Landespolitik:Tagesordnungspunkt eins: Abberufung des Chefs

Landespolitik: Der AfD-Abgeordnete Markus Bayerbach ist Vorsitzender des Bildungsausschusses. Die Frage ist, wie lange noch?

Der AfD-Abgeordnete Markus Bayerbach ist Vorsitzender des Bildungsausschusses. Die Frage ist, wie lange noch?

(Foto: Rolf Poss /Imago Images)

Der Bildungsausschuss muss entscheiden, ob Markus Bayerbach weiterhin den Vorsitz führen darf. Der AfD-Abgeordnete hatte sich wegen umstrittener Chats in Widersprüche verwickelt. Es wäre ein wohl einmaliger Vorgang im kollektiven Gedächtnis des Landtags.

Von Johann Osel und Viktoria Spinrad, München

Wenn am Donnerstag die Mitglieder des Bildungsausschusses zusammenkommen, wird es erst einmal nicht wie sonst um Lehrermangel oder Islamunterricht gehen. Stattdessen wird Punkt eins der Tagesordnung aufgerufen: die Abberufung des Ausschussvorsitzenden, Markus Bayerbach (AfD). Die Pressevertreter werden hinaus gebeten, die Mitglieder des Ausschusses schreiben auf kleine Zettel, ob sie ihren Leiter loswerden möchten oder nicht. Stimmen mehr als zwei Drittel dafür, wird Bayerbach vom Hüter über die Tagesordnung und die Abstimmungen zum einfachen Mitglied degradiert.

Ein Ausschuss wählt seinen Vorsitzenden ab: Es wäre ein wohl einmaliger Vorgang, zumindest im kollektiven Gedächtnis des Landtags kann einem spontan niemand einen Fall in der Historie nennen. Auslöser sind die Recherchen über eine Chatgruppe der bayerischen AfD und ihres Umfelds, in denen Umsturzfantasien geäußert wurden. Nach umstrittenen Chats seiner AfD-Kollegin Anne Cyron, Mitglied im Bildungsausschuss, hatte sich Bayerbach in Widersprüche verwickelt. Zunächst bekräftigte er, nicht in der Telegram-Gruppe gewesen zu sein. Als sich herausstellte, dass er wie die meisten Abgeordneten doch Mitglied war, betonte er, dass er dort mittlerweile nicht mehr drin sei. Der restliche Ausschuss sah sich "getäuscht und belogen" von dem Vorsitzenden, der 2018 knapp gewählt worden war und der einzige AfD-Politiker in einer solchen Funktion ist.

Entsprechend breit ist jetzt die Front gegen den Vorsitzenden. "Wer unehrlich ist, ist nicht geeignet, einen Ausschuss zu führen", sagt Anna Schwamberger (Grüne). Das Vertrauensverhältnis sei "zerstört", moniert Simone Strohmayr (SPD). Bayerbach habe die Bedenken in seiner späteren schriftlichen Stellungnahme nicht ausgeräumt, "sondern einen juristisch durchdesignten Text ohne vernünftige Distanzierung" abgegeben, sagt Tobias Gotthardt (FW). Darin hatte Bayerbach betont, dass ihm eine rechtliche Würdigung von Cyrons Chat-Thesen ("Denke, dass wir ohne Bürgerkrieg aus dieser Nummer nicht mehr rauskommen werden") nicht zustehe. Gewalt als politisches Mittel lehne er vehement ab, auf die "Befragung" im Ausschuss sei er "gänzlich unvorbereitet" gewesen, eine "vorsätzliche Lüge" habe er nicht beabsichtigt. Generell sei es so, dass man in der AfD "permanent ungefragt zu irgendwelchen Gruppen hinzugefügt" werde. Eine Aussage, die ihm nicht alle abnehmen, genauso wenig wie sein moderates Auftreten. "Ich muss doch wissen, in welchen Chatgruppen ich bin", sagt Strohmayr. "Wenn er gemäßigt wäre oder sich nicht mit den Inhalten der AfD identifizieren würde, dann hätte er dieser Fraktion den Rücken gekehrt", meint Schwamberger.

Mehrheit legt Cyron freiwilliges Ausscheiden nahe

Den Ausschuss hat der AfD-Politiker bisher relativ unauffällig geleitet, stets wirkt er um Nettigkeit bemüht; Vorkommnisse wurden keine publik. Es gehe hier nicht darum, die AfD aus Prinzip schlechtzureden, aber der Vorfall in der Ausschusssitzung wiege "einfach schwer", betont denn auch FW-Mann Gotthardt, der als bisheriger Vize-Chef im Ausschuss bei einer Abberufung Bayerbachs Interimsvorsitzender wäre. Die Mehrheit legt zudem Cyron ein freiwilliges Ausscheiden nahe, ein Rauswurf ist nicht möglich. Letztlich bestimmt das die entsendende Fraktion. Cyron selbst hatte betont, ihre Sätze im Chat seien eine Warnung vor Revolte im Land, kein Aufruf.

Die AfD-Fraktionsführung hatte ihr bisher den Rücken gestärkt, man verwahre sich "gegen alle Versuche, die AfD zu diffamieren, etwa mit aus dem Kontext gegriffenen Aussagen", hieß es. Die Debatte um Bayerbach wertete der Vorstand als "parteipolitisches Manöver". Fraktionsintern soll es zwar zwischenzeitlich Debatten über eine mögliche Abberufung Cyrons oder Bayerbachs gegeben haben. Ein neues Ausschussmitglied könnte um Vertrauen für den Vorsitz werben - ansonsten verzichtet die AfD ja de facto auf ihren einzigen Chefposten. Nun aber stehen die Zeichen auf Offensive. Nach Informationen der SZ soll am Donnerstag der Münchner Abgeordnete Uli Henkel anstelle von Cyron den Ausschuss besuchen, er ist stellvertretendes Mitglied. Quasi als Anwalt seiner Leute.

Henkel sagte auf Nachfrage: Bayerbach habe den Ausschuss "fachkundig, souverän, unprätentiös sowie stets neutral und fair geführt", ohne den geringsten Anlass zu Kritik. "Nur eine bewusste Lüge mit Vorsatz kann Grundlage eines Vertrauensverlustes sein" - dies sei nicht der Fall, Bayerbach selbst habe in der Gruppe "keinerlei inkriminierende Äußerungen getätigt" und sich zudem entschuldigt. "Wenn eine politische Mehrheit im Ausschuss seine Macht dazu missbrauchen würde, sich seines bisher stets tadelfreien Vorsitzenden zu entledigen, dann begeht diese Ausschussmehrheit ihrerseits eine vorwerfbare Handlung." Man darf gespannt sein auf die Debatte am Donnerstag. Kuriose Pointe: Wäre der kommissarische Leiter mal unpässlich, läge es an der AfD, einen Vorsitz für den Tag zu benennen. Das könnte theoretisch Bayerbach sein, eine Art Sperre gibt es hier nicht.

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