Aichach bei Augsburg:Polizist erschießt Mann nach Attacke mit Axt

Ein 47-Jähriger greift einen Nachbarn und zwei Streifenbeamte an. Auslöser ist ein vermeintlich harmloser Streit mit seinem Nachbarn. Der Mann wird von einer Kugel getroffen und stirbt im Krankenhaus.

Stefan Mayr, Aichach

Am Tag nach den tödlichen Schüssen stellt sich Ramazan Öncü vor die Haustür und zeigt die drei Schrammen, die sein Nachbar Peter A. (Name geändert) mit einer Axt in das dunkelbraun gestrichene Eichenholz geschlagen hatte. "Ich hatte Angst", berichtet Öncü, "darum habe ich die Polizei gerufen." Peter A. war am Sonntagnachmittag auf Öncü losgegangen. Der Konflikt begann wegen einer Nichtigkeit: Die zwei Männer stritten um einen Parkplatz.

Tödlicher Polizeieinsatz

Mit einem Absperrband hat die Polizei den Tatort in einem Treppenhaus gesichert.

(Foto: dpa)

So lächerlich der Auslöser des Streits war, so tragisch endete das Geschehen: Offenbar attackierte der 47-jährige auch die Polizeibeamten mit der Axt. Einer von ihnen gab einen Schuss aus seiner Dienstwaffe ab. Peter A. starb wenig später im Krankenhaus. Die Staatsanwaltschaft Augsburg macht zu den Geschehnissen keine näheren Angaben - Augen- und Ohrenzeugen berichten, dass die Polizisten den Getöteten vor den Schüssen mehrmals gewarnt hätten.

Ich habe um halb elf auf dem Revier gehört, dass er tot ist", sagt Ramazan Öncü am Montag. Nach seinen Angaben hatte Peter A. ihn am Sonntag gegen 17 Uhr aufgefordert, sein Auto wegzufahren, weil es auf einem Parkplatz stehe, der ihm nicht gehöre. Öncü ließ den Wagen aber stehen, woraufhin A. gerufen habe: "Warte kurz, ich komme gleich." Öncü flüchtete in den Nachbar-Aufgang, weil er mit einer Attacke rechnete. Tatsächlich kam A. mit einer Axt in der Hand aus seiner Wohnung - und lief damit suchend auf und ab. Schließlich schlug er dreimal in die Haustüre, hinter der Öncü stand.

Als die Polizeistreife eintraf, hatte sich A. bereits in seiner Wohnung im ersten Obergeschoss verbarrikadiert. Ein anderer Nachbar, Nikola Sertic, berichtete am Montag, was er dann hörte: "Der Polizist hat dreimal gerufen: Legen Sie die Axt weg." Danach hörte Sertic zweimal einen dumpfen Knall, dann einen Schrei. "Vielleicht hat der A. zuerst zweimal mit der Axt in den Türstock gehauen und ist dann auf die Polizisten losgegangen", vermutet Sertic. Dann hörte er einen weiteren Knall. "Das war wahrscheinlich der tödliche Schuss." Dies habe ihm ein Polizeibeamter später bei den Vernehmungen auch so bestätigt.

Nach dem Schuss eilte laut Sertic ein Polizist zurück zum Auto - rief einen Notarzt und weitere Polizeikräfte. Dann wurde A. mit dem Krankenwagen weggefahren. Der Beamte, der den Schuss abgegeben haben muss, war "fertig mit den Nerven", so Sertic. "Er hat ausgesehen wie ein erfahrener Polizist, aber man hat ihm angemerkt, dass er mit sich kämpfen musste." Nach Medienberichten ist der Polizist krankgeschrieben und in psychologischer Behandlung.

Nach übereinstimmenden Angaben mehrerer Nachbarn gab es in der Wohnanlage des öfteren Streit mit Peter A. "Der Mann hatte mit allen Probleme, so was ähnliches gab es schon einmal im Dezember", sagt Ramazan Öncü. Nikola Sertic bestätigt dies: "An manchen Tagen war er friedlich, an manchen Tagen rastete er aus." Und Ali Tamiöven berichtet über den Getöteten: "Manchmal hat er Dosen und Flaschen aus dem Fenster auf die Straße geworfen." Immer wieder sei A. nachts auf- und abgelaufen, habe die Scheibenwischer aller Autos hochgestellt Peter A. war geschieden und lebte alleine in der Drei-Zimmer-Wohnung, nach Angaben seiner Nachbarn schlug er sich zuletzt mit Gelegenheitsjobs durch.

Das Mehrfamilienhaus ist Eigentum der Baugenossenschaft Aichach, im Keller hängt noch eine "Waschküchen-Ordnung und Einteilung" vom 1. Dezember 1950. Das Gebäude mit alten, abblätternden Holzfenstern macht den Eindruck, als sei seitdem nichts mehr gemacht worden. Nur an einer Ecke wurde der Putz ausgebessert - seitdem hat das rosa-farbene Gebäude Flecken. Zur Beleuchtung des Treppenhauses dient eine Glühbirne, die schmucklos in die Fassung gedreht wurde. Die Holztür zur Wohnung des Peter A. hat einen großen Riss, am weiß getünchten Türstock steht mit grüner Kreide geschrieben: "20 C+M+B 11".

Die Staatsanwaltschaft Augsburg bestätigt den "Schusswaffengebrauch" eines Polizisten in einer Presseerklärung. Ihr zufolge wurde die Kriminalpolizei Ingolstadt beauftragt, "die genauen Umstände, die zur Schussabgabe geführt haben, abzuklären". Nach Angaben des Innenministeriums in München wurden in Bayern seit dem Jahr 2001 zwölf Personen durch Schusswaffen von Polizisten getötet. In allen derartigen Fällen werde geprüft, ob die Schüsse gerechtfertigt waren, weil sie aus einer Notlage heraus abgegeben wurden, bestätigte ein Ministeriumssprecher. Mit welchen Ergebnissen diese Prüfungen jeweils endeten, konnte das Ministerium am Montag nicht sagen.

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