umfiel.

Glimpflicher kam der k.u.k.-Flügeladjutant Lobkowitz davon, wie dem Tagebuch der Gräfin Festetics zu entnehmen ist. Im Juli 1872 speiste er in Ischl an der kaiserlichen Tafel. Als er anfing, mit einem Zahnstocher zu spielen, kam ihm dieser aus und landete im Teller der Kaiserin Elisabeth. Diese platzte fast vor Lachen, was den Kaiser irritierte. "Was ist denn geschehn?", fragte er unaufhörlich. Die Kaiserin sagte nur, ihr sei etwas eingefallen. Was ja irgendwie stimmte. "Lobkowitz schwitzte Blut", steht im Tagebuch.

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SZ/gru/kafe
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