Affäre um CSU-Landrat:Kreidl gibt auf

Landrat Jakob Kreidl lässt aus gesundheitlichen Gründen seine Ämter ruhen.

Am Ende einer politischen Laufbahn: Jakob Kreidl.

(Foto: Johannes Simon)

Der CSU-Politiker Jakob Kreidl wird nach dem 16. März auf keinen Fall mehr Landrat sein. Sollte er die Wahl gewinnen, werde er das Amt nicht antreten, erklärte er. Damit kommt er einer Forderung des Parteivorstands nach - nicht ohne ihn vorher noch einmal zu ärgern.

Von Heiner Effern, Frank Müller und Christian Sebald

Wenn CSU-Chef Horst Seehofer ein Machtwort spricht, dann folgen seine Parteifreunde dem für gewöhnlich unverzüglich, und zwar ganz gleich ob in Berlin, in München oder auf dem Land. Nicht so der affärengebeutelte Miesbacher Landrat Jakob Kreidl. Zwar überbrachte ihm die oberbayerische CSU-Chefin Ilse Aigner am Montagabend in Fischbachau Seehofers Botschaft, er möge unverzüglich von seiner Kandidatur bei der Kommunalwahl lassen. Doch Kreidl ließ am Dienstag seinen Parteichef so lange warten, bis dieser laut seinem Umfeld "auf hundertachtzig" war. Um kurz nach 19 Uhr traf dann Kreidls Verzicht-Erklärung ein.

Er habe sich "nach reiflicher Überlegung entschlossen, selbst für den Fall meiner Wiederwahl zum Landrat, das Amt nicht mehr anzunehmen", schreibt der Landrat. Als Grund dafür gibt er seine angeschlagene Gesundheit an. Er müsse darauf achten, diese "nicht dauerhaft zu gefährden". Die Aufforderung des Parteivorstands, auf seine Kandidatur zu verzichten, habe ihn in seinem Entschluss "bestärkt". Da ein Rückzug rechtlich nicht möglich sei, wolle er nun auf diesem Weg "Klarheit schaffen".

Für Seehofer kommt diese Erklärung viel zu spät, Kreidl hatte ihn den ganzen Tag über einer nervenden Hängepartie ausgesetzt. Am Nachmittag hatte der CSU-Chef noch einmal Klartext gesprochen. Er verlangte von Kreidl, "der Bevölkerung klipp und klar zu sagen, dass er die Wahl nicht annimmt". Doch es verging Stunde um Stunde, ohne dass dem Parteichef Vollzug gemeldet wurde.

"Der Horst denkt, Kreidl trickst"

Die Stimmung bei der CSU im Landtag wurde angespannter, je länger Kreidl auf sich warten ließ. Um 17.20 Uhr verließ Aigner ihren Vize-Ministerpräsidentenplatz im Plenarsaal. Sie telefonierte im Freien. Als sie zurück ging, stand Wut und Härte in ihrem Gesicht. Was es Neues gebe? "Da müssen's noch a bisserl warten", sagte sie mit gepresster Stimme und rauschte durch.

Wenig später sickerte durch, dass noch am Abend eine Sondersitzung des Miesbacher CSU-Vorstands mit Aigner angesetzt ist. Kurz nach 18 Uhr packte sie ihre Sachen. Seehofer blieb erstmal sitzen, er traute der Sache offenbar nicht. "Der Horst denkt, Kreidl trickst", sagte jemand aus Seehofers Umgebung.

Ein "Fiasko" für die Miesbacher CSU

Von einem "Fiasko" spricht man in der Miesbacher CSU. "Die Situation ist unerträglich", sagte ein führender CSU-ler. "Und sie wird immer unerträglicher, je länger sie andauert." Am Nachmittag waren viele hin- und hergerissen - zwischen Wut auf Kreidl und Erleichterung, dass der Albtraum nun bald ein Ende haben könnte. "Nach seinem Plagiat bei der Promotion und seiner Verwicklung in die Familienaffäre haben wir ihn schon im Herbst eindringlich gewarnt, was da für massive Schwierigkeiten auf ihn und uns zukommen", sagt ein Bürgermeister-Kandidat. "Genauso ist es eingetroffen, aber er hat ja nicht hören wollen." Im Gegenteil: Es kam sogar noch schlimmer.

Erst um Weihnachten herum haben führende CSU-Leute Kreidl beschworen, "endlich die Hosen herunter zulassen und uns alles zu sagen, was an anrüchigen Dingen und Affären noch ans Licht kommen kann", sagt ein führender CSU-Mann. "Von seinen krummen Baugeschichten, die jetzt entdeckt wurden, hat er nichts gesagt."

Für andere ist ein Wahlverzicht Kreidls erst der Anfang. "Er muss schleunigst auch den CSU-Kreisvorsitz abgeben", heißt es unter Bürgermeistern. "Und das gilt natürlich auch für die Mannschaft, die ihn all die Zeit gestützt hat - wider besseres Wissen. Sie müssen ihre Ämter räumen." Dank Seehofers ultimativem Eingreifen habe die CSU nun sechs Jahre Zeit, sich grundlegend zu erneuern. "Und das haben wir bitter nötig", sagt einer. Auch Aigner forderte am Abend Kreidls sofortigen Rücktritt vom CSU-Kreisvorsitz.

Bereits in der Sitzung des Kabinetts am Vormittag in München war Kreidl Thema. Doch schon da konnte Aigner Teilnehmern zufolge nicht mehr berichten, als dass sie mit dem Landrat am Vorabend gesprochen habe und dieser sich erklären werde. So wiederholte sie es später vor einer Sitzung der Landtagsfraktion. Im Anschluss lief Seehofer ins Plenum und wusste immer noch nichts. "Ich kenne den Inhalt der Erklärung nicht, ich denke, dass ich das Ergebnis weiß, aber da sag ich jetzt nichts dazu." Da ahnte er nicht, wie lange er noch warten musste.

Vize-Landrat Arnfried Färber ist nicht weniger umstritten

Seehofer rechtfertigte die Hektik der letzten Tage. Letzter Auslöser für ihn, auf Distanz zu Kreidl zu gehen, seien Spekulationen gewesen, ob die Miesbacher Kreidl nach dem regulären Wahltermin bei einer Neuwahl wieder ins Spiel bringen wollten. Damit sei es kein lokaler Fall mehr gewesen, sondern einer für die gesamte CSU, sagte Seehofer. Dass versucht werde, sich "das Wahlrecht zurechtzuzimmern" könne nicht akzeptiert werden. "Dann ist dies ein Alarmsignal." Dass nun eine merkwürdige Lage eingetreten sei, weil Kreidl nicht mehr vom Stimmzettel genommen werden kann, gestand Seehofer zu. "Wir wissen, wie die rechtliche Situation ist."

Bei allen bisherigen Vorwürfen gegen Kreidl habe es sich um lokale Angelegenheiten gehandelt. In Miesbach regiert derweil Vize-Landrat Arnfried Färber (Freie Wähler). Er ist nicht minder umstritten als der CSU-Mann, seit bekannt ist, dass die Sparkasse das 55 000 Euro teure Fest zu seinem 70. Geburtstag komplett bezahlt hat.

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