Agrarpolitik:Landwirte unter Druck

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Aus dem Topf der Europäischen Union fließen an jeden Bauern für jeden Hektar Land, den er bewirtschaftet, 300 Euro im Jahr. Bei einem bayerischen Durchschnittshof von 30 Hektar sind das 9000 Euro. (Foto: Matthias Ferdinand Döring)

EU will Subventionen kürzen, aber mehr bei Arten- und Klimaschutz verlangen. Der Bauernverband sieht das kritisch, Öko-Bauern wollen einen Systemwandel

Von Christian Sebald, München

Das Artensterben, immer neue Skandale in der Nutztierhaltung, die Belastung des Grundwassers durch Gülle, die Verschärfung der Klimakrise durch die Massentierhaltung: Auch in Bayern werden die massiven Probleme der modernen Landwirtschaft immer offensichtlicher. Die Bauern wiederum fühlen sich zunehmend unter Druck und an den Pranger gestellt. Das haben zuletzt ihre Proteste in München und Würzburg klargemacht. Der Druck dürfte jedoch weiter steigen. Von 2020 an richtet die EU ihre Agrarpolitik neu aus. Bisher liegen nur Eckpunkte vor. Fest steht aber: Sie wird ihr Milliardenbudget für die Bauern deutlich kürzen. Und sie wird ihnen mehr abverlangen - im Arten- und Klimaschutz, in der Tierhaltung und bei den anderen Reizthemen. Harte Konflikte sind programmiert. Das hat am Mittwoch eine Anhörung im Landtag gezeigt.

Für die Bauern im Freistaat steht viel auf dem Spiel. Ohne die Zahlungen der EU müssten die allermeisten ihre Höfe sofort zusperren. Aktuell fließt knapp eine Milliarde Euro pro Jahr aus der EU-Kasse als sogenannte Direktzahlung in den Freistaat. Aus diesem Topf erhält jeder Bauer für jeden Hektar Land, den er bewirtschaftet, 300 Euro im Jahr. Bei einem Durchschnittshof mit 30 Hektar summiert sich das auf gut 9000 Euro im Jahr. Diese 9000 Euro jährlich machen fast 40 Prozent des Erlöses aus, den so ein Durchschnittsbauer mit seinem Hof macht. Wobei Erlös nicht gleich Einkommen ist - aus ihm werden nämlich auch Investitionen und Betriebskosten finanziert.

Die Direktzahlungen sind es aber nicht alleine. Mit weiteren 200 Millionen Euro im Jahr unterstützt die EU den Öko-Landbau und Agrarumweltprogramme für konventionelle Landwirte im Freistaat. Dazu zählen eine schonende Bewirtschaftung von Wiesen und Weiden oder vielfältige Fruchtfolgen auf Äckern. Die Programme sind gefragt. Deutlich mehr als die Hälfte der bayerischen Bauern nehmen an wenigstens einem teil. Für viele sind auch diese Zahlungen ein wichtiges Einkommen. Was den Nutzen der Programme für den Arten-, Trinkwasser- und Klimaschutz anbelangt, gibt es aber Zweifel. Josef Weiß von der Landesanstalt für Landwirtschaft, die zu den renommiertesten einschlägigen Forschungseinrichtungen zählt, erklärte in der Anhörung, erwiesen sei nur, dass der Öko-Landbau positive Effekte für Natur und Umwelt habe. Bei den Umweltprogrammen für konventionelle Betriebe sei man sich da nicht so sicher.

Der Bayerische Bauernverband (BBV), der mit seinen 145 000 Mitgliedern in Anspruch nimmt, die übergroße Mehrheit der Landwirte im Freistaat zu vertreten, steht der neuen EU-Politik sehr kritisch gegenüber. Er sträubt sich nicht nur gegen jede Kürzung des Agrarbudgets, wie der BBV-Mann Matthias Borst in der Anhörung klarmachte. Sondern er lehnt jede weitere Verschärfung der Vorgaben für die Bauern ab - gleich ob im Umwelt- oder im Naturschutz oder im Tierschutz. "Die Bauern nehmen ihre Verantwortung beim Ressourcenschutz und bei der Biodiversität sehr ernst", heißt es in der Stellungnahme des BBV zu der Anhörung. Sie dürften aber nicht überfordert werden. Seit Wochen schon lässt der BBV keine Gelegenheit aus, zu betonen, wie desolat die Stimmung auf den Bauernhöfen sei.

Die Milchbauern und die Biobauern stehen den Reformbestrebungen sehr viel offener gegenüber. Zwar betonen auch sie, dass die Landwirte in Bayern weiter auf die EU-Zahlungen angewiesen sind. Aber sie sehen die Bauern dafür sehr viel mehr in der Bringschuld als der BBV. "Die bisherige Politik hat keine Zukunft", sagte Hans Foldenauer vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM). "Wir werden die vorhandenen Gelder sehr viel stärker an Leistungen von uns Bauern für die Natur und die Gesellschaft knüpfen müssen." Die EU und die Bauern müssten endlich von dem Ziel ablassen, weltweit auf den Agrarmärkten Preisführer zu sein. Damit sei man in einer Sackgasse angelangt, das zeigten die vielen Umweltprobleme der Landwirtschaft ebenso wie der immense Wettbewerbsdruck, das Höfesterben und der tiefe Frust vor allem der jungen Bauern.

Wenn es nach den Biobauern geht, sollen 70 Prozent der EU-Zahlungen an Leistungen für den Natur- und Umweltschutz sowie das Tierwohl gebunden sein - und zwar gleich, ob die Bauern ökologisch oder konventionell wirtschaften. "Der Reformdruck ist enorm", sagte Hubert Heigl von der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau (LVÖ). Die Agrarpolitik und die Landwirtschaft selbst stünden in immer stärkerem Widerspruch zu Umwelt-, Natur-, Tier- und Artenschutz. Mit ihrer neuen Agrarpolitik müsse die EU einen "grundsätzlichen Systemwandel" einleiten. Die LVÖ ist die Dachorganisation der Öko-Verbände Bioland, Naturland, Biokreis und Demeter. Sie vertritt fast 7000 der 10 000 bayerischen Biobauern.

Der Freistaat ist mit etwa 100 000 Bauernhöfen und vier Milliarden Euro landwirtschaftliche Bruttowertschöpfung in 2017 Agrarland Nummer eins in Deutschland. Zwar arbeiten nur 1,8 Prozent der Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft. Aber nach wie vor steht jeder dritte Bauernhof Deutschlands in Bayern. Und die hiesige Landwirtschaft ist sehr vielfältig. So gibt es nach wie vor viele Nebenerwerbler mit nur acht oder neun Kühen, aber auch immer mehr sogenannte Zukunftsbetriebe mit 150, 200 oder noch mehr Milchkühen. Insgesamt ist der Trend zur Konzentration massiv. Nur sechs Prozent der bayerischen Bauern haben einen Hof mit 100 Hektar Agrarland und mehr. Aber sie bewirtschaften ein Viertel aller Äcker und Wiesen im Freistaat.

© SZ vom 07.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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