Süddeutsche Zeitung

Affären in der CSU:Verziehen, vergessen und gewählt

Einige CSU-Abgeordnete waren in die Verwandtenaffäre im Landtag verwickelt und wurden dafür von Parteichef Seehofer stark kritisiert. Doch die Wähler haben das offenbar schnell vergessen. Sie haben den Politikern gute Ergebnisse beschert - bis auf eine Ausnahme.

Von Stefan Mayr, Olaf Przybilla und Wolfgang Wittl

Auch Jürgen W. Heike hat sich zuletzt unangenehme Fragen gefallen lassen müssen. Da war vor allem das WDR-Team, das den früheren Innen-Staatssekretär vor laufender Kamera auf das Geld angesprochen hat, das er als Abgeordneter an eine mit ihm verbandelte Kanzlei überwiesen hat, für Sekretärsarbeiten. Eine Kanzlei, die Heike einst selbst mit gegründet hat.

Der CSU-Abgeordnete hat keinen wirklich souveränen Eindruck gemacht, bei diesem Interview nicht, und auch sonst nicht im Wahlkampf. Geschadet hat ihm dies aber offensichtlich überhaupt nicht. Er tritt in seinem Coburger Stimmkreis zwar gegen eine ehemalige Generalsekretärin der Bayern-SPD an, eine Frau also, die nicht ganz unbekannt ist: Susann Biedefeld. Aber Heike legte zwischen sich und Biedefeld mehr als 14 Prozentpunkte.

Auch Alexander König, der CSU-Abgeordnete aus Hof, hat einen namhaften SPD-Gegenkandidaten. Er tritt gegen Klaus Adelt an, immerhin stellvertretender Landrat in Hof, ein etablierter Kommunalpolitiker also. Hof ist traditionell kein tiefschwarzer Stimmkreis und trotzdem gewinnt der Abgeordnete König hoch. Am Ende sind es sechs Prozentpunkte zwischen König und Adelt. Und das, obwohl König mit dem Erwerb einer 6000-Euro-Kamera auf Steuerzahlers Kosten den Zorn und den Spott selbst in den eigenen Reihen wie kaum ein anderer Abgeordneter auf sich gezogen hatte.

Die Verwandtenaffäre aus dem Frühjahr hat den davon betroffenen Kandidaten aus Schwaben offenbar wenig bis gar nicht geschadet. Einzige Ausnahme: Georg Winter im Stimmkreis Augsburg-Land/Dillingen: Hatte er dort 2008 noch 51,4 Prozent der Erststimmen erhalten, blieb er diesmal weit unter der 50-Prozent-Marke. Er verteidigte zwar sein Direktmandat, doch sein Ergebnis blieb auch hinter dem Zweitstimmen-Ergebnis seiner Partei zurück.

Der Wahlkreis-Nachfolger des ehemaligen CSU-Landtagsfraktionschefs Georg Schmid ist mit großer Mehrheit in den Landtag gewählt worden. "Es war mein Ziel, ein Ergebnis von 50 plus zu erreichen", sagte Wolfgang Fackler. Die anderen Bewerber erreichten maximal knapp 17 Prozent. Der Steuerjurist Fackler übernimmt das Mandat von Schmid, der wegen der Verwandtenaffäre als Fraktionschef zurückgetreten und bei der Wahl nicht mehr angetreten war.

Schmid hatte seine Ehefrau als Bürokraft beschäftigt und üppig bezahlt, gegen den ehemaligen CSU-Spitzenpolitiker ermittelt die Staatsanwaltschaft Augsburg. Auch Finanz-Staatssekretär Franz Josef Pschierer, der auch in die Verwandtenaffäre verwickelt war, verbesserte im Stimmkreis Kaufbeuren sein Ergebnis von 2008, erhielt aber weniger Erststimmen als die CSU Zweitstimmen.

"Das freut einen natürlich ganz besonders", sagte Landwirtschaftsminister Helmut Brunner. Die Zwischenergebnisse in seinem Stimmkreis Regen/Freyung-Grafenau sahen ihn bei fast 55 Prozent - und damit bei knapp 15 Prozent mehr als 2008. Die Familienaffäre, in die Brunner als eines von sechs Kabinettsmitgliedern verwickelt war, nahmen ihm die Wähler offensichtlich keineswegs übel. "Die Menschen haben meine fünf Jahre Arbeit als Minister bewertet, da kann ich mir nichts vorwerfen lassen", sagte Brunner.

Ob Horst Seehofer ihn wieder ins Kabinett berufen wird, darüber will der Minister nicht spekulieren. "Das sehe ich gelassen", sagte er: "Heute hatte der Wähler das Wort, in 14 Tagen hat es der Ministerpräsident."

Auch Kultusstaatssekretär Bernd Sibler stand wegen der Beschäftigtenaffäre unter besonderer Beobachtung, und ähnlich wie sein niederbayerischer Kabinettskollege Brunner konnte er sich am Wahlabend erst einmal erleichtert zurücklehnen. Sibler lag in seinem Stimmkreis Deggendorf zwischenzeitlich bei etwa 55 Prozent - und damit deutlich über dem Ergebnis seiner Partei.

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Quelle:
SZ vom 16.09.2013/wolf
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