Agrarpolitik:Heftiger Streit um Ökoflächen

Bauern fordern Freigabe für Ackerbau, Grüne halten dagegen.

Von Christian Sebald, München

Im Streit um die Freigabe von landwirtschaftlichen Brachflächen für den Anbau von Getreide, Mais und Futterpflanzen haben die Grünen eindringlich davor gewarnt, den Krieg in der Ukraine, die Klimakrise und das Artensterben gegeneinander auszuspielen. "Ohne den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen ist keine gesunde Lebensmittelproduktion möglich", sagt die Grünen-Landtagsabgeordnete und Biobäuerin Gisela Sengl. "Deshalb müssen die Strategien für mehr Klima- und Artenschutz in der Landwirtschaft unbedingt weiter umgesetzt werden." Bauernpräsident Walter Heidl dagegen appelliert an Politiker in Bund und Land, einem Beschluss der EU-Kommission zu folgen und den Ackerbau auf Öko-Flächen ermöglichen. "Die Agrarpolitik hat die Verantwortung, alles Machbare zu tun, um die Versorgungssicherheit in Europa und vor allem auch in ärmeren Schwellen- und Entwicklungsländern sicherzustellen", sagt Heidl.

Hintergrund des Streits sind der Krieg in der Ukraine und die drohenden massiven Ausfälle bei den Getreideimporten. Die Ukraine und Russland zählen zu den wichtigsten Getreidelieferanten weltweit. Ihr Anteil am globalen Weizen-Markt beläuft sich auf fast 30 Prozent. In Folge des Ukraine-Kriegs gibt es schon jetzt erhebliche Preissteigerungen bei Weizen, aber auch anderem Getreide. Europa oder Deutschland müssen laut Experten nicht mit schlimmeren Auswirkungen rechnen. Anders Nordafrika und der Mittlere Osten. Dort könnte sich die Versorgungslage alsbald erheblich zuspitzen. Bauernpräsident Heidl fordert nun, "alles dafür zu tun, drohenden Notsituationen mit allen Kräften vorzubeugen". Die Bauern stünden zu mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft, sie brächten ihre "Produktionsmethoden hinsichtlich Klimaschutz und Artenvielfalt weiter voran". Doch jetzt gehe es um Versorgungssicherheit. Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) und die Freien Wähler argumentieren wie Heidl.

Die Grünen halten dagegen. "Schon jetzt führen die Klimakrise, Wassermangel, ausgelaugte Böden und der Artenschwund zu Ernteausfällen und Ertragseinbußen", sagt Sengl. Die agrarischen Brachflächen seien dringend notwendige Puffer- und Erholungszonen für das Ökosystem. Außerdem machten sie nur einen Bruchteil der gesamten Agrarfläche aus. In Bayern umfassen sie 20 000 Hektar von insgesamt zwei Millionen Hektar Ackerland, also gerade mal ein Prozent. Sollten die Bauern tatsächlich mehr Getreide für Lebensmittel anbauen wollen, könnten sie aus Sengls Sicht jederzeit den Anbau von Futtermitteln für Mastvieh einschränken. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) sieht die Forderung der Bauern ebenfalls kritisch. Er will ihr nur in einem eng begrenzten Umfang nachkommen. An diesem Freitag befasst sich der Bundesrat mit dem Streit.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: