Affären um CSU-Landrat Kreidl:Paradebeispiel für Selbstherrlichkeit

Jakob Kreidl

Der Miesbacher Landrat Jakob Kreidl von der CSU

(Foto: picture alliance / dpa)

Ministerpräsident Seehofer versucht die Affären des Miesbacher Landrats Kreidl herunterzuspielen. Doch das Thema hat längst die Landespolitik erreicht. Die CSU steckt im Dilemma.

Von Christian Sebald und Wolfgang Wittl

Zu Horst Seehofers angenehmen Seiten aus Sicht von Journalisten gehört es, dass sich der Ministerpräsident und CSU-Chef grundsätzlich zu allen aktuellen Themen äußert. Seehofer nimmt sich Zeit, antwortet höflich und in aller Regel unverblümt. Als er bei einem Wahlkampf-Auftritt in Ergoldsbach bei Landshut zum in die Kritik geratenen Miesbacher Landrat Jakob Kreidl (CSU) befragt wird, zeigt sich Seehofer reserviert. Die Finanzierung von dessen kostspieliger Geburtstagsfeier könne er "nicht beurteilen", sagt er. Ob Kreidl inzwischen eine Belastung für die CSU sei? "Immer wenn ich mit ihm zu tun hatte, war die Zusammenarbeit sehr korrekt und sachbezogen", sagt Seehofer. Der Fall sei eine "örtliche Angelegenheit".

Seehofers Zurückhaltung ist deshalb so erstaunlich, weil der Miesbacher Landrat und seine mehr als 100 000 Euro teure Geburtstagsfeier natürlich längst ein landespolitisches Thema sind. Und zwar nicht nur, weil der Miesbacher Landrat viele Jahre dem Landtag angehörte und auch jetzt als Präsident des Landkreistags an prominenter Stelle in der Politik im Freistaat mitspricht. Sondern weil die Causa Kreidl für viele Abgeordnete ein Paradebeispiel für die Selbstherrlichkeit und das Machtbewusstsein so mancher Kommunalpolitiker ist. Schließlich hat sich Kreidl sein 100 000-Euro-Fest am 16. August 2012 im Bauernhofmuseum in Schliersee fast ganz von der örtlichen Kreissparkasse und dem Landkreis bezahlen lassen.

Für die Grünen ist das Maß voll. "Kreidl ist immer ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, sich aus seinen Ämtern persönliche Vorteile zu verschaffen", sagt Fraktionschefin Margarete Bause. "Wenn die CSU es ernst meint mit ihrem neuen Verhaltenskodex für ihre Mandatsträger, muss Seehofer einschreiten." Der Verhaltenskodex, den Bause meint, ist erst knapp zwei Monate alt, der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel hatte das Papier kurz vor Weihnachten präsentiert. Die CSU fordert darin von allen ihren Mandatsträgern, also auch Landräten, dass sie ihre private und berufliche Sphäre strikt trennen. Außerdem müssten sie öffentliches Geld sparsam einsetzen und dürften ihr Amt nicht für private Zwecke ausnutzen. "Seehofer muss jetzt handeln, wenn das alles nicht nur Papier sein soll", sagt Bause.

Bauses Hinweis auf den CSU-Ehrenkodex ist auch deshalb brisant, weil das Papier als direkte Reaktion auf die Familienaffäre der CSU entstanden ist, in die Kreidl ebenfalls tief verstrickt ist. Er hatte in den vielen Jahren, in denen er Abgeordneter war, seine Ehefrau als Mitarbeiterin angestellt und ihr auch noch Übergangsgeld bezahlt, als er Landrat war. Ins Straucheln ist Kreidl freilich schon vor fast einem Jahr geraten. Ende März 2013 war bekannt geworden, dass er seine Doktorarbeit zum größten Teil abgeschrieben hatte, ohne die Quellen zu nennen. Im Dezember wurde ihm deshalb der Doktortitel aberkannt.

Auch die Freien Wähler sind der Affären-Serie überdrüssig. "Die CSU muss handeln, Kreidl darf nicht länger den Voralpen-Berlusconi geben", sagt Florian Streibl, ihr Vize-Fraktionschef im Landtag. "Politikverdrossenheit entsteht ja nicht nur, wenn Abgeordnete und Minister ihre Positionen missbrauchen, um sich Vorteile zu verschaffen, sondern auch, wenn ein Landrat wie Kreidl das tut." Streibl fordert aber auch Konsequenzen für die Kommunalpolitik insgesamt. So wie sich die Landtagsabgeordneten infolge der Familienaffäre strengen Regelungen unterworfen hätten, so müssten das nun auch die Landräte und Bürgermeister tun. Das verlangt auch Bause. "Vor allem in die Verflechtungen zwischen von Kreissparkassen und Kommunalpolitik muss endlich Transparenz hinein", sagt die Grünen-Politikerin.

CSU im Dilemma

Die CSU selbst steckt im Dilemma. Sie muss Kreidl stützen, selbst wenn sie das vielleicht gar nicht mehr will. Weil die Frist für die Nominierung der Kandidaten für die Kommunalwahl längst abgelaufen ist, kann sie Kreidl nicht mehr auswechseln. Die Folge: Entweder geht in Miesbach Kreidl ins Rennen, oder die CSU hat dort keinen Landratskandidaten. Das dürfte der Grund sein, warum die Vize-Ministerpräsidentin und oberbayerische CSU-Chefin, Ilse Aigner, sich strikt weigert, sich zu Kreidl zu äußern, selbst wenn man beharrlich nachfragt. Und es dürfte auch der Grund sein, warum Seehofer nur sagt: Kreidl sei weder Mitglied des Landtags noch seines Kabinetts, daher werde er wegen der Vorwürfe nicht recherchieren.

Diese Worte sind vermutlich die maximale Unterstützung, die Seehofer dem angeschlagenen Parteifreund angedeihen lassen will. Denn es ist auch bekannt, dass dem CSU-Chef jede Form von Aufschneiderei persönlich zuwider ist. So verfügt Seehofer ehrenhalber über zwei Doktortitel und eine Professur - die Titel zu führen oder damit anzugeben, läge ihm fern. Auf die Frage, wie er mit Kreidl umginge, wenn der seinem Kabinett angehörte, sagt Seehofer: "Ich habe meinen eigenen Weg, der ist wichtig." Von Kreidls Geburtstagsfeier ist ihm vor allem eines in Erinnerung geblieben: "ein schönes Wortscharmützel" mit dem Münchner Kardinal Reinhard Marx.

Im Oberland wächst derweil die Empörung. Immer mehr Leute stören sich nicht nur an den Zahlungen der Kreissparkasse und des Landkreises für Kreidls Geburtstagfest und den anderen Affären. Sondern daran, dass ihr Landrat offenbar nicht willens ist, reinen Tisch zu machen, und stattdessen "immer nur scheibchenweise mit der Wahrheit rausrückt", wie es heißt. Wohl auch deshalb griffen Unbekannte am Wochenende in Kreidls Wohnort Fischbachau zu einem drastischen Mittel. Mit Schablonen sprühten sie den Schriftzug "Kreidl raus" auf Hauswände, Wahlplakate und Rollsplittboxen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: