Süddeutsche Zeitung

Bayerischer Landtag:In der AfD-Fraktion grummelt es - und einer geht

Der Austritt von Raimund Swoboda aus der AfD wirft ein Licht auf den rüden Umgang intern. Der völkische Zirkel um Chefin Katrin Ebner-Steiner gibt den Ton für alle vor - menschlich wie politisch.

Von Johann Osel und Lisa Schnell

Der Austritt des Abgeordneten Raimund Swoboda aus der AfD und der Landtagsfraktion hat am Donnerstag nicht zu weiteren Abspaltungen geführt. Für die Zukunft allerdings könne nicht ausgeschlossen werden, dass es wieder "knallt", sagt der Abgeordnete Markus Bayerbach. Mit einer Spaltung rechnet er aber nicht. Bayerbach kennt Swoboda seit Jahren und zählt wie dieser eher zum gemäßigten Lager. Dessen Austritt sei vor allem Folge von "persönlichen Enttäuschungen".

Der 68-Jährige hatte sich aufgrund seiner Stellung als pensionierter Polizeidirektor offenbar mehr Wertschätzung erhofft. Er wurde von seiner Partei als Vizepräsident vorgeschlagen, bekam im Parlament aber keine Mehrheit, unter anderem, weil er auf seiner Homepage vor der "Auflösung unseres Volkes" warnte. Auch sein Wunsch, einen Sitz im Innenausschuss zu bekommen, erfüllte sich nicht; er wurde fraktionsintern übergangen. "Das hat ihn zermürbt", sagt Bayerbach.

Swoboda sei es, mit Blick auf sein Alter und die frühere berufliche Position, nicht gewöhnt, scharfe Anweisungen von Jüngeren entgegenzunehmen, heißt es zudem aus Fraktionskreisen. Da habe er sich ungern zeigen lassen wollen, "wo der Barthel den Most holt". Eine Aussage, die wohl als Seitenhieb auf den parlamentarischen Geschäftsführer Christoph Maier, 34, gesehen werden kann, der in enger Absprache mit Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner intern den Ton vorgeben soll - und das nicht immer harmoniesüchtig.

Ebner-Steiner teilte am Mittwoch mit, dass sie den Austritt Swobodas bedauere, und forderte ihn auf, sein Mandat zurückzugeben. Als Kritik an der Führung oder der inhaltlichen Ausrichtung der Fraktion möchte sie Swobodas Entscheidung auf keinen Fall verstanden wissen. Das seien "Spekulationen".

Andere, zum Beispiel der Abgeordnete Franz Bergmüller, ebenfalls ein Vertreter der Gemäßigteren, sehen durchaus einen politischen Richtungsstreit in der Fraktion. Er fordert, den derzeitigen politischen Kurs der Partei zu überdenken: "Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die AfD nach rechts abdriftet. Dies entspricht definitiv nicht dem Grundgedanken der Partei, und das ist auch nicht, wofür ich und die meisten meiner Parteikollegen stehen", teilt Bergmüller mit. Wenn der "bürgerlich-liberale Flügel der AfD geht", sei die weitere Perspektive der AfD nicht bei 15, sondern bei fünf Prozent. Zu möglichen eigenen Plänen wollte sich Bergmüller auf SZ-Anfrage nicht äußern.

Bayerbach dagegen glaubt nicht, dass "wir den kompletten Rechtsruck kriegen". Dazu gebe es zu viele Liberale in der Fraktion, "die nicht bereit sind nach rechts zu marschieren". Bis zu einem Drittel der nun 21 Abgeordneten soll Ebner-Steiners Kurs mindestens skeptisch sehen. Sie wünschen sich mehr Sachpolitik und wollen weg von der Fokussierung auf Themen wie Asyl, Migration oder Islam. Auch die Wortwahl ist ihnen zu extrem: Der Abgeordnete Ferdinand Mang bezeichnete es etwa als "Wegmarken des Faschismus", als die Mehrheit im Landtag der AfD einen Sitz in bestimmten Gremien versagte.

Auch der bisher kaum in Erscheinung getretene Co-Fraktionschef Markus Plenk wird zum moderaten Lager gerechnet. Er sprach nach Swobodas Austritt von einem "Warnsignal" und sagte: "Wir müssen geeignete Maßnahmen ergreifen, damit es bei einem Einzelfall bleibt." Die Debatten müssten aber intern geführt werden, ergänzt Bayerbach.

Dabei stoßen sich einige auch an dem Führungsstil von Ebner-Steiner und ihren Unterstützern, der wohl auch Swoboda nicht gut bekommen ist. "Wir müssen uns nicht lieben - aber menschlich müssen die Dinge einfach geklärt sein", meint ein Abgeordneter. Vielleicht sei der Fall Swoboda "für jene, die alles an sich ziehen", auch ein "Schuss vor den Bug" - und es werde auf kurz oder lang ein neuer Umgang gepflegt.

Die Hoffnung, dass sich etwas ändern könnte, gibt auch Bayerbach nicht auf. Schon jetzt werde auf Kritik eingegangen. Zuletzt tauchten auch einzelne Abgeordnete und nicht nur Ebner-Steiner in Pressemitteilungen der Fraktion auf. Bayerbach sagt: "Wir sind in der Findungsphase. Wir brauchen noch mindestens ein halbes Jahr, bis wir unseren Stil gefunden haben."

Ob noch weitere Abtrünnige in Aussicht stehen oder ob der Fall Swoboda doch der Auftakt zur Spaltung sein könnte? "Was in den Köpfen Einzelner vorgeht, weiß man nie", sagt ein Abgeordneter. Kollegen, die vielleicht ähnlich denken, sähen nun auch die harschen Reaktionen. Dass Swoboda auch seiner Partei den Rücken kehrt, soll in internen Chat-Gruppen einen "Shitstorm" ausgelöst haben. Denn bei aller Kritik am Umgang in der Fraktion, so heißt es, könne die Basis nichts dafür, die mittelfränkische AfD habe dem früheren Polizisten Listenplatz eins im Bezirk zur Landtagswahl beschert. Doch auch in öffentlichen AfD-Kanälen auf Facebook war am Donnerstag vor allem ein Wort zu lesen: "Verräter".

Fabian Mehring fällt ein anderes Wort zu ihm ein. "Mutig" nennt der parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler Swobodas Schritt und prognostiziert, dass noch weitere folgen werden: "Das ist erst der Anfang. Die werden sich zersetzen." Soweit, dass die FW Swoboda bei sich aufnehmen würden, geht die Respektbekundung dann aber nicht. Auch CSU und FDP schließen es aus, abtrünnige AfD-Mitglieder bei sich willkommen zu heißen. "Da ist keiner dabei, der sich zur AfD nur verirrt hat", sagt FDP-Fraktionschef Martin Hagen.

Swoboda hat bis zum Donnerstag noch keine öffentliche Erklärung abgegeben. In seinem Brief an die Fraktion soll er aber mitgeteilt haben, als fraktions- und parteiloser Abgeordneter sein Mandat zu behalten. Selbst wenn es noch weitere Austritte bei der AfD geben sollte, können sie sich nicht zu einer eigenen Fraktion zusammenschließen. Es ist nicht möglich, zwei Fraktionen von AfD-Abgeordneten zu bilden, wie es etwa in Baden-Württemberg der Fall war. Selbst bei Gründung einer neuen Partei wäre eine eigene Fraktion ausgeschlossen. Nur Parteien, die in den Landtag gewählt wurden, sind dazu berechtigt. Dazu hatte der Landtag extra zu Beginn der Legislaturperiode die Geschäftsordnung geändert.

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SZ vom 29.03.2019/kast
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